Weiterbauen mit Holz: ressourcenschonend, werkstoff-gerecht, kreislauffähig

17.05.2023 Mit 470 Teilnehmenden war der diesjährige Holzbautag Biel ein Grosserfolg. Der Anlass fand bereits zum 16. Mal statt und ist weit mehr als das traditionelle Stelldichein der Branche. Unter dem Motto «Weiterbauen mit Holz: ressourcenschonend, werkstoffgerecht, kreislauffähig» diskutierten in Biel am 11. Mai Holzbauingenieur*innen, Architekt*innen und Unternehmer*innen über die ökologischen und gesellschaftlichen Herausforderungen an das Bauen der Zukunft.

Am Werkstoff Holz führt kein Weg vorbei, wollen wir klima- und umweltgerecht bauen, darüber war man sich an der von der Berner Fachhochschule organisierten Tagung einig. Verbautes Holz als langfristiger CO2-Speicher und nachwachsender Rohstoff hat in ökologischer Hinsicht viel zu bieten. Doch wie müssen wir Holz einsetzen, damit wir tatsächlich ressourcenschonend, werkstoffgerecht und kreislauffähig bauen? Diese Frage standen im Zentrum des Holzbautags 2023.

Kreislauf als Haltung

Einen radikalen und gerade deswegen inspirierenden Ansatz vertrat die Basler Architektin Barbara Buser. Ihre Themen sind «Reuse» und «Upcycling». Will heissen: Erhalten und Umnutzen von Gebäuden und die Wiederverwendung von Werkstoffen und Bauteilen. Nur so liesse sich etwas gegen die 17 Mio. Tonnen jährlich anfallenden Bauabfälle tun. Das sind 40 Prozent der gesamten Schweizer Abfälle. «Es geht darum, im Bestand zu arbeiten», betonte Buser, die unter anderem als Initiantin der Bauteilbörse Basel zur Pionierin des zirkulären Bauens in der Schweiz wurde.

Anschaulich erklärte die Architektin, wie sie und ihr Team bei Umnutzungsprojekten den Materialkreislauf ins Zentrum rücken. Am Anfang steht jeweils eine Liste von Bauteilen, nach denen sich «Bauteiljäger» gezielt auf die Suche machen. Der architektonische Entwurfsprozess wird danach den gefundenen Teilen – von Fenstern und Türen bis zu Fassadenelementen oder einer Nottreppe – laufend angepasst. Zu welchen Nachhaltigkeitsresultaten dieser Ansatz führt, zeigte Buser am Beispiel des Projekts K.118. Dabei wurde in Winterthur eine bestehende Lagerhallte umgenutzt und aufgestockt und so Raum geschaffen für Büros, Ateliers und Werkstätten. Mehr als zwei Drittel der verwendeten Bauteile waren wiederverwendete, wodurch sich der CO2-Ausstoss sich verglichen mit einem Neubau um über die Hälfte verringern liess. «Die beim Bau eingesparte Energie», so Buser, «reicht für den Betrieb des Hauses während 60 Jahren.»

Leuchtturmprojekt «Haus des Holzes»

Auf grosses Interesse stiess auch der Vortrag von Pirmin Jung. Er ist einer der Pioniere des Holzbaus und gründete eines der ersten Holzingenieurbüros der Schweiz, das mittlerweile über 100 Mitarbeitende zählt. Nun hat er für seine stark gewachsene Firma ein neues Bürogebäude gebaut, das «Haus des Holzes» in Sursee. Es wurde 2022 bezogen, und bietet neben den Büros der Holzbauingenieur*innen verschiedenen anderen Nutzungen Platz. Für das Projekt tat sich Pirmin Jung mit dem Luzerner Architekten Marc Syfrig zusammen. Erklärtes Ziel der beiden: einen Holzbau als Vorzeigeprojekt für das Bauen der Zukunft zu schaffen.

Das «Haus des Holzes», so Pirmin Jung, sollte sich nicht nur durch hochstehende Architektur und attraktive Arbeitsplätze auszeichnen, sondern auch beim kreislauffähigen Bauen Massstäbe setzen. «Wir müssen dafür sorgen, dass kommende Generationen ein Gebäude möglichst einfach wieder zurückbauen können», betonte er. Dazu gelte es für Architekten und Planer heute daran zu denken, wie sich morgen möglichst viele Bauteile wiederverwenden und möglichst viel Rohstoffe recyceln liesse. Und sie müssten sicherstellen, dass möglichst wenig Rohstoffe entsorgt werden müssten.

Die Planer des Leuchtturmgebäudes in Sursee stellten sich deshalb bei jedem Bauteil Fragen wie: Aus welchen Rohstoffen besteht es? Wie wird es produziert, zusammengefügt und montiert? Wie lässt sich eine möglichst lange Nutzungsdauer erreichen? Und: Wie wird die Wiederwendung gewährleistet? Auf Basis dieser Überlegungen wurden anschliessend nicht nur die zu verwendenden Materialien bestimmt, sondern auch neue konstruktive Lösungen entwickelt. Weiter unterstrich Pirmin Jung, es sei unumgänglich, die Möglichkeiten der Digitalisierung für das zirkuläre Bauen zu nutzen. Beim «Haus des Holzes» wurde der gesamte Planungs- und Bauprozess ausschliesslich über eine digitale Plattform abgewickelt. Diese Daten werden in Zukunft auch bei einem eventuellen Rückbau von grossem Nutzen sein. Für den Holzbau in Sursee ist lückenlos dokumentiert, was wo und insbesondere wie verbaut wurde.

Potenzial der Ressource Holz

Die Diskussionsrunde im Anschluss an die Referate drehte sich um Themen wie Normen und werkstoffgerechtes Bauen oder Kreislauffähigkeit und Ästhetik. Gefragt wurde aber auch nach dem Potenzial der Ressource Holz. Noch betreffen in der Schweiz erst 16 Prozent der Baugesuche Bauvorhaben in Holz – es dominiert nach wie vor Beton. Doch was ist, wenn sich der Trend fortsetzt, und die Nachfrage insbesondere nach einheimischem Holz weiter schnell wächst?

Eindeutige Antworten auf diese Frage gab es am Holzbautag nicht. Einerseits wird das Potenzial der Schweizer Wälder noch lange nicht ausgeschöpft, doch andererseits kann die Beschaffung von regional gewachsenem Holz Planer*innen durchaus vor logistische Herausforderungen stellen. Das zeigte sich etwa am Beispiel des Generationenwohnprojekts Burkwil in Meilen (Duplex Architekten, WaltGalmarini), einer Siedlung mit über 100 Wohnungen, die gegenwärtig gebaut wird - auf Wunsch der Bauherrin in einem klebefreien Massivholzsystem aus Mondholz. Zudem werden in diesem Projekt mit hybriden Konstruktionen von Holz und Lehm interessante neue Wege beschritten, welche Vorzüge der Materialien klug kombinieren.

Neue Wege werden auch im Umgang mit Stroh als Dämmstoff aufgezeigt. Seine Vorzüge und prozesstechnische Aspekte wurden anhand des Projekts Bombasei-Areal, Nänikon anschaulich vorgestellt.

Auch beim Neubau der Obwaldner Kantonalbank in Sarnen (Seilerlinhart Architekten, PIRMIN JUNG) machte die Bauherrschaft klare Vorgaben zur Herkunft des Holzes. Es sollte ausschliesslich aus dem Kanton Obwalden stammen. Für den Bau des fünfstöckigen Gebäudes brauchte es 2'800 m3 Rundholz, das entspricht 75 Prozent des Eschen- und 10 Prozent des Fichtenstammholzes, das im Kanton jährlich nachhaltig genutzt werden kann.

Mit Holz Atmosphäre schaffen

Gegen Ende der Veranstaltung wurde schliesslich noch ein weiterer Aspekt ins Spiel gebracht, der für Holzbauten spricht: die grosse Zufriedenheit der Bewohner*innen. «Firmen bauen heute, um neue Talente anzuziehen», erklärte Patrick Laigle vom Pariser Architekturbüro Leclercq Associé bei seiner Präsentation des Arboretum, eines campusartigen Geländes in Nanterre/Paris, auf dem 115'000 m2 Büro-, Gewerbe- und Wohnfläche in Holzbau erstellt werden. Arbeitgeber, so Laigle, die durch ihre Bauten zeigen könnten, dass sie sich für die ökologische Wende einsetzten, hätten gute Karten, um die besten Mitarbeitenden zu gewinnen.

Auch Patrick Lüth vom Innsbrucker Ableger des norwegischen Architektur- und Planungsbüros Snøhetta betonte die «atmosphärischen Qualitäten» von Holzbauten. «In unseren Projekten geht es uns vor allem darum, physische Räume zu schaffen, die Identität stiften.» Der Werkstoff Holz, so schloss Lüth sein Referat, erlaube es, «in sehr hohem Ausmass» Atmosphären zu kreieren, in denen sich die Menschen wohlfühlten.

Holzbautag Biel: Führende nationale Branchen-plattform

Der Holzbautag Biel wurde zum 16. Mal durchgeführt und ist inzwischen die führende Branchenplattform. Er bietet Führungskräften aus der Bau- und Holzwirtschaft gezielte Weiterbildung und auch die Gelegenheit, sich zu treffen und auszutauschen. Angesprochen sind Holzbauer*innen, Holzbauingenieur*innen, Architekt*innen, Investor*innen und Bauherrschaften, die sich für den modernen und leistungsfähigen Holzbau interessieren. In der begleitenden Fachausstellung präsentieren über 50 Unternehmen ihre neusten Produkte, Dienstleistungen und Lösungsansätze. Der nächste Holzbautag Biel findet am 2. Mai 2024 statt.

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