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KI an der Hochschule: Zwischen Ethik, Datenschutz und Experimentierfreude

23.09.2025 Im September trafen sich BFH-Dozierende in Bern zum Tag der Lehre. Mit Gastreferent und KI-Experte Jeppe Stricker tauschten sie sich über die Zukunft der Lehre in Zeiten von künstlicher Intelligenz (KI) aus.

Das Wichtigste in Kürze

  • Jeppe Stricker berät Bildungsinstitutionen in Bezug auf den Umgang mit künstlicher Intelligenz. 

  • Am Tag der Lehre wirft er die Frage auf, wie die Lehre der Zukunft auszusehen habe. 

  • Sein Verdikt: Die Art wie Prüfungen traditionellerweise abgelegt werden, wird durch KI in Frage gestellt.  

  • Bildungsanbieter könnten sich KI sowohl normativ als auch bewusst experimentell annähern. 

Der Keynote-Speaker des Tags der Lehre 2025 begann seinen Auftritt mit der aus seiner Sicht alles entscheidenden Frage: «Wie soll das Klassenzimmer der Zukunft aussehen»? Der Experte für künstliche Intelligenz im Bildungskontext zeigt ein Bild eines historischen Klassenzimmers in Dänemark, die Schüler an kleinen Pulten in Reih und Glied, der Lehrer den Raum im Stehen dominierend. 

Über den Tag der Lehre

Der Tag der Lehre ist das Jahrestreffen der Lehre an der BFH (ehemals «Rendez-vous Lehre» und «E-Learning Tag»). Am Tag der Lehre tauschen sich die Dozierenden der BFH zu Trends und Best Practices in der zeitgenössischen Lehrpraxis aus.

Er wird vom Vizerektorat Lehre organisiert und findet alternierend in Bern oder Biel statt. 2025 stand das strategische Themenfeld «Humane Digitale Transformation» im Zentrum der Veranstaltung.

Dabei geht seine Frage weit über Wandtafel, Beamer und die Anordnung der Tische im Schulzimmer hinaus. Der Kontrast sei überzeichnet, aber viele Bildungsinstitutionen seien vom Grundprinzip noch immer diesem Schulzimmer verpflichtet. Zentrale Lehrpersonen, statische, oft gedruckte Lernmaterialien und vor allem schriftliche Prüfungen und Abschlussarbeiten, seien heute noch immer Gang und Gäbe.  

KI macht Prüfen zur Knacknuss

Generative künstliche Intelligenz (genAI), die von Studierenden genutzt werden kann, um Abschlussarbeiten oder Prüfungsantworten für sie zu erstellen, stellt eben diese Art von Kompetenznachweisen in Frage. Denn was sagt eine mit KI generierte Antwort über die Fähigkeiten und Skills einer Studierenden aus?

Gängige Leistungsnachweise bilden einen Gegensatz zu modernen Tools wie ChatGPT.

  • Jeppe Stricker KI-Experte

«Gängige Leistungsnachweise bilden einen Gegensatz zu modernen Tools wie ChatGPT», fasst Jeppe Stricker zusammen. Hier hätten Bildungsinstitutionen Nachholbedarf. Er schlägt vor über Portfolio- und prozessbasierte Wege nachzudenken, um die Kompetenzen und Fähigkeiten der Studierenden zu beurteilen.

Gleichzeitig zeigt er Verständnis dafür, dass Hochschulen die altbewährten Prüfungsformate nur zögernd anpassen. Wer in der Hochschulbildung an einer Stellschraube drehe, müsse unweigerlich auch an anderen Orten – zum Beispiel in der Art und Weise wie unterrichtet wird oder wie Curricula insgesamt aufgebaut sind – Anpassungen vornehmen.

KI hat Nachholbedarf

Weiter, und da wird Stricker sehr deutlich, liegt bei KI zumindest aktuell noch einiges im Argen. Er zeigt Beispiele von KI-generierten Videos und Bildern, mit denen kommerzielle Anbieter belegen wollen, wie gut ihre Tools funktionieren. Dass diese Hochglanz-Outputs mit grossem (menschlichen) Aufwand nachbearbeitet wurden, rückt die Anbieter in ein schlechtes Licht und stellt in Frage wie nützlich die angepriesenen Tools tatsächlich sind.

Wie also können wir eine Technologie ethisch einsetzen, die nicht ethisch ist?

  • Jeppe Stricker KI-Experte

Auch hinter die Art und Weise, wie KI-Anbieter mit Daten umgehen, setzt Stricker ein Fragezeichen. Datenschutzgesetze und interne Weisungen würden sehr nachlässig gehandhabt. In Bezug auf den ökologischen Impact von KI-Tools, dem KI-Anbieter oft mit Greenwashing begegnen, steht Stricker kritisch gegenüber.

Er stellt mit Fengchun Miao, der bei der UNESCO KI in der Bildung vorantreibt, die Frage: «Wie also können wir eine Technologie ethisch einsetzen, die nicht ethisch ist?» Eine klare Antwort darauf bleibt Stricker den anwesenden Dozierenden schuldig. Dass KI den Bildungssektor prägen wird und bereits prägt, scheint aber unausweichlich.  

Konzepte, Sandkasten und kleine Schritte

Deshalb scheint nicht die Frage, ob man KI in der Lehre einsetzen will zentral, sondern eben jene, die Stricker ganz am Anfang seines Referats gestellt hat: Wie soll die Lehre der Zukunft denn aussehen?

Einerseits seien sicher Weisungen und KI-Policies ein guter erster Schritt hin zu dieser Lehre der Zukunft. Es sei aber wichtig, dass man vom «Sprechen über KI» ins «Machen mit KI» komme. Nur in der Anwendung könne man die oft eher vagen KI-Policies konkretisieren und so wirkungsvoll umsetzen.

Für viele Institutionen ist es sehr schwierig mit KI zu starten.

  • Jeppe Stricker KI-Experte

«Für viele Institutionen ist es sehr schwierig mit KI zu starten», fügt Stricker bei. Deshalb müssen man neben der Konzeptarbeit auch Räume schaffen, um im geschützten Rahmen KI auszuprobieren. Dabei müsse es nicht gleich am Anfang um eigene KIs für die Institution gehen. Vielmehr solle man Lehrpersonen erlauben, und sie dazu ermutigen, erste kleine Schritte in abgeschirmten sicheren Umgebungen zu machen, um sich und ihre Lehre dem KI-Zeitalter anzunähern.

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