Schmerzen und Funktionsstörungen managen – mit Manueller Therapie

03.10.2022 Die Manuelle Therapie ist eine Spezialisierung innerhalb der Physiotherapie. Dozent Jochen Schomacher erklärt, wie diese in Theorie und Praxis aussieht.

Jochen Schomacher ist seit 1989 Physiotherapeut und weist dreissig Jahre Erfahrung in der Lehre auf. Seit Beginn fasziniert ihn die Manuelle Therapie – eine Spezialisierung, die auf die Funktionen des muskuloskelettalen Systems fokussiert. Biomedizinische Faktoren seien, so Schomacher, neben den psychosozialen relevant, um den Schmerz im Rahmen der Schmerzphysiologie verstehen und managen zu können. «Der Kern unserer physiotherapeutischen Kompetenz liegt in der Behandlung von Funktionsstörungen des muskuloskelettalen Systems.»

Aus der Praxis

Am Beispiel der Morton-Metatarsalgie erklärt der Physiotherapeut die Möglichkeiten der Manuellen Therapie, Funktionsstörungen als Ursache von Schmerzen zu beeinflussen: «Bei dieser Erkrankung werden die Mittelfussnerven komprimiert, was Schmerzen und Parästhesien hervorruft. Eine rein schmerzlindernde Therapie ist hier ungenügend, weil die Ursache – also die mechanische Kompression der Nerven – beseitigt werden muss.» Diese genau herauszufinden, sei schwierig. Da im Vorfuss aber oft ein abgeflachtes Quergewölbe sichtbar sei, könne dieses vorerst passiv, später soweit möglich auch aktiv aufgerichtet werden. «Dadurch verschwinden die Beschwerden meist.»
Die Schmerzlinderung funktioniert mit vielen Techniken. Studien zur Wirkung der Manuellen Therapie auf Funktionsstörungen fehlen laut Schomacher jedoch weitgehend. Gründe dafür seien beispielswiese die Schwierigkeit, kleinere Funktionsstörungen zu messen sowie ihr Vorkommen bei Patient*innen und Gesunden – denn sie allein lösen keinen Schmerz aus. Der Physiotherapeut plädiert deshalb dafür, die wissenschaftliche Evidenz mit dem klinischen und dem Grundlagenwissen zu kombinieren (Anwendungsbeispiel siehe Kasten).

Manuelle Therapie
Jochen Schomacher, hier in Aktion, ist PhD, Doctor of Physical Therapy DPT (USA), MCMK (Frankreich), Physiotherapeut, OMT-Dozent und Buchautor.


Beispiel:
Ein instabiles mediales Fussgewölbe stellt laut funktioneller Anatomie einen Risikofaktor für eine Valgus-Instabilität des Knies dar. Die Literatur hat dazu jedoch keinen klaren Zusammenhang gefunden. Die Valgus-Instabilität im Knie ist aber klinisch sichtbar und lässt sich mit Geräten messen. Jochen Schomacher: «Stützen wir nun das Fussgewölbe passiv, verringert sich die Instabilität und auch der damit verbundene Schmerz sofort, wenn ein solcher Zusammenhang besteht. Ist dies für alle, inklusive der Patient*innen, offensichtlich, dann haben wir eine klinische Evidenz. Bei anderen Phänomenen wie der Behandlung von Muskelschwäche durch Training ist eine Veränderung natürlich nicht sofort sichtbar. Hier braucht es Zeit, weshalb wir uns dabei auf das vorhandene Wissen stützen.»

Vermittlung in der Weiterbildung

Physiotherapeut*innen lernen bereits in ihrer Ausbildung die Untersuchung und Behandlung muskuloskelettaler Beschwerden. Die Weiterbildungsangebote von Jochen Schomacher an der Berner Fachhochschule bauen darauf auf und vertiefen diese Kenntnisse und Fertigkeiten. Der rote Faden im Unterricht ist ein Denkmodell, das vom Dozenten einleitend erklärt wird. Anschliessend folgt die Analyse der Gelenksfunktionen hinsichtlich Mobilität und Stabilität. Theorie und Praxis wechseln sich hierbei ab. Schomacher: «Klinische Beispiele von Funktionsstörungen finden wir gewöhnlich bei den Kursteilnehmer*innen. Patient*innenbeispiele sind im Skript und können von den Teilnehmenden gerne eingebracht werden. Die praktischen Techniken beruhen auf dem OMT Kaltenborn-Evjenth Konzept.» Wichtig sei auch die Wiederholung, wofür Schomacher beispielsweise Videos zur Verfügung stellt. «Ebenso fördert die emotionale Beteiligung das Lernen. Daher versuche ich, den Unterricht den Interessen und Wünschen der Teilnehmer*innen anzupassen und fordere sie zum Dialog auf.»

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