Sonja Schönberg – «Wenn wir die Umwelt schützen, schützen wir die Gesundheit»

Sonja Schönberg ist Ernährungsberaterin und seit 2013 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Fachbereich Ernährung und Diätetik an der BFH. Warum und wie sie sich für eine nachhaltige Entwicklung an der Berner Fachhochschule und darüber hinaus einsetzt, erfahren Sie im Interview.

Sonja Schönberg

Frau Schönberg, Ihr Engagement für die Nachhaltigkeit am Departement Gesundheit ist umfassend. Ein Teil davon ist die Arbeitsgruppe «Nachhaltige Entwicklung». Wie ist diese entstanden?

Im Jahr 2019, als Covid-19 ausbrach, startete in Deutschland eine Online-Weiterbildung mit dem Titel «Planetary Health Academy». Ich fand dieses Thema aufgrund der Pandemie besonders interessant. Als Gesundheitsfachpersonen bekennen wir uns dazu, die Gesundheit schützen und wiederherstellen zu wollen. Im Webinar habe ich realisiert, dass die Gesundheit gar nicht im Gesundheitswesen produziert wird, sondern in Abhängigkeit von den natürlichen Ökosystemen steht, die uns umgeben: Die Luft, die wir einatmen, das Wasser, das wir trinken, die Böden, die uns ernähren. Gemeinsam mit Marco Köchli, dem Leiter der Arbeitsgruppe «Nachhaltige Entwicklung Departement Gesundheit», habe ich initiiert, dass wir zu diesem Themenfeld aktiver werden können. Heute hat jeder Fachbereich am Departement Gesundheit einen Einsitz in der Gruppe und wir treffen und regelmässig.

Was ist das Ziel dieser Arbeitsgruppe?

Wir möchten das Gespräch in die Fachbereiche bringen und für das Thema sensibilisieren. Was heisst es beispielsweise für unser Curriculum, wenn die Gesundheitsberufe weltweit damit anfangen, sich für einen besseren Schutz des Klimas und der Umwelt stark zu machen? 

Einerseits bedeutet es, dass wir uns als Gesundheitsberufe zusammentun sollen.  Gesundheitsfachleute geniessen ein grosses Vertrauen in der Öffentlichkeit. Wenn wir uns in unseren Verbänden und Arbeitsumgebungen für das Thema stark machen, uns zusammenschliessen, um auch politisch Druck zu erzeugen, wenn Gesundheitsfachleute sagen: Unsere Welt hat Fieber – dann hat das eine besondere Wirkung. 

Andererseits findet die Umsetzung konkret im professionellen Umfeld statt. Wenn ich z.B. als Ernährungsberaterin im Spital feststelle, dass die Personalverpflegung täglich mehrere Fleisch-Menus auf dem Programm hat oder wenn ich als Pflegefachfrau im Betrieb Potential sehe, den Abfall zu reduzieren, dann kann ich in meiner Rolle Verantwortung empfinden und dies thematisieren. Oder mich in meinem Unternehmen in einem Gremium für nachhaltiges Klinikmanagement engagieren. Es geht also darum, was wir persönlich machen können und was wir an der BFH konkret in der Lehre, Forschung und Dienstleistung tun können.

Welche Aktivitäten konntet ihr bereits auf den Weg bringen?

Die Existenz des Gremiums gibt uns Kapazitäten, um an kleineren Projekten zu arbeiten. Zum Beispiel konnte ich die Arbeitsgruppe als wichtiges Sounding Board nutzen, um das neue BFH Diagonal Wahlmodul «Planetary Health» aufzubauen und dafür Inputs und Feedbacks einzuholen. Wir haben an den Nachhaltigkeitstagen der Berner Fachhochschule an einem Stand zum Thema Gesundheit und Klima informiert, haben ein Poster für den VFWG-Kongress erstellt, u.v.m.

Ausserdem sind wir im engen Austausch darüber, wie wir uns auf der BFH-Ebene – nicht nur im Departement Gesundheit – stärker einbringen können. So sind wir mit den Nachhaltigkeitsgruppen anderer Departemente vernetzt, was beispielsweise dazu führte, dass wir an der letztjährigen Kulinata einen gemeinsamen Stand mit der HAFL hatten. Auch für die Mitenwicklung des departementsübergreifenden Masters in Circular Economy an der HAFL konnten wir u.a. dank der Arbeitsgruppe Kapazitäten mobilisieren. Und natürlich sind wir auch intensiv daran, ein gemeinsames Verständnis von Nachhaltigkeit und nachhaltiger Entwicklung zu etablieren und haben dafür unsere Vision, unser Leitbild und unsere Ziele formuliert. 

Was beinhaltet das Wahlmodul «Planetary Health»? 

Das Modul wurde ebenfalls durch die Webinar-Reihe inspiriert. Ich habe festgestellt, dass ein Wahlmodul dieser Art die Chance bietet, verschiedene Disziplinen zusammenzubringen. Mit den Studierenden soll darüber diskutiert werden, warum wir eigentlich die Umwelt schützen wollen. Es geht nicht um etwas Abstraktes, sondern um etwas sehr Konkretes – um unser Leben. Wenn wir die Umwelt schützen, schützen wir ganz automatisch auch die Gesundheit. Im Wahlmodul werden mit den Studierenden Projektideen entworfen, die zum Umweltschutz beitragen. Und gleichzeitig sollen sie auch aufzeigen, welchen positiven Mehrwert diese für die Gesundheit haben. 

Wie können solche Projektideen aussehen?

Nehmen wir das Beispiel der Klimaerwärmung: In den Pflegeeinrichtungen kämpfen die Menschen, die sowieso schon Herzkreislauf-belastet sind, immer stärker mit den Konsequenzen des veränderten Klimas. Dem müssen wir uns anpassen und uns überlegen, ob wir z.B. in den Institutionen andere Kühlmöglichkeiten brauchen. Das können wir in den Gesundheitsberufen aber nicht allein vorantreiben, dazu brauchen wir viele verschiedene Disziplinen und Kompetenzen. Das Gleiche in der Ernährung: Hier geht es z.B. um die Frage, wie die bessere Wahl für die Menschen zur attraktivsten Wahl werden kann. Dies mit den Studierenden aus verschiedenen Perspektiven anzugehen, ist das Hauptziel des Wahlmoduls. 

Wie wird die Nachhaltigkeit in die Lehre integriert?

Neben dem übergreifenden Engagement wird bereits an vielen Stellen selbstinitiativ gehandelt. Beispielsweise wird im BSc Ernährung und Diätetik die nachhaltige Ernährung nach und nach mit bestehenden Inhalten des Studiums verknüpft. Eine Bachelor-These in der Physiotherapie möchte herausfinden, was Physio-Studierende zum Thema wissen und lernen möchten. In den Modulen zur Interprofessionalität wird Nachhaltigkeit zukünftig mit den Studierenden der Geburtshilfe, Pflege, Physiotherapie und Ernährung und Diätetik aufgegriffen. Auch das Projekt SALUTE wendet sich nun zusätzlich zur Public Health der Planetary Health zu. 

Wir lernen in den Gesundheitsberufen, personenzentriert zu arbeiten. Wir müssen aber ebenso lernen, dass es nicht nur um den Menschen geht. Es ist höchste Zeit uns zu fragen, wie wir das Spannungsfeld gestalten zwischen dem, was das Beste für das Individuum ist und den möglichen positiven oder negativen Auswirkungen auf die Ökosysteme, die uns am Leben halten. Die gute Nachricht ist jedoch: Oft begegnen wir sogenannten Co-Benefits. Wenn ich z.B. als Physiotherapeut*in für mehr Bewegung plädiere, hat das einen doppelten positiven Effekt: Mit dem Velo produzieren wir weniger CO2, und machen gleichzeitig etwas für unsere Gesundheit. 
 

Steckbrief

Funktion

Wissenschaftliche Mitarbeiterin Fachbereich Ernährung und Diätetik

Departement

Gesundheit

An der BFH seit

2013

Schwerpunkte