Marcel Jaun – «Scheitern dürfen, um lernen zu können!»

Er ist Bergsteiger aus Leidenschaft, sein Sport hat aktuell Priorität vor allem anderen. In diesem Sommer hat der Bachelor-Student in Wirtschaftsingenieurwesen 550 km zu Fuss, 1000 km auf dem Rad und 60 km schwimmend die Schweiz umrundet; dieses Projekt nannte er Triathlon CH360. Marcel Jaun liebt es, bei seinen sportlichen Herausforderungen stets Neues über sich und seine Umgebung zu entdecken.

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Als Jugendlicher hat er Fussball gespielt und dabei gemerkt, dass ihm Teamsportarten nicht so liegen. Er begann mit dem Laufsport und dem Radfahren und vor etwas mehr als zehn Jahren hat er seine erste Tour ins Hochgebirge unternommen. Auf seiner Webseite hat er dies dokumentiert: «Mit alten Skis und Pisten-Skischuhen fellten wir los. Mein Vater legte eine Spur in den frischen Pulverschnee. Oben wurde es steil, der Schnee hart. Ich war überfordert, kämpfte, schwitzte, hatte Angst abzurutschen. Mein Vater meinte: "Wenn du etwas machst, dann mach es richtig". Recht hatte er! Von da an war ich wie besessen von den Bergen.» Seither hat er knapp ein Dutzend grosse Expeditionen in Peru, Bolivien, Kirgistan, Pakistan und der Schweiz absolviert.

Leidenschaft

Wenn man Marcel Jaun zuhört, dann spürt man seine Leidenschaft für den Berg. Er liebt das Abenteuer und das Adrenalin, aber: «Es ist der Weg, der zählt, nicht das Ziel.» Auch was den Weg betrifft, hat der 25-jährige eine klare Vorstellung! Er will dem Berg mit einfachen Mitteln und ohne Hinterlassenschaften begegnen; gutes Material, aber keine Technikschlacht, das ist seine Devise. Und er trainiert gezielt auf die geplanten Projekte hin; in der Anfangsphase bis zu 20 Stunden in der Woche, kurz vor Beginn des neuen Abenteuers bis zu 30 Stunden.

Mit jedem Berg, den er besteigen will, beschäftigt er sich. So hat er sich bereits Ende 2018 in der Westwand am Schreckhorn im Kopf eine neue Route zurechtgelegt und auf den richtigen Moment gewartet. Dieser kam dann im Frühsommer 2020. Die Bedingungen am Berg seien schwierig gewesen, der Fels in der Wand brüchig. Marcel Jaun klettert nicht, um Eroberungen zu machen oder unbedingt auf den Gipfel zu kommen, er klettert wegen der Erlebnisse. Als der Tag gekommen war, die Erstbegehung zu unternehmen, da sei er in die Wand und habe sich gesagt: «Ich beginne und schaue mal, wie weit ich komme.» Mit Ausdauer, Können und Geduld hat er diese Erstbegehung geschafft.

Herausforderungen

Dass Bergsteigen durchaus gefährlich sein kann, diese Erfahrung hat der Offizier bei den Gebirgsspezialisten aus Andermatt bereits gesammelt: «Bei einer Winterbegehung 2015 setzte ich eine schlechte Zwischensicherung und ich bin aus zwölf Metern auf den Boden gestürzt. Dabei habe ich mir «nur» die Hüfte gebrochen.» Dieses Erlebnis ist deutlicher Beweis für sein Lebensmotto: «Scheitern dürfen, um lernen zu können.» Insgesamt sei er auf seinen Expeditionen und bei den Bergtouren mehr gescheitert, als dass er sie erfolgreich beendet habe; ungefähr zwei Drittel seiner Abenteuer habe er nicht wie geplant beenden können.

Die grosse Frage, die sich der zukünftige Wirtschaftsingenieur immer wieder stellt: «Wird es  möglich sein, von meinem Sport zu leben?» Weil er Realist ist, suchte er nach seiner Ausbildung zum Elektroniker EFZ ein berufliches Standbein. Am Bachelorstudium Wirtschaftsingenieurwesen interessiert ihn das Zusammenspiel von Betriebswirtschaft und Ingenieurwissenschaften mit der Zusammenarbeit mit Menschen. Seine berufliche Zukunft sieht er als Projektmanager in diesem Bereich.

Swiss Olympic anerkennt die Bereiche Sportklettern und Skitouren des Schweizer Alpen-Clubs SAC als offizielle Sportarten; Bergsteigen kommt nicht in den Genuss von der Unterstützung des Dachverbandes. Auch darin sieht der Optimist Jaun Positives: «Klar, in Sachen Sponsoring wäre es sicher vorteilhaft, wenn auch das Bergsteigen bei Swiss Olympic wäre, andererseits bin ich dadurch an keine Bedingungen gebunden, habe alle Freiheiten.»

Geplant

Bisher hat er alle seine Projekte selbst finanzieren können. Das nächste Abenteuer ist allerdings schon in Planung und wird so umfangreich, dass er auf Sponsoren angewiesen sein wird. Nach dem Triathlon CH360° will er im Sommer 2021 Südamerika vertikal mit dem Rad durchqueren und in jedem Land eine Erstbegehung an einem unbekannten Berg angehen. Ein ambitioniertes Projekt: Von Punta Gallinas, dem nördlichsten Punkt in Kolumbien, bis Kap Hoorn, dem südlichsten Punkt in Chile, beträgt die Fahrrad-Strecke 12’000 Kilometer.

Eine neue, passende Herausforderung für Marcel Jaun, den Bergsteiger und Abenteurer.

Steckbrief

Studiengang

Bachelor-Student Wirtschaftsingenieurwesen

Departement

Technik und Informatik