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Praxisorientiert und flexibel: Aktualisierter Leitfaden Mediation im Kindesschutz

27.08.2025 Für die Neuauflage des Leitfadens Mediation im Kindesschutz wurde die Praxis intensiv befragt. Familienmediatorin Franziska Feller war eine der einbezogenen Expert*innen. Im Gespräch mit Projektleiterin Tanja Lutz erläutert sie, wie Mediator*innen und Fachpersonen der Sozialen Arbeit vom Leitfaden profitieren.

Das Wichtigste in Kürze

  • Der viel nachgefragte Leitfaden Mediation im Kindesschutz liegt nun in einer überarbeiteten Auflage vor und profitiert vom Input praktizierender Mediator*innen.

  • Familienmediatorin Franziska Feller war eine der einbezogenen Expert*innen und erläutert, wie Mediator*innen und Fachpersonen der Sozialen Arbeit von der Neuauflage profitieren.

  • Im Gespräch mit BFH-Dozentin und Mitherausgeberin Tanja Lutz schildert sie die Situation von Mediator*innen im Kindesschutz. 

Frau Feller, Sie waren eine derjenigen, die uns zur ersten Auflage des Leitfadens Rückmeldung gegeben haben ...

Franziska Feller: Das habe ich gern gemacht, denn ich finde es für einen Leitfaden, der sich mit Mediation beschäftigt, immens wichtig, die Praxis einzubeziehen. Ich kenne die konkrete Anwendung des Leitfadens in den Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden (KESB) und Sozialdiensten gut. Daher war es mir wichtig, Rückmeldungen aus der Sicht meiner Praxis im Rahmen der KESB-Mediationen zu geben.

Wie nutzen Sie den Leitfaden im Arbeitsalltag?

Der Leitfaden ist herausgekommen, als ich bereits Mediationen im Kindesschutz durchgeführt habe. So hatte ich eher den Blick: Mache ich es eigentlich so, wie es der Leitfaden beschreibt? Es war somit eine Form der Überprüfung beziehungsweise der Bestätigung meines bisherigen Vorgehens.

Neuauflage des Leitfadens Mediation im Kindesschutz

Der 2018 erstmals erschienene Leitfaden Mediation im Kindesschutz liegt nun in einer überarbeiteten Auflage vor. Die Neubearbeitung wurde nötig, da sich in der Praxis seit der ersten Auflage viel verändert und ausdifferenziert hat. Die Neuauflage profitiert zudem vom Input praktizierender Mediator*innen.

Neu hinzugekommen ist ein Abschnitt zur Einschätzung des Eskalationsniveaus, was der systematischen Analyse der Fälle dient. So können die Beteiligten besser abschätzen, was in der vorliegenden Situation möglich ist und wann eine Mediation sinnvoll ist oder angeordnet werden muss. Auf dieser Basis wurde auch das Kapitel zur (Kontra-)Indikation überarbeitet. Zudem wurde der Teil über die Koordination zwischen den beteiligten Akteur*innen mit einem übersichtlichen Ablaufplan veranschaulicht. Die einzelnen Schritte von der Initiierung, der Auftragsklärung, der Berichterstattung bis hin zum Abschluss der Mediation werden ausführlicher beschrieben. Auch wurden die rechtlichen Grundlagen sowie die Mustervorlagen für den Begleitbrief und die Entscheide aktualisiert.

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Welche Aspekte im Leitfaden finden Sie hilfreich?

Sehr unterstützend empfinde ich die strukturierenden Informationen und die Vorgaben zu den KESB und Verfahrensregeln: rechtliche Grundlagen, Auftragsklärung, Zuständigkeiten und Ablauf. Auch wichtig finde ich den darin definierten Unterschied zwischen freiwilligen und angeordneten Mediationen der KESB. Das gebe ich jeweils gern an Kolleg*innen weiter, die sich neu mit dem Thema beschäftigen.

Wie erklären Sie eine*r neuen Kolleg*in, was der Leitfaden ist?

Für mich ist der Leitfaden eine Gebrauchsanweisung, wie eine Mediation in diesem Bereich funktioniert. Er beinhaltet ausführliches Grundlagenwissen. Das ist super, wenn man noch nie eine derartige Mediation gemacht hat. Aber auch mit Erfahrung bietet er eine gute Checkliste, um an alles zu denken. Es ersetzt ein bisschen den Austausch im Team, da wir stets als Einzelpersonen beauftragt werden.

«Für mich ist der Leitfaden eine Gebrauchsanweisung, wie eine Mediation in diesem Bereich funktioniert. Er beinhaltet ausführ­liches Grundlagenwissen.»

  • Franziska Feller Mediatorin FSM mit Spezialisierung in Familienmediation

Wie könnte der Leitfaden Sie in Zukunft noch besser unterstützen?

Verbesserungspotenzial sehe ich in der Zusammenarbeit mit der KESB: Wer informiert hier wen wann? Das Aufgleisen einer Mediation gelingt meist gut. Aber es ist recht unterschiedlich, was wir als Mediator*innen von der KESB im Verlauf der Mediation an Informationen erhalten. Nebst der langen Wartefrist zwischen der Mediationsanfrage und dem Entscheid fehlt es häufig an zusätzlichen Informationen der KESB – beispielsweise über weitere Massnahmen oder Entscheide. Eine transparentere, offenere Zusammenarbeit würde wahrscheinlich allen die Arbeit erleichtern und auch eine effizientere und effektivere Unterstützung bieten.

 

Zudem fehlt nach Abgabe des Schlussberichtes meist eine Rückmeldung der KESB, ob die Mediation nun weiterlaufen kann oder ob der Abschluss so genehmigt ist. Hier endet die Kommunikation oft abrupt, was bei den Teilnehmenden der Mediation häufig zu Irritationen führt: Dürfen sie nun weiterhin Mediationsgespräche wahrnehmen, oder werden die Abmachungen und Verbesserungen im gegenseitigen Umgang als ausreichend gut eingestuft? Können sie nun wieder eigenständig unterwegs sein?

 

Mir ist schon klar, dass das kein böser Wille ist, dass hier der Zeitmangel der Grund ist. Aber hier wird viel Potenzial verspielt, und daraus kann auch eine neue Gefährdung entstehen. Eine sinnvolle Erweiterung wäre, im Leitfaden klare Handlungsempfehlungen für die KESB zu verankern, wie sie ihrerseits eine Mediation zum Gelingen bringen können.

Können Sie das konkretisieren?

Ich möchte das veranschaulichen: Vom Antrag einer Mediation bis zum KESB-Entscheid dauert es meist sechs Monate bis zu einem Jahr. In dieser Zeit ist bei den Beteiligten meistens viel passiert, so dass es eine neue oder zumindest angepasste Auftragsklärung braucht. Dasselbe gilt nach der Abgabe des Berichtes mit einer allfälligen Empfehlung zur Weiterbegleitung. Hier bleiben neue Entscheide teils lange in der Schwebe. Ich bin überzeugt, dass sich die interdisziplinäre Zusammenarbeit verbessern würde, wenn wir uns über jährliche Austauschanlässe oder Ausbildungen persönlich kennen würden, denn der persönliche Kontakt würde die Schwelle zur gegenseitigen Kontaktaufnahme verringern.

Portrait Franziska Feller, Mediatorin FSM mit Spezialisierung in Familienmediation
Franziska Feller, Mediatorin FSM mit Spezialisierung in Familienmediation, berät die unterschiedlichsten Menschen in schwierigen Lebenslagen und wird regelmässig von der KESB mit angeordneten Mediationen und Mediationen im Kindesschutz beauftragt.

Vielen Dank. Diesen Aspekt haben wir in der Neuauflage berücksichtigt. Was kann noch verbessert werden?

Im Leitfaden könnten noch mehr Varianten von Fallverläufen aufgegriffen werden, um die Diversität der Geschichten aufzuzeigen. Der Erfolg einer Mediation ist nicht mit einem «Ja» oder «Nein» zu beantworten. Die Frage ist, ob sie die passendste Intervention darstellt. Manchmal lassen sich die Eltern sehr schnell in die Selbstverantwortung bewegen. Manchmal – insbesondere bei hocheskalierten Fällen – ist eine erste Phase des Vertrauensaufbaus nötig, bis produktiv gearbeitet werden kann.

 

Nicht selten werden die Eltern von verschiedenen Fachpersonen begleitet. Hier könnte der Leitfaden anregen, dass sich die involvierten Fachpersonen bezüglich ihrer Zuständigkeiten untereinander absprechen. Ein weiterer Punkt sind interdisziplinäre Fälle: Hier ist im Leitfaden nicht immer klar ersichtlich, wer bei fachlichen Überschneidungen zuständig ist – zum Beispiel die Beistandsperson oder die Familienbegleitung.

Gibt es noch etwas, was Sie der Neuauflage des Leitfadens mit auf den Weg geben möchten?

Ich fände es sehr wünschenswert, wenn noch mehr Personen den Leitfaden erhalten – auf Seiten der KESB und der Sozialdienste aber auch die Mediator*innen, die in diesem Bereich tätig sind. Auf jeden Fall ein grosses Merci, dass ich dem Leitfaden – der schon enorm viel leistet – mit meinem Input nochmals einen Feinschliff geben durfte. 

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