Eine Mission in die Stratosphäre

21.04.2020 Drei Bieler Informatikstudenten lassen einen Wetterballon in die Stratosphäre steigen, um Bilder von der Erde zu machen und Messwerte zu sammeln – und jeder kann live dabei sein.

Yannik Stuker, Olivier Gafner und Frederick Heck arbeiten schon seit acht Monaten am Projekt «Stratoon», benannt nach dem englischen Wort «stratospheric ballon» für Wetterballon.

Die drei Bieler Bachelorstudenten der Berner Fachhochschule (BFH) aus der Fachrichtung Informatik haben in den letzten acht Monaten viel getüftelt und trotz Coronamassnahmen ihre speziell konzipierte Sonde mit integrierter Kamera fertig entwickelt. Sie soll mithilfe eines Wetterballons in die höhere Stratosphäre aufsteigen und von dort aus umfassende Bilder von der Erde schiessen und Daten wie etwa UV-Strahlung, Aussendruck oder Temperatur messen.

Die drei Studenten sind schon ganz aufgeregt: «Wir wissen noch nicht genau, wie die Flugbahn des Ballons aussehen wird und wo die Kapsel landet», sagt Yannik Stuker. Das Gas im Ballon wird sich mit steigender Höhe ausdehnen und den Ballon irgendwo zwischen 31 und 35 Kilometern Höhe zum Platzen bringen. Maximal könnte der Ballon je nach Windstärke bis nach Salzburg oder Domodossola wegdriften und die Kapsel dann schlimmstenfalls auf Teer oder Felsen aufprallen, oder in einem See landen.

Deshalb hätten sie bei der Verfolgung der Sonde Wanderschuhe dabei und einen kleinen Heliumballon mit Fischerhaken, um das Gerät aus Baumwipfeln oder Felsvorsprüngen zu bergen, sagt Stuker. Spannend an der Mission ist auch: Auf einer Website können Interessierte den Flug des Stratoon und die Messdaten live mitverfolgen.

Corona erschwert Testphase

Entstanden ist das Projekt aus einer früheren Mission des BFH-Dozenten Marcus Hudritsch, die damals mit kürzerer Planungsphase rudimentärer vorbereitet wurde. Mit einer neuen Funktechnologie, einer 360-Grad-Kamera und mehr eingebauten Sensoren soll die Mission der Studierenden nun technisch ausgereifter umgesetzt werden, um noch bessere Bilder zu schiessen, noch mehr Daten zu messen und den Flug möglichst genau zu verfolgen.

Eine grosse Herausforderung: «Während es zwar bereits viele vorgefertigte Amateurgeräte auf dem Markt gibt, mussten wir alle Komponenten individuell einkaufen und zusammenbauen, um die für das Projekt geforderten Daten messen zu können», erklärt Yannik Stuker. So mussten sie nicht nur die Einzelteile als Gesamtes zum Funktionieren bringen, sondern in der Folge unter anderem selber ausrechnen, wie viel Gewicht die Sonde haben darf oder wie viel Akkuleistung die Versorgung der Kamera und der Sensoren benötigt.

Und das ist mit Blick auf die Gegebenheiten in so grosser Höhe offenbar nicht so einfach: Die Temperaturen in der Stratosphäre sänken je nach maximaler Flughöhe des Ballons auf bis zu -50 Grad, erklärt der Student. Zwar sei das Gerät mit einer Styropor-Kugel geschützt, dennoch wisse man nicht genau, wie das Material darauf reagieren werde. Normalerweise hätte das Team die Kapsel in einer Kälte-Kammer der Tissot-Arena getestet, wegen des Coronavirus sei diese aber geschlossen gewesen.

Auch das Zusammenbauen der Sonde wurde von den eingeführten Abstands- und Hygieneregeln in der Endphase des Projekts tangiert: «Wir haben uns zwar noch getroffen, doch jeder ist in eine Ecke des Zimmers 
gestanden und wir haben dann abwechselnd am Gerät geschraubt», sagt Stuker und lacht. Zumindest hätten sie so einander mit Rat zur Seite stehen können.

Knapp drei Stunden Flugzeit

Gestartet werden soll der Wetterballon um 10 Uhr an einem Tag Ende April oder Anfang Mai. Dieser wird auf der Website www.stratoon.ch noch bekannt gegeben. Drei Tage vor dem Start könne nämlich ein sogenannter «Predictor» einer englischen Hochschule anhand der Wettervorhersagen in etwa einschätzen, wie schnell der Ballon steigt, wann er platzen wird und wo die Kapsel runterfällt. Etwa zwei Stunden und 45 Minuten dürfte der ganze Flug dauern.

Je näher also der Start der Mission rückt, desto genauer kann der Flugverlauf eingeschätzt werden: «Wir hoffen, dass die Kapsel irgendwo im Mittelland runterfällt – und wenn möglich nicht ins Wasser oder auf Teer», so Stuker. Die Kamera sei nicht wasserdicht, man müsse in diesem Fall hoffen, dass die Speicherkarte den Wasserschaden überlebe. Und auch ein zu starker Aufprall der Sonde am Boden könnte die Kamera beschädigen: Die Kapsel werde mit zirka fünf Metern pro Sekunde, sprich etwa 18 Kilometer pro Stunde, auf die Erdoberfläche aufprallen, sagt der Informatiker.

Um die Kapsel nicht zu verlieren, haben die Studenten gleich mehrere Vorkehrungen getroffen. So sendet ein GPS-Tracker in der Kapsel alle drei Minuten ein Signal über das Mobilfunknetz. Zudem wird eine konstante Funkverbindung via Antenne GPS-Daten zur Bodenstation schicken. «Und wenn auch das scheitern würde, dann hängt ein Schild mit unseren Kontaktdaten an der Sonde, damit sich der Finder bei uns melden kann», sagt der BFH-Student.

Stratoon Kapsel

Mehr erfahren