Soziale Arbeit global – eine Themenwoche des Masters in Sozialer Arbeit

24.09.2020 Der Master in Sozialer Arbeit widmete sich eine Woche lang dem Thema «Soziale Arbeit global». Vorgestellt und diskutiert wurden internationale Theorie- und Praxisansätze und der Austausch wurde gepflegt – coronabedingt online, aber umso lebendiger.

Tobias Fritschi, Dozent der BFH, führte die Studierenden in den Capability Approach des indischen Ökonomen Amartya Sen ein. Rebekka Ehret, Dozentin der Hochschule Luzern, unterrichtete zum Thema «Annäherungen an fremde Kulturen».

Ein besonderes Highlight der Themenwoche bildeten Begegnungen mit Sozialarbeitenden in Ghana. Über MS Teams moderierte Dieter Haller, Programmleiter des Masters an der BFH, Sequenzen mit Fach- und Führungskräften sozialer Institutionen. In einer Video-Session lernten die Master-Studierenden Mitarbeitende und Klientinnen der Organisation CBR Garu aus dem Norden Ghanas kennen. Die Abkürzung «CBR» steht für Community Based Rehabilitation (Gemeindenahe Rehabilitation). Dahinter steckt ein fachlich hochstehendes Konzept der Behindertenarbeit. Zusammen mit der behinderten Person wird in deren sozialen Umfeld eine Basis für die selbständige Lebensführung aufgebaut. Entsprechend umfasst die Unterstützung therapeutische Hilfen, Ausbildungsaktivitäten, finanzielle Starthilfen und soziale Trainings.

CBR unterstützte und beriet Apusib Abugbilla im Gartenbau. Der Garten bildet heute eine wichtige Säule ihres selbständigen Lebensunterhalts.
CBR unterstützte und beriet Apusib Abugbilla im Gartenbau. Der Garten bildet heute eine wichtige Säule ihres selbständigen Lebensunterhalts.

Isaac Tiga, Leiter von CBR Garu, erklärte den breiten Ansatz seiner Institution. CBR unterstützt Menschen mit physischen Beeinträchtigungen, körperlich Behinderte und Menschen mit See-, Sprech- und Hörbeeinträchtigungen. Im gesellschaftlichen Umfeld Ghanas ohne staatliche Sozialversicherungen sind Behinderte in hohem Ausmass von Armut und in der Folge von Stigmatisierung betroffen. Im Jahr 2019 sei es CBR gelungen, den Lebensunterhalt von etwa 2'000 Menschen mit Behinderungen zu sichern. Namhafte Beiträge an die Gesundheitsversorgung von etwa 3'000 Menschen mit Behinderungen konnten geleistet werden. Das sei auch der guten Arbeit der 22 Fachleuten des Teams zu verdanken.

Ein Porträt von Isaac Tiga
Isaac Tiga ist Absolvent der Community Development-Ausbildung der University of Northern Ghana. Seit einigen Jahren leitet er CBR Garu.

Cynthia Awini widmet sich speziell dem Thema der sozialen Integration. Dabei spielt der Einbezug von Frauen mit psychischen Beeinträchtigungen in Arbeitsprozesse eine wichtige Rolle. Der im Norden Ghanas verbreitete Shea-Baum liefert dafür einen Rohstoff. Aus seinen Nüssen kann die Shea Butter extrahiert werden, ein wertvoller Rohstoff für Nahrungsmittel und Kosmetika. Der Verarbeitungsprozess von der rohen Shea-Nuss bis zur Buttermasse mit hoher Qualität ist komplex und anstrengend. Die Unterstützung der Frauen umfasst die Anleitung in der Verarbeitung und allenfalls das Coaching beim Aufbau einer eigenen kleinen Produktion. 
Cynthia Awini bezeichnet den Nutzen dieses Zweigs von CBR: Die Butter ist ein Nahrungsmittel für die Familien. Sie generiert gleichzeitig Einkommen, das für Lebensnotwendiges wie Medikamente und Schulgelder eingesetzt werden kann. Bereits konnten 410 Personen in die Shea-Butter-Produktion einbezogen werden.

Rege Diskussionen

Die Studierenden und die Fachkräfte von CBR führten Diskussionen, die auch rückblickend von beiden Seiten in hohem Ausmass geschätzt wurden.

Kerstin Thiel, BFH-Studentin im Master in Sozialer Arbeit stellte beispielsweise die Frage: «Wie ausgeglichen ist das Männer-Frauen-Verhältnis unter den Sozialarbeitenden in Ghana? Mehr männliche als weibliche Sozialarbeiter? In der westlichen Welt gibt es mehr weibliche Sozialarbeiter.»

Isaac Tiga, Leiter von CBR, antwortete: «Im Allgemeinen gibt es in Ghana mehr weibliche als männliche Sozialarbeiter, wie in der westlichen Welt. Der Hauptgrund dafür ist, dass die Bevölkerung Ghanas überwiegend Frauen zu den Arbeitssuchenden gehören. Was jedoch den CBR betrifft, so haben wir derzeit mehr Männer als Frauen, weil die Arbeit im Einsatzgebiet viel Zeit und Energie erfordert, wenn die Gemeinden mit dem Motorrad für die Arbeit besucht werden. Für die meisten weiblichen Sozialarbeiterinnen ist dies schwieriger, denn im Norden werden die Hausarbeiten hauptsächlich von Frauen erledigt: Kochen, Waschen, Kinderbetreuung, Haushalt usw. Es kommt nur selten vor, dass sich die Männer mit solchen Tätigkeiten beschäftigen. Infolgedessen ist es für die meisten Frauen schwierig, die Arbeit der CBR mit ihren häuslichen Pflichten zu verbinden. Nichtsdestotrotz schaffen es die wenigen, wie Cynthia und ihre Kolleginnen gut und es ist zu hoffen, dass sich die Situation in Zukunft ändern wird.» 

Ein Porträt von Cynthia Awini
Cynthia Awini, die an der Universität of Northern Ghana ausgebildete Gemeinwesenarbeiterin

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Rubrik: Studium