Hanspeter Kolb - «Klimaschutz beginnt bei der Materialwahl»

07.09.2021 Energieeffiziente Neubauten zu bauen ist eine riesige Herausforderung, dabei kann die Bauphysik einen wichtigen Beitrag leisten. Doch im CAS Bauphysik im Holzbau geht es um viel mehr als Klimaschutz und energieeffiziente Gebäude. Zentrale Themen sind Wärme- und Feuchteschutz, Luftdichtheit sowie Schallschutz und Brandsicherheit. Hanspeter Kolb, Studienleiter des CAS Bauphysik im Holzbau und Brandschutz-Koryphäe, beleuchtet diese Themen näher und erzählt, für wen das bevorstehende CAS geeignet ist.

Warum ist Bauphysik so wichtig?

Der Klimawandel ist eine der grössten Herausforderungen unserer Zeit. Je nach Quelle werden ca. 30 % der klimaschädlichen Treibhausgase durch Gebäude bzw. deren Betrieb verursacht. Die Bauphysik kann dazu beitragen, energieeffiziente Neubauten zu konstruieren. Entscheidend ist die Jahresbilanz: Eine Nullsumme bei der Energiebilanz ist ideal. Noch besser ist, wenn ein Gebäude mehr Energie erzeugt, als es selbst braucht. Neubauten künftig energieeffizienter zu bauen und den bestehenden Gebäudepark zu sanieren, fordert uns heraus. Die Bauphysik ist dabei zentral, weil es um Themen wie Energieverbrauch für Heizungen, sommerlicher Wärmeschutz, Luftdichtheit, Innenraumklima etc. geht. Ausserdem rücken wir immer näher zusammen und die Mobilität verstärkt sich. Dabei steigen auch die Anforderungen an den Schallschutz – ein weiteres zentrales Thema der Bauphysik. Schallschutz wird im bevorstehenden CAS etwa ein Drittel ausmachen.

Kennen Sie ein Beispiel eines Gebäudes, das quasi mehr Energie erzeugt, als es für den Eigenbedarf benötigt?

Beim neuen Schulhaus in Port ist dies der Fall. Es wurde weitgehend als vorgefertigter Holzelementbau erstellt und die hohen Anforderungen an die Nachhaltigkeit wurden seit Planungsbeginn berücksichtigt. Das Gebäude erzeugt dank Photovoltaikanlagen auf dem Dach genügend Strom für den Eigenbedarf und sogar noch so viel mehr, um den Jahresbedarf von rund 50 Haushalten in der Umgebung zu decken. Klimaneutralität ist keine Utopie – meiner Ansicht nach müsste eine Nullsumme für Neubauten normal sein. Es ist möglich und lohnt sich auch wirtschaftlich.

Welche Rolle spielt der Holzbau beim Klimaschutz?

Klimaschutz beginnt schon bei der Wahl des Materials. Idealerweise verwendet man Materialien, die vor unserer Haustür wachsen, etwa den Rohstoff Holz. Während es wächst, bindet es CO2, die Transportwege sind kurz und die Verarbeitung braucht verhältnismässig wenig Energie. Zudem ist Holz ein eher schlechter Wärmeleiter, was dazu führt, dass es sich warm anfühlt und die Wärmebrückenproblematik geringer ist als bei Beton und Stahl. Bleibt Holz trocken, ist es praktisch unendlich haltbar, hat also eine gute Dauerhaftigkeit. Am Ende des Prozesses kann es recycelt oder relativ einfach entsorgt werden, indem man es umweltgerecht verbrennt. All diese Punkte sprechen für den Baustoff Holz.

Zur Person

Hanspeter Kolb war bis Ende Juli 2021 Professor für Brandschutz und Holzbau an der Berner Fachhochschule. Der gelernte Zimmermann hat sich in Biel, an der ETHZ und der HSLU weitergebildet. Nach seiner Pensionierung leitet er weiterhin die Weiterbildungen Brandschutz im Holzbau, Brandschutz für Architektinnen und Architekten sowie das CAS Bauphysik im Holzbau.

Was spielt bei der Planung heute eine wesentliche Rolle?

Der sommerliche Wärmeschutz – ebenfalls ein zentrales Thema in der Bauphysik – wird heute immer wichtiger. Wir möchten die Sommerhitze nicht in den Räumen haben bzw. zumindest die Kühle der Nacht nutzen, um sie wieder «loszuwerden». Dabei spielen Baustoffe wiederum eine gewisse Rolle. Holz als eher leichter Baustoff ist da nicht gerade der Spitzenreiter. Je dichter ein Material ist, desto mehr Wärme kann es aufnehmen – und wieder abgeben, wenn es kalt wird. Ich denke hier etwa an Beton oder Backstein. Allerdings spielt die Verschattung eine viel wichtigere Rolle: Wie lässt sich die direkte Sonneneinstrahlung durch die immer grösser werdenden Glasflächen verhindern und eine gute Nachtauskühlung der Bauten erreichen? Sommerlicher Wärmeschutz hat also viel mit der Architektur und dem Gebäudekonzept zu tun. Auch diese Themen werden in der Bauphysik angesprochen.

Warum ist es wichtig, dass Architekt*innen, Holzfachleute und Bauphysiker*innen Hand in Hand zusammenarbeiten, um die Vorteile des Materials Holz optimal zu nutzen?

Bauen wird immer komplexer. Bei all den Themen, die sich vereinen, gibt es kaum jemanden, der überall durchblicken kann. Es ist also Teamwork angesagt. Und je früher alle Spezialist*innen unter dem Lead einer cleveren Architekt*in zusammenarbeiten, desto besser kann optimiert werden und desto weniger geht vergessen. Dabei geht es nicht nur um den Holzbau, sondern um alle Bauthemen: Architektur, Materialwahl, Sicherheit, Energieeffizienz, sommerlicher Wärmeschutz, Schallschutz, Brandschutz, Haustechnik etc. Für Architekt*innen ist es auch angebracht, das 1×1 des Holzbaus zu kennen und zu wissen, dass etwa zu grosse Spannweiten im Holzbau nur mit viel Aufwand umsetzbar sind. Im CAS Bauen mit Holz können sich Architekt*innen, Ingenieur*innen und andere «Nicht-hölzige» dieses Wissen aneignen. Wir wünschen uns auch immer, dass viele Menschen mit unterschiedlichen «Rucksäcken» zusammenkommen, gegenseitig voneinander lernen und die Perspektive wechseln können.

Welche Rolle spielt dabei die Planung, wenn so viele Leute zusammenkommen?

Die Planung und ein Konzept sind absolut zentral. Zum Beispiel beim Schallschutz kann man darauf achten, dass lärmempfindliche Räume nicht neben lärmigen Räumen liegen oder bei angrenzenden Wohnungen Badezimmer unbedingt neben Badezimmer. Ein grosser Vorteil von Holz ist zudem die Vorfertigung, das beschleunigt den Bauprozess. Bedingung ist allerdings auch hier eine rechtzeitige Planung, z. B. der Haustechnik, damit diese bereits im Werk integriert werden kann. Lastminute-Anpassungen auf dem Bau, wie man es im Massivbau manchmal sieht, liegen da nicht mehr drin.

Mit dem CAS Bauphysik im Holzbau bieten Sie eine in dieser Form schweizweit einzigartige Weiterbildung an. Für wen eignet sich das CAS und warum? Wer sollte es unbedingt besuchen?

Wir bieten dieses CAS seit 2013 an, danach fand es 2014, 2015, 2017 und 2019 statt. Eigentlich eignet es sich für alle Baufachleute, die sich in den angesprochenen Themen der Bauphysik in Kombination mit dem Holzbau weiterbilden oder sich auf den neuesten Stand bringen möchten. Also Architekt*innen, Holzbauer*innen, Bauphysiker*innen, Haustechniker*innen usw. Im Zentrum steht dabei immer der Holzbau mit allen bauphysikalischen Herausforderungen.

Wie ist das CAS aufgebaut und welche Themen dürfen die Studierenden erwarten?

Wir starten immer mit den Grundlagen zu den einzelnen Themen. Dabei behandeln wir auch die neuesten Vorschriften und Normen und vermitteln so ein Update. Anschliessend folgen die einzelnen «Bauteile» wie Gebäudehülle (Aussenwand, Dach) und Raumtrennung (Trennwände, Geschossdecken). Dort stehen jeweils Themen wie Wärmeschutz oder Schallschutz im Zentrum. Gegen Ende versuchen wir in Form von Workshops bei der Entwicklung von Anschlussdetails alles unter einen Hut zu bringen. Auch konzeptionelle Themen, wie die schon angesprochenen Massnahmen des sommerlichen Wärmeschutzes oder Schnittstellen zur Haustechnik kommen zur Sprache. Das CAS ist also sehr breit und interdisziplinär. Die Durchführung im Oktober 2021 soll übrigens vor Ort stattfinden. Da sich der Distanzunterricht aber mittlerweile etabliert hat, können Interessierte auch hybrid teilnehmen und einzelne Stunden online besuchen. Ich sehe das als Chance, auch mal jemand aus der Ostschweiz oder aus dem Engadin abzuholen, für die Biel doch recht weit weg ist.

Wie sieht der Praxisbezug in der Weiterbildung konkret aus?

Der Praxisbezug steht auf zwei Pfeilern. Erster Pfeiler: Fast alle Dozierenden kommen aus der Praxis. Ihr «Hauptberuf» ist Bauphysiker und alle sind Spezialisten mit hölzigem Hintergrund auf ihrem Gebiet. Sie kennen Herausforderungen und Lösungen nicht nur theoretisch, sondern bringen enorm viel praktische Erfahrung aus ihrem Berufsalltag mit.
Zweiter Pfeiler: Auch die Teilnehmenden bringen Praxisbezug mit. Sie können zu Beginn eigene Bauprojekte aus ihren Büros vorstellen, die wir dann in Gruppen zu allen bauphysikalischen Themen während des Kurses bearbeiten. Dabei werden sie immer wieder von den Dozierenden betreut und beraten. Sie lernen aber auch viel durch die Diskussionen untereinander – jeder bringt einen «eigenen Rucksack» an Erfahrungen mit. Interdisziplinäre und praxisbezogene Zusammenarbeit wird hier direkt umgesetzt

MAS Holzbau

Im MAS Holzbau lernen Sie die Eigenschaften von Holz und Holzwerkstoffen von den Grundlagen bis hin zum aktuellen Stand der Technik kennen. Je nach Ihren Interessen und Kenntnissen wählen Sie aus dem umfangreichen Angebot an Zertifikatskursen (CAS) aus und erwerben sich damit die Kenntnisse und Fähigkeiten, um Holz als Baumaterial kompetent einzusetzen.

Der MAS umfasst:

  • CAS Bauen mit Holz, 12 ECTS-Credits
  • CAS Bauphysik im Holzbau, 12 ECTS-Credits
  • CAS Brandschutz für Architektinnen und Architekten, 12 ECTS-Credits
  • CAS Holztragwerke, 12 ECTS-Credits
  • CAS Digital Planen, Bauen, Nutzen 12 ECTS-Credits
  • Erdbebengerechte Holzbauten (Kurs), 6 ECTS-Credits
  • Brandschutz für Bauingenieure (Modulkurse), 6 ECTS-Credits
  • Brandschutz im Holzbau (Lehrgang)

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