Ruedi Trachsel – Leben und studieren in Lübeck

Mein Name ist Ruedi Trachsel. Unterdessen studiere ich im 5. Semester Wirtschaftsingenieurwesen an der Berner Fachhochschule. Im 4. Semester hatte ich die Freude, ein Auslandssemester an der Technischen Hochschule in Lübeck zu absolvieren. Das Auslandssemester war für mich ein Erlebnis, das ich jedem ans Herz legen kann. Die Freundschaften, die ich geknüpft habe, die Abenteuer, die ich erleben durfte, und vor allem meine persönliche Entwicklung während dieses einen Semesters würde ich gegen nichts umtauschen.

Ruedi Trachsel

Vorbereitung

Bereits im ersten Semester, nach einem internen Infoanlass im Wirtschaftsingenieurwesen, wusste ich, dass ich während meiner Studienzeit ins Ausland gehen möchte. Mit der Hilfe von Dr. Maria Franco und dem Büro für Internationales in Bern bereitete ich mich auf das Abenteuer vor.

Es sollte mich eigentlich nach Holland verschlagen. Mit der holländischen Partnerschule war bereits das meiste abgeklärt, doch die Corona-Pandemie machte mir einen Strich durch die Rechnung. Kurz bevor ich die finale Einverständniserklärung unterschreiben konnte, wurde das Semester für mich ihrerseits abgesagt. Davon liess ich mich aber nicht unterkriegen, ich wollte nach wie vor weg. Die Schulen, die mir zu diesem späten Zeitpunkt noch zur Verfügung standen, waren beide in Deutschland. Deutschland war für mich nie die erste, auch nicht die zweite Wahl gewesen. Ich stellte mir vor dem Austauschsemester vor, dass der Studienalltag in der Schweiz und in Deutschland nicht so unterschiedlich sein kann. Trotzdem entschied ich mich also spontan für das bevorstehende Semester nach Lübeck, in den Norden Deutschlands zu fahren.

Dr. Maria Franco hat mir in diesem stressigen Prozess sehr geholfen. Für das Organisieren meiner Wohnsituation in der fremden Stadt wurde ich quasi von ihren Händen in diejenigen der Lübecker übergeben. Für mich schien alles sehr einfach und reibungslos abzulaufen.

Alltag

Als ich dann dort ankam, merkte ich schnell, dass Corona nicht nur an unserer Schule in Biel zu Einschränkungen geführt hatte. Der Campus in Lübeck ist riesig und bietet den Studierenden verschiedenste Möglichkeiten von Campus-eigenen Kaffees, über Bibliotheken und zur Verfügung gestellten Räumen zum Lernen. Davon konnte ich leider nur sehr selten Gebrauch machen, da der grösste Teil des Studiums, wie wohl zurzeit überall, online stattfand. Trotzdem hat mich die Infrastruktur an der Hochschule in Lübeck sehr beeindruckt.

Wohnen konnte ich im Heim für Internationale Studierende, wo ich viele Studierende aus ganz Europa kennenlernte. Meine Wohnung stand inmitten der Lübecker Altstadt, was ich mir von Zuhause her nicht gewohnt war. Weil der Lage entsprechend alles sehr nah bei mir war, war die Verlockung stets gross, am Abend noch rauszugehen und etwas zu unternehmen.

Die Freundschaften, die sich durch die gemeinsame Auslandserfahrung geschlossen haben, pflege ich nach wie vor. Da wir alle nicht aus Deutschland waren, unternahmen wir viele Ausflüge innerhalb des Landes, beispielsweise Tagestrips nach Berlin oder Hamburg.

Meinen Alltag gestaltete ich um die Vorlesungsblöcke herum. Mir war klar, dass ich das Auslandssemester als persönliche Erfahrung ansehen und nutzen möchte, weniger als akademische Herausforderung. Mit dieser Einstellung absolvierte ich die Module, die dennoch sehr spannend waren, in einer eher minimalistischen Form.

Der Alltag dort liess sich sehr frei gestalten. Ich konnte mich so entfalten, wie ich wollte, fühlte mich nicht eingeschränkt und setzte mir auch selbst keine Grenzen. Dadurch, dass ich mich dort ganz neu erfinden konnte, brachte mich das neu aufgebaute Umfeld persönlich weiter. Ich entwickelte mich unbewusst zu einer ruhigeren, entspannteren und dennoch spontaneren Person.

Diese neue Art, meinen Alltag zu gestalten, auf Menschen zuzugehen und meinen Intuitionen zu folgen, ist mein liebstes Erlebnis im Austauschsemester. Ein neues Umfeld, in dem man sich neu erfinden kann, stärkt die eigene Persönlichkeit extrem.

Schulische Aspekte

Während der Vorlesungsblöcken war es vor allem spannend zu sehen, dass Dinge auch anders gehandhabt werden können, als wir es von Zuhause kennen. Eine andere Schule mit anderen Dimensionen, Lernmethoden und Fokusbereichen zu besuchen, war für mich sehr bereichernd. Ich habe im Semester verschiedene Projekte umgesetzt und in Gruppen mit fremden Mitstudierenden gearbeitet. Ausserdem konnte ich mir ein Bild davon machen, wie gross und divers das Wirtschaftsingenieur-Business ist, wie unterschiedlich man damit umgehen kann und wo ich darin stehe und meine Zukunft sehe.

Heimkehren

Als die Zeit kam, nach Hause zu fahren, sträubte ich mich davor, meine Koffer zu packen. Ich wäre gerne länger geblieben und hätte meinen Alltag gerne weiter so frei und spontan gestaltet wie in Lübeck und mehr Zeit mit meinen dort gefundenen Freunden verbracht. Ich wusste, zu Hause erwartet mich ein ständig vernebeltes Biel, eine mit meinen Eltern geteilte Wohnung und die von mir selbst gesetzten höheren Anforderungen ans Studium. Verständlich also, dass mir der Abschied schwerfiel. Nun bin ich aber zurück und muss zugeben, es ist schön, wieder da zu sein. Ich nehme so gut wie nur positive Erinnerungen aus dem Auslandssemester mit und freue mich, meine neuen Angewohnheiten in meinen «normalen» Alltag integrieren zu können.

Obwohl die deutsche Stadt nicht meine erste Wahl war, würde ich meine Erfahrungen dort gegen keinen anderen Ort tauschen. Ich konnte dort von vielen Modulen profitieren, die an der BFH in Biel nicht angeboten werden. Dennoch trug die Schule in Lübeck für mich nicht das gleiche Gewicht wie zu Hause. Meine persönliche Entwicklung und das Knüpfen neuer Kontakte und Freundschaften waren für mich das Wichtigste.

Steckbrief

Departement

Technik und Informatik

Studiengang

BSc Wirtschaftsingenieurwesen

Studiensemester

6. Semester (Zeitpunkt Austausch 4. Semester)

Jahrgang

1996

Studienort im Ausland

Lübeck, Deutschland

Partnerhochschule

Technische Hochschule Lübeck

Studienprogramm

Wirtschaftsingenieurwesen

Zeitraum Austauschsemester

Februar bis Juli 2021 (Frühlingssemester)

Persönliche Entdeckung

Hauptstadt der alten Hanse, geschichtsträchtige Stadt, nordisch direkte und offene Lübecker*innen