Positive Erfahrungen mit physiotherapeutischer Frühintervention in der Notaufnahme

03.03.2022 Ein neues Versorgungsmodell im Notfallzentrum des Inselspitals, das Patient*innen mit muskuloskelettalen Beschwerden bereits in der Notaufnahme der Physiotherapie zuweist, wird seit 2019 getestet – mit durchwegs positiven Erfahrungen.

Seit Anfang 2019 testet die Akademie-Praxis-Partnerschaft der Insel Gruppe und der Berner Fachhochschule ein neues Versorgungsmodell im Notfallzentrum des Inselspitals, das Patient*innen mit muskuloskelettalen Beschwerden bereits in der Notaufnahme der Physiotherapie zuführt.

Neues Versorgungsmodell im deutschsprachigen Raum

Aufgrund steigender Patient*innenzahlen auf Notfallstationen weltweit sind Physiotherapeut*innen in verschiedenen Ländern bereits seit längerem Teil der interprofessionellen Teams in Notaufnahmen und übernehmen in der Betreuung von Patient*innen mit muskuloskelettalen Beschwerden auch die Fallführung und sehen Patient*innen im Erstkontakt (Taylor et al., 2011; Sutton et al., 2015; Schulz et al., 2016; Bird et al., 2016). Im deutschsprachigen Raum war ein solches Versorgungsmodell bislang noch nicht bekannt, die Gesetzgebung der Schweiz verlangt aber, dass auch auf der Notfallstation Physiotherapie ärztlich verordnet wird.

Initiative passt in Stossrichtung der Professionsentwicklung

Die Initiative der Akademie-Praxis-Partnerschaft passt in die Stossrichtung des nationalen Berufsverbandes der Physiotherapie Physioswiss, Advanced Physiotherapy Practitioners zu fördern. Sie sollen als spezialisierte Fachkräfte einen Beitrag leisten, um den Herausforderungen der Demografie, der Kostendämpfung sowie des Fachkräftemangels im Gesundheitswesen wirksam zu begegnen (Physioswiss, 2018, siehe Kasten).

Positive Studienergebnisse

Erste Auswertungen des neuen Versorgungsmodells mit physiotherapeutischer Frühintervention im Notfallzentrum des Inselspitals zeigen, dass Patient*innen von einer besseren Qualität der Versorgung profitieren. Diese Erfahrungen bestätigen diejenigen aus angelsächsischen Ländern, welche die klinische und wirtschaftliche Effektivität von und den Mehrwert für Patient*innen durch Advanced Physiotherapy Practice bereits seit längerem aufzeigen konnten (Desmeules et al., 2012; Fennelly et al., 2017; Warmington et al., 2015).

Ein Erfahrungsbericht zur Tätigkeit der Physiotherapie im Notfallzentrum des Inselspitals konnte in der 6. Ausgabe 2021 der Verbandszeitschrift Physioactive des Berufsverbands Physioswiss publiziert werden. Erste wissenschaftliche Resultate dazu wurden online («eFirst») in physioscience publiziert und erscheinen in einer der nächsten Ausgaben der Zeitschrift.

Physio im Notfallzentrum

Swiss Advanced Physiotherapy Practicioner (SwissAPP)

Physioswiss definiert den Swiss Advanced Physiotherapy Practicioner (SwissAPP) folgendermassen: «Swiss Advanced Physiotherapy Practitioners sind klinisch tätige Physiotherapeut*innen, welche sich durch entsprechende Aus- und/oder Weiterbildungen sowie reflektiertes Handeln hohe Expert*innenkompetenzen angeeignet haben und diese in hochkomplexen Patient*innensituationen gewinnbringend einsetzen. Im Sinne der erweiterten Rollenfunktionen übernehmen sie Verantwortung und Führung; dadurch sorgen sie für einen Mehrwert bezüglich Effektivität und Effizienz im Gesundheitssystem. SwissAPP setzen sich in interprofessionellen Settings zielgerichtet für die physiotherapeutische Perspektive ein. Sie implementieren qualitätssichernde Massnahmen, antizipieren Entwicklungen und bringen ihr Wissen um die Entwicklung neuer Produkte, Verfahren, Prozesse und Dienstleistungen für Wirtschaft und Gesellschaft durch anwendungsorientierte Forschung und Implementierung der Resultate ein (physioswiss, 2016).» (Physioswiss, 2018)

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