Von der Bachelor-Thesis zum eigenen Unternehmen

11.05.2020 Die Gebert Rüf Stiftung fördert mit dem «First Ventures»-Programm jährlich Fachhochschulabsolventen, die ihre Abschlussarbeit zum eigenen Start-up weiterentwickeln wollen. 2018 hat sich Kevin Tippenhauer, damals noch Medizininformatik-Student an der Berner Fachhochschule BFH, mit seiner Geschäftsidee beworben – und gewonnen. Heute arbeitet er gemeinsam mit Lea Meier, ebenfalls Medizininformatikabsolventin, an der Gründung von «Indimedis».

Kevin Tippenhauer, Ihre Bachelor-Thesis war schlussendlich auch Ihre Geschäftsidee. Lea Meier und Sie entwickeln die Idee nun weiter und streben die Gründung des Spin-offs Indimedis an. Können Sie kurz erklären, um was es genau geht?

Tippenhauer: «Da müssen wir ein wenig ausholen. Es kommt immer wieder vor, dass Medikamente anders wirken, als beabsichtigt. Diese unerwünschten Arzneimittelwirkungen werden einerseits durch fehlerhafte Anwendung verursacht oder durch eine unerwünschte Wirkung der Medikation selbst. Die daraus folgenden Konsequenzen sind enorm. Allein in Europa sterben pro Jahr über 190'000 Menschen an den Folgen solcher Fälle und die entstehenden Zusatzkosten befinden sich im zweistelligen Milliardenbereich. Bei meinen Recherchen erfuhr ich nun, dass genetische Faktoren bei Arzneimittelreaktionen eine Rolle spielen können und man diese Faktoren mit Labortests bestimmen kann.»

Meier: «Leitlinien mit klaren Handlungsanweisungen zu risikoreichen Gen-Medikament Kombinationen gibt es schon lange. Dennoch wird diesem Risiko bis heute wenig Beachtung geschenkt. Das Problem liegt bei der Komplexität des Themas und dem Arbeitsaufwand für die Auswertung und Kommunikation des Befundes. Genau hier kommen wir ins Spiel. Wir stellen die notwendige Infrastruktur und Software zur Verfügung, damit die genetische Analyse und die Gen-Medikament Risikobestimmung mit minimalem Aufwand realisiert werden kann. Auf den Punkt gebracht: Wir wollen Gesundheitsdienstleister warnen, wenn sie unbewusst ein hohes Risiko für eine unerwünschte Arzneimittelreaktion eingehen.»

 

Kevin Tippenhauer, ab wann war für Sie klar, dass Sie dieses Projekt weiterführen möchten?

Tippenhauer: «Das war schon zu Beginn klar. Ich habe bereits gezielt nach einem Thema gesucht, dass sich für eine Weiterentwicklung eignet. Bei mir war der Wunsch, etwas Eigenes auf die Beine zu stellen, vor der Projektidee da. Zum Thema Pharmakogenetik (der Fachbegriff für das Gebiet, das sich mit dem Einfluss von genetischer Ausstattung auf die Wirkung von Arzneimittel befasst) kam ich per Zufall über einen Fachartikel. Meine Erkenntnis war dann, dass man grosse Teile der heutigen Prozesse in diesem Bereich digitalisieren könnte.»  

Inwiefern wurden oder werden Sie bei der Gründung unterstützt? 

Tippenhauer: «Vom Institut für Medizininformatik I4MI erhielt ich viel Unterstützung in Form von Mentoring. Insbesondere bei der Ausarbeitung der Bewerbung für die Gebert Rüf Stiftung wurde ich gecoacht und betreut. Durch den Finanzierungszuschlag der Stiftung, wurde die Fortsetzung meiner Anstellung und damit die Weiterentwicklung des Projekts erst möglich.»

Ein Blick zurück. Was war die grösste Herausforderung bisher?

Tippenhauer: «Für mich stellt der Weg vom funktionierenden Prototyp, der bereits in der Bachelor-Thesis entwickelt wurde, zu einem Minimum Viable Product (MVP) die grösste Herausforderung dar. Mit dem MVP soll die Grundidee des Systems im Markt getestet werden, und das möglichst schnell. Das Gesundheitswesen ist per se schon ein schwieriges Pflaster für ein Start-up. Zusätzlich sind wir mit unserem Produkt bereits für das MVP auf die Mitarbeit von vielen externen Partner angewiesen. Mit unseren Partnern haben wir riesiges Glück, aber den Aufwand diese zu finden und zu koordinieren, habe ich unterschätzt.»

Meier: «Dazu kommen noch die Herausforderungen der vielen Bestimmungen in der Medizinbranche, wie beispielsweise die Medizinproduktverordnung. Als ich zum Projekt dazugestossen bin, war zudem die Einarbeitung in die Pharmakogenetik und die diversen Regulierungen eine Herausforderung.»

Aber all die Mühen sind es wert?

Beide lachend: «Ja sicher! Wir sind ja auch beide motiviert dabei.»

Meier: «Die Arbeit ist sehr abwechslungsreich. Wir sind noch in einer relativ frühen Phase, da muss sich jeder um viele unterschiedliche Aufgabenbereiche kümmern. Da kann man sich quasi auswählen, mit was man sich gerade auseinandersetzen möchte.»

Tippenhauer: «Ein solches Projekt berührt auch ganz verschiedene Themengebiete. Aktuell erarbeiten wir gerade ein Paper zu den Datenschutzanforderungen im Umgang mit medizinischen Daten.»

Haben Sie Tipps für Studierende, die mit ihrer Bachelor- oder Master-Thesis ebenfalls die Selbstständigkeit verfolgen?

Meier: «Am Ball bleiben!»

Tippenhauer: «Ja genau, und den Mut haben diesen Schritt zu wagen. Hilfreich sind auch Förderprogramme, wie jenes der Gebert Rüf Stiftung. Der Bewerbungsprozess hilft einem dabei, seine Idee nochmals rational von allen Seiten zu betrachten und zu hinterfragen. Wenn man dann noch eine Förderung erhält, ist dies natürlich der ideale Ausgangspunkt für ein Start-up, sowohl netzwerktechnisch wie auch finanziell.»

Kevin Tippenhauer
Kevin Tippenhauer
Lea Meier
Lea Meier

Projektideen gesucht!

Mit dem Förderprogramm «First Ventures» will die Gebert Rüf Stiftung Bachelor- und Masterstudenten dazu ermutigen, nicht allein die Hürde des formalen Studienabschlusses ins Auge zu fassen, sondern das Wagnis der Startup-Gründung einzugehen. Projektbeiträge von maximal 150'000 Schweizer Franken sollen ausgewählten FachhochschulabsolventInnen den Weg zur Gründung ihres eigenen Unternehmens ebnen.

 

 

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