Beschaffungsrisikomanagement im Zeitalter von Corona

26.08.2020 Die Corona-Krise zeigt auf, wie wichtig das Risikomanagement in der internationalen Beschaffung ist. Ein Innosuisse Projekt entwickelt eine Methode zur frühzeitigen Er­kennung, Beurteilung, Kontrolle und Überwachung von internationalen Beschaffungsrisiken. Dr. Paul Ammann vom Institute for Data Applications and Security IDAS der BFH ist daran beteiligt.

ComatReleco ist ein weltweit führender Anbieter von qualitativ hochwertigen elektromagnetischen Schal­tern, Relais und Schützen aller Art. Hauptkunden sind Bahnproduzenten und Automatisierungsanbieter. Das Unternehmen wurde von der Coronakrise stark getroffen, da seine wichtigsten Lieferanten in China tätig sind. Deren Produktionsstätten waren während des chinesischen Neu­jahrs 2020 und anschliessend für mindestens einen Monat durch die Coronakrise geschlossen. ComatReleco fehlten dadurch wichtige Teile in der Produktion und das Unter­nehmen hatte mit Lieferengpässen zu kämpfen. 

Neue Risikomanagementmethode 

Eine Unternehmensbefragung, die im Rahmen des Inno­suisse-Projekts iBERIMA durchgeführt wurde, bestätigt die Erfahrungen von ComatReleco: Die internationale Beschaffung lässt für Schweizer Unternehmen massgebliche Risiken entstehen - und fast die Hälfte der befragten Firmen gesteht, dass das eigene Beschaffungsrisikomanagement mangelhaft sei. Auf der Grundlage dieser Unternehmens­befragung wurde im Rahmen des Innosuisse-Projektes eine Risikomanagementmethode entwickelt, die es KMU ermöglicht, die Risiken der internationalen Beschaffung frühzeitig zu erkennen, zu beurteilen, zu kontrollieren und zu überwachen. Der Prozess eines solchen systematischen Risikomanagements beginnt mit der Priorisierung der Einkaufsteile. Die Teile werden im Hinblick auf ihren Ein­fluss auf den Unternehmenserlös bewertet. Einkaufsteile mit einem grossen Einfluss werden im Risikomanagement mit einer höheren Priorität behandelt als weniger wichtige Teile. Für die priorisierten Einkaufsteile und deren Liefe­ranten werden aufgrund einer umfassenden Checkliste die Risiken bestimmt, die aus dem länderübergreifenden Ein­kauf entstehen können. Die definierten Risiken werden da­nach im Hinblick auf die Eintrittswahrscheinlichkeit und das potenzielle Schadensausmass bewertet. Um die Risiken zu kontrollieren, wird eine der vier folgenden Kontrollstra­tegien eingesetzt: Risikovermeidung, Risikoverminderung, Risikoübertragung, Risikoübernahme. Die Überwachung der Beschaffungsrisiken umfasst schliesslich deren re­gelmässige Überprüfung mit Hilfe eines Datencockpits, damit mögliche Änderungen in der Risikolage proaktiv in den Risikomanagementprozess einfliessen können.

Unterstützte Implementierung 

Um die KMU bei der Einführung und dem nachhaltigen Einsatz des Risikomanagementprozesses zu unterstützen, ist die Entwicklung einer pragmatischen IT-Lösung ge­plant. Diese Lösung wird neben dem Risikomanagement zusätzlich den gesamten Einkaufsprozess abdecken, da beide Bereiche eng zusammenhängen. Ziel ist es, dass die Risikomanagementaufgaben Identifikation, Bewertung, Kontrolle und Überwachung mit möglichst geringem Aufwand durchgeführt werden können und dabei den maximalen Nutzen für das Unternehmen stiften. Denn eine Erkenntnis des Projektes ist es, dass nur ein pragma­tischer und möglichst leichtgewichtiger - aber trotzdem umfassender - Risikomanagementprozess nachhaltig von den Unternehmen eingesetzt wird. Die IT-Lösung wird den Risikomanagementprozess auf der Ebene der Einkaufsteile unterstützen. Risikomanagement bleibt so­mit keine abstrakte Übung, sondern kann als Entschei­dungshilfe im operativen Geschäft genutzt werden. Die Risikominderungsmassnahmen stehen dabei im Fokus und werden so integriert, dass deren Implementierung einfach nachverfolgt werden kann. Eine tagesaktuelle Risiko-Exposition, gemessen in Schweizer Franken, wird den Anwendern zur Verfügung stehen. Der Vergleich dieser Ist-Risiko-Exposition mit einer automatisch be­rechneten Maximal-Risiko-Exposition ermöglicht den Unternehmen, Risikominderungsmassnahmen zu planen und einzuleiten. Eine grosse Herausforderung im Risiko­management ist es, frühzeitig vom Eintritt beziehungs­weise von der Erhöhung eines Risikos zu erfahren. Daher werden auch externe Datenquellen an die IT-Lösung an­geschlossen und ein hoher Automatisierungsgrad für das Risikomanagement erreicht. Die geplante IT-Lösung wird auf der Basis einer bereits existierenden Einkaufslösung implementiert. Unternehmen können damit nicht nur das Risikomanagement einführen. Sie erhalten ebenfalls die Möglichkeit, ihre Einkaufsprozesse digital zu unterstützen.

Investition lohnt sich 

Die Coronapandemie wird nicht die letzte Krise sein, die die internationalen Zulieferketten von Schweizer Unter­nehmen wie ComatReleco beeinträchtigen. Deshalb lohnt sich die Investition in das internationale Beschaffungsrisi­komanagement, um Schäden, die aus solchen Krisen entste­hen, reduzieren zu können.Mitglieder von procure.ch sol­len die aus dem Innosuisse-Projekt iBERIMA entstehende IT-Lösung zu attraktiven Konditionen nutzen können. Im Rahmen von Webinaren wird das Konzept des Instru­mentes den interessierten procure.ch-Mitgliedern vorge­stellt. Die Einladungen dafür erhalten die Unternehmen per E-Mail. Die Realisierung der IT-Lösung wird bei einer genügend hohen Anzahl von Interessenten möglich sein.

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