Holzfassaden: In Würde altern - Gestaltung und Technik

23.05.2019 Der Holzbau erobert zunehmend erfolgreich immer neue Bereiche. Damit sind auch immer mehr Holzfassaden anzutreffen, dies auch bei grossvolumigen und bei hohen Bauwerken. Damit Holz kontrolliert und in Würde altert, sind gestalterische und technische Massnahmen entscheidend.

Der Holzbautag vom 16. Mai 2019 in Biel drehte sich um Typologie und Ausdruck von Holzfassaden und erörterte Einflüsse aus Natur und Modifikation. Grundlegende Themen waren Struktur und Konstruktion der Holzfassaden sowie deren Grenzen und damit verbundene Visionen. Der Direktor des Departments Architektur, Holz und Bau der Berner Fachhochschule, René Graf, konnte über 600 Teilnehmende am Anlass begrüssen, eine Rekordzahl.

Holz mit und nicht gegen seine Natur verbauen

Mit Blick auf tradierte und moderne Holzarchitektur, zum Beispiel in Norwegen, in der Schweiz und in Japan zeigte Claire Bonney (Berner Fachhochschule BFH) wie früher und heute Holz an Fassaden richtig eingesetzt wird: mit und nicht gegen seine Natur. Korrekte Baudetails nutzen die spezifischen Eigenschaften von Holz erfolgreich – ästhetisch und ökologisch sinnvoll. Bonney zitierte den japanischen Ausdruck «wabi-sabi», ein Begriff, der für die Akzeptanz von Veränderung und Vergänglichkeit steht.

Der erfahrene und für Neues offene Zimmermeister Richard Jussel (Blumer-Lehmann, Gossau) zeigte eine Reihe von Baudetails, die für eine langfristig haltbare Holzfassade entscheidend sind. Die Wahl der Holzart, das Design, die Struktur der Oberflächen, die unterschiedlichen Behandlungen und Farben sowie die Montagetechniken sind dabei ausschlaggebend. Jussel empfiehlt für die Planung den frühzeitigen Kontakt zum Holzbauer, um die Details korrekt zu gestalten. So etwa ist die Hinterlüftung wesentlich, sie führt Feuchte und Sommerhitze ab. Bauherrschaften benötigen Informationen über die Pflege der Holzfassaden und allenfalls einen Unterhaltsservice über mehrere Jahre.

Das Dürfen und Müssen bei Planung und Bau von Holzfassaden war das Thema von Hanspeter Kolb (BFH). Die bestehenden Regel- und Normenwerke verschaffen Sicherheit und Klarheit. Gleichzeitig wirke sich die herrschende Hierarchie zwischen Gesetz, Vorschrift, Stand der Technik usw. Strukturierend auf die Planung aus.

Der Oberflächenschutz von Holz: Natur und Modifikation

Holzfassaden sind je nach Lage und Exposition der Witterung unterschiedlich ausgesetzt. Je nachdem tendiert Holz zum allmählichen Vergrauen durch Pilzbefall an der Oberfläche oder zum Nachdunkeln aufgrund intensiver Sonneneinstrahlung wie z. B. im Gebirge. Für den Schutz sorgen unterschiedliche Beschichtungen – deckend oder transparent. Thomas Volkmer (BFH) zeigte die Möglichkeiten und Auswirkungen und erläuterte thermische und chemische Modifizierungsvarianten. Unbehandelt belassene Holzfassaden unterliegen einem natürlichen Vergraungsprozess der je nach Fassadenkonstruktion mehr oder weniger regelmässig ausfällt.

Über nicht filmbildenden Oberflächenschutz informierte Leander Walther (GWJ Architekten, Bern). UV-Schutz vermindere den Abbau von Lignin und verzögere die Vergrauung. Durch Wasser abweisende Imprägnierung (Hydrophobierung) oder mit ölbasierten Behandlungen (Fassadenöle oder Öllasuren) lässt sich das Holz vor Feuchtigkeit schützen. Die natürliche Vergrauung setzt dennoch ein. Die Möglichkeit einer Vorvergrauung von Holz besteht, sie bringt aber keinen Schutz, vermindert immerhin die unterschiedlichen Verfärbungen.

Filmbildende Behandlungen von Holzoberflächen benötigen Wartung und Nachbehandlung, betonte Ismaël Mivelaz (Mivelaz Bois SA, Le Mouret). Es empfehle sich, diese Arbeiten bereits bei der Planung der Fassade zu berücksichtigen und sich für die Ausführung an ein erfahrenes und seriöses Unternehmen zu wenden. Ein Gütezeichen der Lignum für Fassadenbehandlung ist in Arbeit und soll anlässlich der Fachmesse «Holz» in Basel neu lanciert werden.

Oberflächenbehandlung kann mehr erreichen als blossen Schutz führte David Leuthold (pool Architekten, Zürich) aus. Technisch korrekt aufgeführte Holzfassaden können tatsächlich in Würde altern und dabei eine Patina ansetzen. Dies verlangt aber Seites Bauherr Akzeptanz und vom Architekten im Vorfeld entsprechende Information. Er zeigte mit dem Neubau des Stapferhauses in Lenzburg die Möglichkeiten von Oberflächenbehandlungen, die dem Holz immer wieder einen völlig unterschiedlichen Ausdruck verleihen.

Struktur und Konstruktion - Holzfassaden sind Image bildend

Zumeist werden Qualität und Anmutung eines Bauwerks aufgrund des Zustands seiner Fassade beurteilt, äusserte Pirmin Jung (Pirmin Jung Schweiz AG, Rain). Der Kostenanteil einer Holzfassade belaufe sich im Schnitt auf bloss rund 10 Prozent der Baukosten, sei aber entscheidend für den Eindruck über die Tauglichkeit insgesamt – ein guter Grund bei Planung, Qualität und Kosten nicht zu geizen. Pirmin Jungs Ausführungen basierten auf einem reichen Erfahrungsschatz und auch er plädierte eindringlich für frühzeitige Detailplanung und Unterhaltskonzept.

Eine althergebrachte Fassadentechnik beschrieb Daniel Scheuber (Roman Hutter Architektur RAH, Luzern) für einen Ersatzneubau der Raiffeisenbank in Unteriberg. Die Planung erfolgte entsprechend historischen Aufnahmen in moderner Form, der Bau wurde aber wie seinerzeit üblich mit Schindeln verkleidet: von Hand gespaltene, tauchgrundierte Fichtenschindeln. Das Ergebnis überzeugt und gefällt nun auch den zuerst skeptischen Bewohnern des Orts.

Ob Design und Dauerhaftigkeit im Widerspruch stehen, dieser Frage ging Andreas Müller (BFH) nach. Er beobachtet, dass neu zunehmend strukturierte und räumliche Fassaden realisiert werden. Diese Formen erhöhen die der Witterung ausgesetzten Flächen und bedingen so eine besonders hohe Sorgfalt der Planung und Ausführung. Besser geeignet als Vollholzquerschnitte seien die geklebten Produkte Brettschichtholz, Balkenschichtholz oder Furnierschichtholz. Homogenisiert und formstabil erweisen sich solche Holzteile mit ihren verhältnismässig kleinen Querschnitten als leistungsfähig.

Grenzen und Visionen - Kontraste der Architektur

Holzhochhäuser von 30 Metern oder mehr sind gänzlich anderen Belastungen ausgesetzt als normal hohe Stockwerkbauten. Die entsprechenden Überlegungen legte Thomas Wehrle (Erne AG Holzbau, Stein) dar. Hohe Winddruck- und -sogkräfte bedingen entsprechende Befestigungstechnik. Die Kontrolle des Zustands der Fassaden an hohen Gebäuden und deren Unterhalt ist entsprechend zu planen. Eine regelmässige Wartung beeinflusst die Lebenszykluskosten solcher Gebäude.

Im Kontrast dazu stellte Patrick Giromini (EPF Lausanne) vernakuläre Bauten in den Alpentälern des Wallis vor. Wir können die einfach und sinnvoll konstruierten Bauwerke zwar bewundern, richtig verstehen können wir sie kaum, meinte er. Denn die Kultur, die sie hervorgebracht hat, ist heute weitgehend verschwunden. Wir können vom damaligen Handwerk lernen, die heutigen Bauten sollen aber den aktuellen Bedürfnissen genügen.

Das Wesen einer naturbelassenen Holzfassade ist ihre Veränderbarkeit betonte Hermann Kaufmann (TU München). Und kaum etwas polarisiere mehr die Diskussionen über den Holzbau als deren Fassaden. Kaufmann stört sich nicht an Verwitterung und Patina bei Neubauten aus Holz. Allerdings sei mit entsprechenden Baudetails eine gleichmässige Vergrauung anzustreben und keinesfalls dürfe der Holzbau die Bauformen der modernen Betonbauten kopieren. Er betrachtet den Einsatz von Farbe als gute Möglichkeit, eine Holzfassade auf Dauer kontrolliert altern zu lassen. Der nächste Holzbautag Biel findet am 14. Mai 2020 statt.

Der Markt für Holzfassaden

Das Departement Architektur, Holz und Bau der Berner Fachhochschule hat Marktdaten zu Holzfassaden erhoben und den Teilnehmenden des Holzbautags ein entsprechendes Informationsblatt abgegeben. Es zeigt sich: Beim Neubau von Mehrfamilien erreichte der Anteil von Holz in Fassaden im Jahr 2018 ein Niveau von rund 18,6% der Gebäude. Bei gewerblichen und öffentlichen Neubauten stieg der Anteil von Holzfassaden von knapp 25% im Jahr 2017 auf 26,5% im Folgejahr.

Diskussion und Fragen aus dem Publikum

Fragen und Anregungen aus dem Publikum kamen zahlreich. Die Antwort auf die Frage nach goldenen Regeln für Holz an Fassaden war einleuchtend:  Schutz vor Witterung planen, trockenes Holz verbauen, den Schutzfilm genügend dimensionieren, für Hinterlüftung sorgen sowie den Unterhalt nicht vernachlässigen. Die dabei eingesetzten Bretter seien genügend zu dimensionieren – 20 mm seien definitiv zu dünn.

Auf Skepsis stiess die Aussage, die Ästhetik der Architektur sei allein von den Architekten zu verantworten, die Wünsche der Bauherrschaften seien oft wenig zielführend. In der Frage, wie viel Holz in Städten richtig sei, waren sich die Experten einig: für die Konstruktion ist dort Holz angebracht und erwünscht, für die Fassaden eher nicht. Aber eine dogmatische Haltung sei dieser Beziehung nicht angebracht.

Die für die Konstruktion aufgeworfenen Fragen führen klar auch zum Bereich Brandschutz. Für die zunehmend hohen Holzbauten seien reine Holzfassaden wenig ratsam – sowohl aus Gründen der Sicherheit als auch der Ästhetik. Darin war sich die Runde einig.

Fragen der Ökologie stellen sich auch beim Holzbau. Der nachwachsende Baustoff Holz weist in diesem Bereich klare Vorteile auf. Übereinstimmend wurde betont, es sei aber an den Planenden wie auch an den Bauunternehmen, das Holz seinen Eigenschaften und Möglichkeiten entsprechend einzusetzen umso zu möglichst umweltgerechten Bauwerken zu kommen.

Holzbautag Biel: Führende nationale Branchenplattform

Der Holzbautag ist als nationale Fachveranstaltung zur führenden Branchenplattform geworden. Er bietet Führungskräften aus der Bau- und Holzwirtschaft gezielte Weiterbildung und auch Gelegenheit, sich zu treffen und auszutauschen. Der Anlass wird zweisprachig in Deutsch und Französisch durchgeführt. Alle Referate werden simultan übersetzt. Angesprochen sind Holzbauerinnen und Holzbauer, Holzbauingenieurinnen und Holzbauingenieure, Architektinnen und Architekten, Investoren und Bauherrschaften, die sich für den modernen und leistungsfähigen Holzbau interessieren. In der begleitenden Fachausstellung präsentieren über 40 Unternehmen ihre neusten Produkte, Dienstleistungen und Lösungsansätze. In den Pausen findet sich genügend Zeit, sich entsprechend zu informieren und Kontakte zu pflegen. Hauptsponsor der Fachtagung ist die Egg Holz Kälin AG. Der nächste Holzbautag findet am 14. Mai 2020 statt.

Weitere Informationen: ahb.bfh.ch/holzbautag

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