Wenn es plötzlich unheimlich flackert…

07.09.2020 Wenn das Licht flackert oder Geräte von alleine angehen, hat das wenig mit Spuk zu tun. Vielmehr liegt der Grund hierfür in Spannungseinbrüchen. Professor Michael Höckel befasst sich beruflich mit diesem Phänomen und berichtet in der Septemberausgabe der Zeitschrift «Technik und Wissen» darüber.

Stellen Sie sich einen Abend im Spätherbst vor. Sie bleiben länger auf Arbeit, um eine Besprechung am nächsten Morgen vorzubereiten. Lediglich Ihre Parzelle im Grossraumbüro ist noch beleuchtet, von den angrenzenden Schreibtischen sind in dem spärlichen Licht nur Silhouetten zu erkennen. Ohne Vorwarnung beginnt auf einmal die Deckenbeleuchtung über Ihnen zu flackern und in der Tiefe des Raumes springen an einzelnen Arbeitsplätzen wie von Geisterhand die Monitore an. Ganz schön gruselig, oder?

Ursachen für Spannungsflicker

Bevor Sie in einer solchen Situation nun aber in Panik verfallen oder im Internet nach dem örtlichen Exorzisten googlen, bleiben Sie ruhig! Die Ursache für dieses Phänomen ist keine ruhelose Seele, sondern viel banaler oder genauer gesagt physikalischen Ursprungs. «EDV- und Telekommunikationsanlagen können anfällig auf schlechte Spannungsqualität sein», sagt Michael Höckel. Und er muss es wissen! Am Departement Technik und Informatik der Berner Fachhochschule BFH in Biel lehrt er Studenten aus den Bereichen Elektrotechnik und Informationstechnologie die Ursachen für solche Erscheinungen. Und weil er das sehr gut macht, wird seine Expertise auch bereits seit Jahren im internationalen Arbeitskreis TR EMV&PQ DACHCZ geschätzt. Dieser erarbeitet Empfehlungen, die den Netzbetreibern helfen sollen, um die Qualitätsansprüche an die Spannungen zu gewährleisten.

Wenn nun also das Licht flackert, erzählt Michael Höckel in seinen Vorlesungen, hat das oftmals mit wechselnden Lasten zu tun, die das Stromnetz durch das Vorhanden beziehungsweise Nicht-Vorhandensein des Stroms belasten. Dies führt je nach Last zu kleinen bis grossen Spannungsabfällen. «Wir sprechen dann von einem Spannungsflicker», erklärt der Dozent und ergänzt: «Und genau das kann die Ursache für flackernde Lampen oder Leuchtkörper sein.»

Wie kommt es aber dazu, dass sich diese Lastwechsel überhaupt auf solch kuriose Art und Weise bemerkbar machen? Zumal die Netzbetreiber ja dazu verpflichtet sind, jeden Kunden ans Netz zu bringen und dieses dafür entsprechend auszulegen!

Aus Erfahrung weiss Michael Höckel, dass diese Probleme meistens hausgemachter Art sind. «Der Netzbetreiber ist lediglich für die Spannung verantwortlich, der Kunde ist es aber, der den Strom bezieht», sagt er. Zwar wird beim Anschlussgesuch versucht, diesen Strombedarf zu beurteilen, doch dieser kann sich durch das Wachstum eines Unternehmens im Verlaufe der Jahre verändern. Wenn diesem zusätzlichen Bedarf dann nicht Rechnung getragen wird, indem zum Beispiel zusätzliche Leitungen verlegt werden, kann dies zum Flickern führen.

Vorgehensweise bei Spannungsmessungen

Treten diese beschriebenen Störungen auf, wendet sich der Kunde zunächst an seinen Netzbetreiber. «Der kommt aus Eigenantrieb und misst nach, weil er sein Verteilnetz in den seltensten Fällen online überwacht», erklärt Michael Höckel die übliche Vorgehensweise. Weil dieser aber die Spannungsqualität nur bis zum Anschlusspunkt verantwortet, ist es gut möglich, dass für diesen kein Handlungsbedarf entsteht. Da damit aber das Problem nicht behoben ist, verlagert sich nun die Suche vom Netz hinein ins Unternehmen.

Auf diese interne Suche haben sich verschiedene Anbieter spezialisiert. Dabei wird zunächst die Spannung über einen bestimmten Zeitraum aufgezeichnet und erfasst. Liegt beispielsweise der totale Oberschwingungsgehalt zeitweise über dem Grenzwert von acht Prozent, so der Dozent, ist dies ein Indiz dafür, dass tatsächlich etwas nicht stimmt. Andere Indikatoren können Unsymmetrien oder aber zu grosse Abweichungen der gemittelten Netzspannung sein. Diese muss ständig innerhalb einer Toleranz von plus zehn und minus fünfzehn Prozent liegen.

Beseitigung von Spannungsflickern

Die Auswertung und Deutung dieser Aufzeichnungen ist Bestandteil der Lesungen bei Michael Höckel. Sehr schnell zu einem Resultat kommt er, wenn sich bei diesen Messungen Gleichzeitigkeiten nachweisen lassen. Eine solche Gleichzeitigkeit kann beispielsweise sein, wenn die Spannung immer beim Einschalten eines bestimmten Gerätes einbricht. «Wenn zum Beispiel die Schweissanlage einen Impuls hat, lässt sich eine zeitliche Korrelation erkennen und sehr gut zuordnen», erklärt er.

Viel kniffliger wird diese Auswertung übrigens, wenn viele Betriebe ähnliche Geräte einsetzen und alle ein wenig dazu beitragen und sich unglücklich kumulieren. «In diesem Fall liegt die Abhilfemassnahme beim Netzbetreiber», so Michael Höckel. Dieser wird das Problem normalerweise mit grösseren Leitungsquerschnitten beheben oder das Netz mit einer zusätzlichen Trafostation aufteilen.

Häufig entstehen Probleme durch Baustellen-Installationen. Zwar sind diese temporär, so der BFH-Professor, sollten aber dennoch nicht zu sehr stören. Dass der Trend zur Elektromobilität ebenfalls zu Problemen führen kann, zeigt sich in jüngerer Zeit. Diese kann zu hohen Gleichzeitigkeiten führen, zudem wird Leistungselektronik mit ähnlicher Topologie eingesetzt. Dies kann zu Störungen führen, da die Grenzwerte für die Emission von harmonischen Strömen von 200-W-Ladegeräten für E-Bikes zum Beispiel sehr grosszügig sind. «Wenn nun fünf bis zehn Stück parallel in Betrieb sind, können Grenzwertüberschreitungen bei den Harmonischen Spannungen durchaus möglich», so Michael Höckel.

Studium und Perspektiven

Dass die Ursachen für die schlechte Spannung sehr vielseitig sind, zeigt sich auch bei den Bachelor- und Masterarbeiten, die Michael Höckel betreut. Einer seiner Studenten untersucht gerade den Einfluss der Spannungsqualität auf das Verhalten von diversen Umrichtern, welche in PV-Anlagen, Batteriesystemen oder Ladestationen von E-Autos eingesetzt werden. In einer anderen Arbeit werden Haushalte und der Einfluss der dort eingesetzten Geräte auf den Gesamtstrom untersucht. Die erzielten Erkenntnisse sollen später einmal dazu dienen, die Stromemissionen bestimmter Haushalte charakterisieren zu können.

Und welche beruflichen Perspektiven eröffnen sich mit diesen Erkenntnissen? «Die meisten dieser Studenten finden eine Anstellung bei Netzbetreibern, andere finden ihre Bestimmung in der Geräteentwicklung oder als Energieberater», sagt Michael Höckel. Den Weg eines professionellen Geisterjägers hat bislang übrigens keiner von ihnen eingeschlagen. Wieso auch, wenn man weiss, dass flackernde Lampen mit der Spannungsqualität zu tun haben.

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Spannungsqualität

Eine mangelnde Qualität der Netzspannung kann das Verhalten elektrischer Verbraucher beeinträchtigen und bis zur Gefährdung von Personen und Geräten führen. Die wichtigsten Parameter für die Spannungsqualität sind:

  • Spannungshöhe
  • Frequenz
  • Kurvenform
  • Störungen

Die Energieversorger sind verpflichtet, bestimmte Grenzwerte bei den jeweiligen Parametern einzuhalten. Die zulässigen Pegel der Spannungsqualität sind durch die International Electrotechnical Commission (IEC) definiert.

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