Wie Bewerberinnen diskriminiert werden - BFH-Studie über deutschsprachigen Arbeitsmarkt

14.06.2019 Mit dem landesweiten Streik protestieren die Schweizerinnen heute gegen die anhaltende Diskriminierung von Frauen. Die soeben erschienene Studie der BFH Wirtschaft zeigt nun: Frauen werden bereits im Bewerbungsverfahren auf unterschiedliche Arten benachteiligt. Die BFH-Wissenschaftlerin Prof. Dr. Ana Fernandes hat dafür zusammen mit zwei Forschenden aus Deutschland und Österreich eine grossangelegte Studie mit 9000 Befragten durch geführt.

Sowohl wegen bestehender Mutterschaft als auch wegen der Möglichkeit einer Schwangerschaft können Frauen auf dem Arbeitsmarkt benachteiligt werden. Zum einen können Arbeitgeber Frauen im fruchtbaren Alter als «schwangerschaftsgefährdet» wahrnehmen. Zum anderen befürchten Arbeitgeber, wenn sie Mütter einstellen, dass diese aufgrund der konservativen Rollenverteilung häufiger als Männer für die Kinderbetreuung verantwortlich sind und womöglich öfter fehlen etwa wegen erkrankter Kinder. Wie diese Faktoren die Einstellungspraxis von Unternehmen auf dem deutschsprachigen Arbeitsmarkt beeinflussen, hat Ana Fernandes von der BFH Wirtschaft zusammen mit Sascha O. Becker von der Universität Warwick und Doris Weichselbaumer von der Universität Linz mit einer gross angelegten Korrespondenzstudie in Deutschland, der Schweiz und Österreich untersucht.

Dabei versendeten die Forschenden rund 9.000 fingierte Bewerbungen für ausgeschriebene Voll- und Teilzeitstellen. In den Lebensläufen machten sie für die angeblichen Bewerberinnen unterschiedliche Angaben zu Familienstand und Anzahl von Kindern, behielten jedoch das Alter und die bisherigen Berufserfahrungen bei allen gleich.

Schon potenzielle Schwangerschaft verhindert eine Anstellung

Das Ergebnis lässt aufhorchen: Frauen, die verheiratet und kinderlos sind und Teilzeit arbeiten, werden seltener zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen als alleinstehende Frauen. Der Grund dafür: der Arbeitgeber hält die Verheirateten für besonders «gefährdet», schwanger zu werden. Gleichzeitig ist die Wahrscheinlichkeit, dass Mütter von zwei kleinen Kindern zum Gespräch gebeten werden geringer als bei Müttern von zwei älteren Kindern, da die Arbeitgeber fürchten, dass kleinere Kinder öfter krank werden und die weiblichen Angestellten öfter fehlten.

Die Forschenden führen die gefundenen Unterschiede zwischen Voll- und Teilzeitergebnissen auf zwei Faktoren zurück:

  • Teilzeitarbeit ist im deutschsprachigen Raum viel häufiger anzutreffen als z.B. in der EU.
  • Teilzeitarbeit ist stark in den Werten dieser Gesellschaften verwurzelt, die Arbeit und Mutterschaft als weniger kompatibel wahrnehmen als andere europäische Länder.

Wenn sich die Kandidatinnen auf eine Teilzeitbeschäftigung bewerben, sehen die Arbeitgeber dies als Motivation für den Wunsch, Beruf und Familie in Einklang zu bringen. Infolgedessen werden Bewerberinnen mit einer höheren Wahrscheinlichkeit einer Schwangerschaft benachteiligt und Bewerberinnen bevorzugt, die signalisieren, dass ihre Familienplanung abgeschlossen ist.

Bewerberinnen für eine Vollzeitstelle signalisieren dagegen, dass sie unabhängig von ihrer Familiensituation eine sichere Kinderbetreuung haben, da sie die Vollzeitstelle sonst nicht damit in Einklang bringen könnten. Bewerberinnen auf Vollzeitstellen mit den gleichen Angaben zu Familienstand und Kinderanzahl wie die Bewerberinnen auf Teilzeitstellen werden also nicht benachteiligt.

Fazit der Studie

  • Verheiratete, aber kinderlose Frauen, die sich auf eine Teilzeitbeschäftigung bewerben, haben im Vergleich zu anderen Teilzeitbewerbern mit unterschiedlichen Familientypen die geringsten Chancen, zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen zu werden.
  • Frauen mit zwei älteren Kindern, die sich auf eine Teilzeitbeschäftigung bewerben, haben im Vergleich zu anderen Arten mit unterschiedlicher Familienzusammensetzung die größten Chancen auf ein Vorstellungsgespräch. Das ist ein überraschendes und fast paradoxes Ergebnis, denn diese Jobs gelten typischerweise als besonders familienfreundlich.

Passend zum Thema veranstaltet die BFH Wirtschaft am 30. und 31. August die Konferenz «Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt». Im Rahmen dieser akademischen Veranstaltung findet ein Runder Tisch statt mit dem Titel «Die Kosten der externen Kinderbetreuung und die Arbeitsmarktbeteiligung von Frauen» und diesen Gästen:

  • Claudine Esseiva, Stadträtin Bern (FDP)
  • Dr. Sylvie Durrer, Direktorin des Bundesamtes für Gleichstellung FOGE
  • Irenka Krone-Germann, Gründerin und Geschäftsführerin von Part-time Optimizing.

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