Jacqueline Ribeli – Wissensdurst als Motivation für Master-Studium

Jacqueline Ribeli zog es für ihre Masterarbeit in Food Nutrition und Health nach Madagaskar, wo sie sich mit Leidenschaft den kulturellen Einflussfaktoren auf die Ernährungsvielfalt bei Kindern widmete. Mit Erfolg: Ihre Arbeit wurde mit dem Forschungspreis 2020 des Schweizerischen Forums für internationale Agrarforschung (SFIAR) ausgezeichnet.

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Was hat Sie dazu bewegt, den Master in Life Sciences in Food, Nutrition and Health an der BFH-HAFL zu absolvieren?

Dieser Master interessierte mich bereits während meines Bachelorstudiums in Ernährung und Diätetik an der BFH Gesundheit. Zu Beginn war es für mich aber noch nicht fassbar, welche Möglichkeiten sich durch das weitere Studieren eröffnen. Nach einem Freiwilligeneinsatz bei der Non-Profit-Organisation AiNA soa, die sich in Madagaskar für eine bessere Gesundheitsversorgung einsetzt, wuchs in mir der Wunsch, mit einer Forschungsarbeit mehr über die Einflussfaktoren auf Stunting bei madagassischen Kindern zu erfahren. Stunting bedeutet, dass ein Kind daran gehindert ist, sich ordentlich zu entwickeln und zu klein für sein Alter ist. Viele Faktoren wie beispielsweise eine einseitige Ernährung führen dazu, dass es dem betroffenen Kind speziell in den ersten Lebensjahren an wichtigen Nährstoffen fehlt. Dadurch können sie nicht ihr ganzes Entwicklungspotential entfalten, was zu lebenslangen und generationenübergreifenden Konsequenzen führen kann. In Madagaskar ist jedes zweite Kind unter fünf Jahren von Stunting betroffen. In einem kurzen Gespräch am Infoabend zum Masterstudium erfuhr ich, dass ich dieses Thema zum Gegenstand meiner Masterarbeit machen könnte. Das vielfältige Modulangebot motivierte mich. Da war für mich sofort klar, dass ich diesen Master machen möchte. Ich war sehr dankbar, dass mich mein Mann bei dieser Entscheidung unterstützte und ich so Vollzeit studieren konnte.

Kurz und bündig: Was war Ihre Forschungsfrage und was sind die Resultate Ihrer Arbeit? 

Meine Untersuchungen habe ich in der Region Vakinankaratra im Hochland von Madagaskar durchgeführt, wo der landwirtschaftliche Anbau und der Wochenmarkt wichtige Grundlagen für die Ernährung sind. Mich interessierte insbesondere, wie sich die kulturellen Gewohnheiten auf die Ernährungsvielfalt von Kindern in den ersten fünf Lebensjahren auswirken. Generell ist das Wissen über eine optimale Ernährung für Kinder vorhanden. Oftmals fehlt jedoch das Geld für abwechslungsreiche Mahlzeiten. So werden beispielsweise tierische Produkte nur selten konsumiert. Zusätzlich können Überlieferungen und Traditionen den Verzehr von gewissen Lebensmittel einschränken. Zum Beispiel besagt ein Gerücht, dass Eier erst gegessen werden dürfen, wenn ein Kind «dad» sagen kann, weil es sonst taub werden würde. An Feiertagen gibt es in den meisten Familien ein spezielles Menü, das teurer ist als ein normales Essen. Je nach Familie werden die Hauptmahlzeiten über Wochen sehr einfach gehalten, um Geld auf die Seite zu legen. Bei grossen Anlässen wie der «Famadihana», einer rituellen Umbettung der Toten, kann das Sparen über ein Jahr in Anspruch nehmen und somit die Ernährungsvielfalt beeinträchtigen.

Was bleibt Ihnen von der Feldarbeit in Madagaskar in besonderer Erinnerung?

Der Reis, der bei keiner Mahlzeit fehlen durfte. Oft enthielt er noch kleine Steinchen, was für mich eine Herausforderung war. Die enge Zusammenarbeit mit den Übersetzern war sehr wertvoll und oft lustig, besonders wenn es beim Essen knackte, weil ich mal wieder auf einen Stein biss. Der Austausch mit der lokalen Bevölkerung war ein Highlight. Von vielen Teilnehmenden habe ich mit der Kamera ein Portrait gemacht und es ihnen beim Abschlussbesuch als Dankeschön übergeben. Die Freude war gross. 

An jede Dorfgemeinschaft, die ich für die Datenerhebung besuchte, habe ich besondere Erinnerungen. Im abgelegenen Dorf Ibity beispielsweise lernte ich die Gemeindearbeiterin, die für den Bereich Ernährung verantwortlich ist, kennen. Sie zeigte mir das kleine Zimmer, in dem sie alle Kinder des Dorfes regelmässig wiegt und misst. Zu sehen, mit wieviel Leidenschaft sie ihrer Arbeit im Kampf gegen die Mangelernährung nachgeht, rührte mich zu Tränen. 

In Ankazomiriotra nahm sich ein Mann auf einem sogenannten «Transect walk» viel Zeit für uns. Wir gingen mit ihm über seine Felder und er erklärte uns in welchen Monaten die verschiedenen Nahrungsmittel angepflanzt und geerntet werden und welcher Anteil davon später für den Eigenverzehr oder den Verkauf geplant ist. Währenddessen durfte ich ihn filmen. Diese Aufnahmen sowie die spannenden Begegnungen in Behenjy ermöglichten es mir einen Kurzfilm über meine Masterarbeit zu drehen.

Sie haben mit Ihrer Arbeit den SFIAR Master Thesis Award gewonnen. Was bedeutet das für Sie? 

Ich freue mich riesig über diesen Award. Er zeigt mir, dass sich das ganze Herzblut, dass das Team von AiNA soa und ich in diese Arbeit investiert haben, richtig gelohnt hat. Der SFIAR Award macht die enge Verknüpfung zwischen Agronomie- und Ernährungsthemen sichtbar. Er motiviert mich sehr, mich im wissenschaftlichen Bereich weiterzuentwickeln. 

Der SFIAR Forschungspreis

Seit 2008 ehrt das Schweizerische Forum für internationale Agrarforschung (SFIAR) innovative Schweizer Projekte mit einem Preis und unterstützt damit Anstrengungen, die zahlreiche Schweizer Institutionen im Bereich der landwirtschaftlichen Forschung für Entwicklung leisten.

Die SFIAR Awards 2020 wurde im Rahmen einer Online-Veranstaltung am 8. Dezember 2020 verliehen. 

(Bild: ©2016CIAT/Georgina Smith)

Wie sehen Ihre Pläne für die Zukunft aus? 

Meine Pläne sind noch offen. Aktuell arbeite ich befristet als Ernährungsberaterin. Zusätzlich engagiere ich mich ehrenamtlich als Kommunikationsverantwortliche für AiNA soa. Parallel dazu bin ich auf Stellensuche. Ich bin gespannt, wo sich eine Türe öffnen wird. Gerne würde ich in der Forschung als wissenschaftliche Mitarbeiterin Fuss fassen oder im Bereich Public Health arbeiten. Die Arbeit in Projekten für eine nachhaltigere Ernährung ist ein weiterer Bereich, der mich sehr interessiert. Vielleicht bleibe ich als Ernährungsberaterin tätig; mit dem Ziel, in einigen Jahren als Dozentin zu arbeiten. 

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