Shkumbin Gashi ist Autor des Jahres im Kosovo

Shkumbin Gashi ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter und Doktorand am Departement der Berner Fachhochschule. Er wohnt und arbeitet seit vier Jahren in der Schweiz. Beim Schreiben seines Fiction-Romans schöpfte er aus Migrationsgeschichten, die ihm erzählt wurden. Nun wurde er im Kosovo zum Autor des Jahres ausgezeichnet.

PART Autor des Jahres
Shkumbin Gashi mit seiner Auszeichnung an der Buchmesse in Pristina.

«Die Menschen erzählen ihre Geschichte, wenn sie jemanden finden, der ihnen zuhört.»

Shkumbin Gashi

Herzliche Gratulation zur Auszeichnung! Wovon handelt Ihr Roman «Nënë, më fol për ëndërrimtarët, Mother Tell me About the Dreamers»?

«Mother Tell me About the Dreamers» ist ein fiktives Buch über vier Migrant*innen, die sich in einer kleinen Deutschklasse in Olten treffen. Ibrahim aus Eritrea, Kamila aus Paraguay, Rima aus Syrien und Agron aus dem Kosovo mussten alle aus unterschiedlichen Gründen ihre Heimatländer verlassen. Sie stehen vor der schwierigen Aufgabe, mit ihren Träumen und ihrem Leben bei Null anzufangen. Jeder von ihnen brachte einen «Dämon aus der Vergangenheit» mit in die Schweiz. Kamila musste ihren Sohn zurücklassen, als sie vor häuslicher Gewalt weglief. Ibrahim floh vor der Armut, Agron aus Angst vor einer Blutfehde, und Rima vor dem Krieg.

Sie sagen, dass es sich um einen Roman des Genre «Fiction» handelt. Sie selbst sind erst im Jahr 2017 in die Schweiz migriert. Wie viel persönliche Erfahrungen stecken in Ihren Erzählungen?

Das Buch handelt nicht von mir. Ich spiele darin keine Rolle und meine Immigrationsgeschichte ist viel glücklicher als jene meiner Romanfiguren. Aber die vier Charaktere basieren auf meinen Beobachtungen und Gesprächen mit meinen Deutschkurskolleg*innen, die aus der ganzen Welt kamen. Die Kaffeepausen waren sehr erhellend für mich. In den Unterhaltungen erfuhr ich viel über andere Menschen, ihre Perspektiven, Träume und Leiden. Am Ende des Tages erzählen die Menschen ihre Geschichte, wenn sie jemanden finden, der ihnen zuhört. Als ich ihnen zuhörte, tat ich das, weil es mich interessierte. Mit der Zeit spürte ich aber, dass diese Kaffeepausengeschichten dokumentiert werden müssen, und zwar in Form von Romanen. Es wäre schade, wenn sie in Vergessenheit geraten würden. Also beschloss ich, vier Charaktere zu erschaffen, die in gewisser Weise über all jene Geschichten sprechen, die ich im Deutschkurs gehört habe.

Derzeit ist das Buch in Kosovo-Albanisch erhältlich. Wird das Buch auch in andere Sprachen übersetzt?

Das Buch wurde vor kurzem ins Englische übersetzt und wird bald für das englische Lesepublikum veröffentlicht. Mein Ziel ist es, das Buch auf Deutsch zu veröffentlichen, da ich finde, dass die Geschichte auch die Schweizer Bevölkerung anspricht. Ich bin im Gespräch mit einigen Verlagen, der Prozess befindet sich aber noch in der Anfangsphase.

Es handelt sich um ihren zweiten Roman. Wie sind Sie zum Schreiben gekommen und wovon handelt Ihr erster Roman?

Ich bin ein Kriegskind, den Kosovo-Krieg erlebte ich, als ich sieben Jahre alt war. Nach dem Ende des Krieges hatte ich so viele Fragen, die ich nicht beantworten konnte. Das ganze System war nicht darauf vorbereitet, über die Emotionen des Krieges zu sprechen und damit umzugehen. Um über das Trauma sprechen zu können, begann ich also, eine Art Tagebuch zu schreiben. Nachdem ich die ersten Vorteile des Schreibens erkannt hatte, begann ich im Alter von 9 Jahren mit dem Schreiben von Belletristik. Seither ist das Schreiben ein Teil von mir. Es ist eine Möglichkeit, mich auszudrücken und mich besser zu verstehen. Ich kann sagen, dass es bis heute die wirksamste Therapie ist, die ich je hatte.

Professionell zu schreiben begann ich jedoch erst mit 25 Jahren, als ich meinen ersten Roman «Anormopathy» verfasste. Ein Buch über einen jungen Mann, der im Kosovo lebt, in einer psychiatrischen Klinik arbeitet und sich für eine Mission zur Besiedlung des Planeten Mars anmeldet.

Wie lassen sich ihre Tätigkeit als Wissenschaftlicher Mitarbeiter und Doktorand in der Schweiz mit dem Schriftsteller-Dasein im Kosovo vereinbaren?

Die Art und Weise, wie mein Schreiben und meine wissenschaftliche Arbeit miteinander interagieren, betrachte ich als eine Art Symbiose. Eine Ehe, ein gemeinsames Leben, in dem beide Parteien von der «Nahrung» leben, die sie von der anderen erhalten. Wenn ich schreibe, ist meine wissenschaftliche Erfahrung wie eine Art Rucksack dabei, voll mit Arbeitsmitteln, die mir helfen, reale und greifbare Charaktere zu schaffen. Wenn ich in der Wissenschaft arbeite, hilft mir meine Perspektive als Autor dabei, Emotionen mit anderen Augen zu sehen. Es wäre für mich unmöglich, eine Hierarchie aufzustellen, was mehr Einfluss oder mehr Bedeutung hat, genau darin liegt der Zauber. Jeder Teil hat das richtige Gewicht im richtigen Moment.

 

 

«Nënë, më fol për ëndërrimtarët / Mother Tell me About the Dreamers»

Vier Menschen beginnen ein Leben in einem völlig unbekannten Land, ohne Kenntnisse der lokalen Sprache und Kultur. Sie müssen einen Weg finden, ihre Identität zu bewahren und in ihrer neuen Heimat zurechtzukommen. Das Leben in der neuen Heimat ist für sie wie ein Marathon mit Hindernissen. Noch besser beschrieben, es ist ein Triathlon.
Ibrahim aus Eritrea verliebt sich in die Tochter eines lokalen Faschisten. Die verbotene Liebe wird alles gefährden – Ibrahims Leben und ein heiliges Versprechen, das er seiner Mutter gegeben hat.
Kamila aus Paraguay beginnt gerade, ihren Traum, Schriftstellerin zu werden, zu verwirklichen. Ihr Leben wird noch komplizierter, als ihr Mann aus dem Gefängnis entlassen wird und entschlossen ist, sie in der Schweiz zu finden.
Rima, eine alleinerziehende Mutter, die vor dem Krieg in Syrien geflohen ist, kämpft mit einer posttraumatischen Belastungsstörung. Das Trauma gefährdet alles, sogar die Zukunft ihrer beiden Töchter und deren Chancen, mit der Mutter zusammenzuleben.
Agron, ein Freiheitskämpfer aus dem Kosovo, der wegen der Verbrechen seines Vaters aus seiner Heimat fliehen musste, wird erneut von einer Tragödie heimgesucht. Sein Sohn wird von einem Auto angefahren und fällt ins Koma. Er bangt darum, dass sein Sohn wieder aufwacht, sinnt aber gleichzeitig auf Rache an dem Mann, der seinen Sohn ins Koma gebracht hat. Agron plant, wie zuvor sein Vater, die Gerechtigkeit selbst in die Hand zu nehmen – etwas, das er immer gehasst hat und wofür er sein bitteres Schicksal verantwortlich macht.

Gashis Buch ist bei der Libraria Buzuku erhältlich. BalkanInsight berichtete ebenfalls über den Buchpreis.

Steckbrief

Funktion

Wissenschaftlicher Mitarbeiter
Doktorand

Departement

Gesundheit

An der BFH seit

2021