Facilitators für Partnerschaften zwischen Patient*innen und Forschenden

31.08.2022 Seit 2021 ist Patient and Public Involvement (PPI) – also der Einbezug von Patient*innen und der Öffentlichkeit – ein strategischer Schwerpunkt der Swiss Clinical Trial Organisation (SCTO). Cordula Landgraf und Tamara Kohler sind die treibenden Kräfte dahinter. Sie erklären im Interview, weshalb PPI für die klinische Forschung wichtig ist und wie sie Forschende dabei unterstützen.

Cordula Landgraf und Tamara Kohler, was bedeutet die Beteiligung von Patient*innen für Sie? 

Cordula Landgraf: Beteiligung von Patient*innen bedeutet für uns in erster Linie, dass wir Patient*innen als Partner*innen verstehen. Wir wollen Facilitators sein für Partnerschaften zwischen Patient*innen und Forschenden, die sich auf Augenhöhe begegnen.   

Weshalb ist der Einbezug von Patient*innen wichtig für die akademische klinische Forschung?  

Tamara Kohler: Weil sie Krankheiten aus Erfahrung kennen. Mediziner*innen kennen die physiologischen Vorgänge im Körper. Patient*innen wissen, was es bedeutet, mit dieser Krankheit zu leben, wie sich das auf ihr Wohlbefinden auswirkt, ihr Familienleben, ihre Arbeit, ihre Liebe, etc. Mit diesem ergänzenden Wissen gelangt man zu anderen Einschätzungen, etwa in Bezug auf die Beurteilung von Behandlungsrisiken oder die Relevanz von Symptomen. Wenn Patient*innen in klinische Studien einbezogen werden, und das gut gemacht wird, entsteht eine Lernerfahrung auf beiden Seiten.    

Cordula Landgraf: Zwei Beobachtungen haben zur Schwerpunktsetzung PPI geführt. Erstens gibt es leider nach wie vor klinische Forschung, die für Patient*innen nicht die Fragen beantwortet, die für sie wirklich von Interesse sind. Zweitens wird im Ausland schon mehr gemacht. Es gibt gute Beispiele, die zeigen: PPI funktioniert und bringt einen Mehrwert.   

Wie sieht die PPI-Initiative der SCTO konkret aus?  

Tamara Kohler: Es laufen diverse Aktivitäten. So tragen wir z.B. im Projekt PPI Mapping zusammen, welche PPI-Projekte es im Bereich der klinischen Forschung in der Schweiz bereits gibt. Das inspiriert und regt an. Die Ergebnisse sind seit April veröffentlicht. Sie sind sicher noch nicht vollständig; wir erfassen laufend weiter.   

Cordula Landgraf: Wir stehen zudem in regelmässigem Austausch mit nationalen Initiativen, um Doppelspurigkeiten zu vermeiden und Synergien zu nutzen. Wir erstellen Fact Sheets und Guidelines für Forschende. Wir haben z. B. eine Orientierung erstellt, die PPI kurz erklärt und Vor- und Nachteile erläutert. Oder eine Vergütungsrichtline zur Entschädigung von involvierten Patient*innen. Wir finden es wichtig, dass Patient*innen nicht nur ihre Auslagen, sondern auch ihre Arbeitszeit vergütet bekommen. Diese Dokumente sind frei zugänglich: https://www.scto.ch/de/patient-and-public-involvement.html  

Tamara Kohler: Aktuell sind wir gerade dabei, die Arbeitsgruppe (AG) des PPI Mapping zu erweitern und in eine Multistakeholder-PPI-Arbeitsgruppe zu überführen. Interessierte sind herzlich willkommen. Es ist auch eine nicht-aktive Beteiligung als Beobachter*in möglich. Ziel der AG ist es, weitere Vorlagen und Guidance-Dokumente auszuarbeiten.  

Cordula Landgraf: Und schliesslich sind wir daran, eine nationale Strategie zu entwickeln. Wir wollen in enger Zusammenarbeit mit allen, die an der Forschung beteiligt sind, einen schweizweiten PPI-Hub aufbauen.   

Was würden Sie Forschenden empfehlen, die Patient*innen an ihren klinischen Studien beteiligen wollen?  

Cordula Landgraf: Just do it and walk the talk! Man kann ja auch klein anfangen. Lassen Sie sich auf Neues ein, es lohnt sich.  

Und was würden Sie Patient*innen empfehlen, die sich beteiligen möchten?

Tamara Kohler: Scheuen Sie sich nicht! Ihr Input ist wichtig.  
 

Interview: Heidi Kaspar

Swiss Clinical Trial Organisation (SCTO) – Forschungsinfrastruktur von nationaler Bedeutung

Die SCTO wurde 2009 vom Schweizerischen Nationalfonds (SNF) und der Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften (SAMW) angestossen. Sie ist seit 2017 eine eigenständige Organisation. Das Ziel ist die Förderung einer patientenorientierten, wirksamen und qualitativ hochstehenden klinischen Forschung in der Schweiz. Im Zentrum steht der Austausch zwischen Forschenden aus Akademie und Industrie, Behörden, Patient*innen und der Öffentlichkeit.   
Finanzierung: Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI), SNF und nominelle Mitgliederbeiträge.  

PART Interview Newsletter Landgraf
Cordula Landgraf ist seit zwei Jahren verantwortlich für die strategische Einbindung von Stakeholdern bei der SCTO.
PART Interview Newsletter Kohler
Tamara Kohler ist seit einem Jahr als PPI Project Manager tätig.  

Sie sind an einem klinischen Forschungsprojekt mit PPI beteiligt, das auf der PPI-Map noch fehlt?

Melden Sie sich bei t.kohler@scto.ch

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