Rücken gestreckt oder gebeugt beim Lasten heben? Überraschende Ergebnisse aus der Forschung

26.05.2021 Halten Sie Ihren Rücken gestreckt, wenn Sie schwere Lasten heben? Wie oft haben Sie diesen Hinweis schon gehört? In der Fachwelt wird längst diskutiert, dass es keine Belege dafür gibt, dass Heben mit gebeugtem Rücken schädlich ist. Nun haben Forscher der Berner Fachhochschule und der Universität Zürich herausgefunden, dass auch gesunde Menschen den Rücken beim Heben gestreckt halten – und ihrem Rücken damit schaden können.

Wir bewegen uns anders, wenn wir Rückenschmerzen haben. Häufig versuchen wir dann, unsere Wirbelsäule zu schützen, indem wir uns weniger bewegen und den Rücken, vor allem den unteren Teil um den Kreuzbereich, «versteifen». Aber auch ohne Rückenschmerzen scheinen wir eine Vorstellung davon zu haben, wie wir uns bewegen sollen, um den unteren Rücken vor Verletzungen zu schützen. So halten wir beispielsweise beim Hochheben eines schweren Blumentopfs oder beim Ausräumen des Geschirrspülers den Rücken gerade und gehen leicht in die Knie. «Mittlerweile ist dieses Wissen aber überholt. Es zeigte sich in mehreren Studien, dass das Biegen der Wirbelsäule während des Hebens von Gewichten kein Risikofaktor für Schmerzen im unteren Rücken darstellt», sagt der Biomechaniker Stefan Schmid von der Berner Fachhochschule.

Führen die weit verbreiteten Überzeugungen in die Irre?

Die Ergebnisse einer vom Schweizerischen Nationalfonds finanzierten Studie der Berner Fachhochschule und der Universität Zürich weisen nun in eine ganz andere Richtung. Sie deuten darauf hin, dass solche schützenden Bewegungsstrategien bei gesunden schmerzfreien Personen längerfristig sogar zu Rückenschmerzen führen können! Eine wichtige Rolle spielt die Psyche. Bei gesunden Studienprobanden zeigte sich: Je mehr Angst vor Bewegungen mit einem runden Rücken eine Person hat, desto weniger beugt sie während des Anhebens eines Gewichts ihren Rücken. Ein Befund, der bereits in früheren Studien in chronischen Rückenschmerzpatienten gezeigt wurde. Gesunde Personen mit hoher Ängstlichkeit bezüglich Bewegungen mit einem runden Rücken zeigen also identische Bewegungsmuster wie chronische Rückenschmerzpatienten. Man nimmt an, dass dieses Phänomen durch eine erhöhte Muskelanspannung zustande kommt, welche die untere Wirbelsäule schonen soll. Kurzfristig kann eine solche Bewegungsstrategie Sinn machen, längerfristig allerdings kann sie zu wiederkehrenden Rückenschmerzen führen. Man geht davon aus, dass die ständige Muskelanspannung eine zusätzliche Belastung auf die involvierten Strukturen der Wirbelsäule zur Folge hat und zu Muskelermüdung führen kann. «Solche Wechselbeziehungen zwischen Psyche und Bewegung sind aber noch wenig erforscht. Weitere Untersuchungen sind notwendig, um mögliche kausale Zusammenhänge zwischen Psyche, Bewegung und der Entstehung von Rückenschmerzen aufzuzeigen», so der Neurowissenschaftler Michael L. Meier von der Universität Zürich.

Kontakt

Berner Fachhochschule

PD Dr. Stefan Schmid
stefan.schmid@bfh.ch
T +41 31 848 37 96

Universität Zürich

PD Dr. Michael Meier
michael.meier@balgrist.ch
T +41 44 510 73 80

Rubrik: Forschung, Studium, Weiterbildung