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«Digitale Transformation bringt Veränderungen in Prozessen, in der Kultur und im Denken mit sich»
19.12.2025 Der Kanton Aargau hat im Januar 2025 eine Fachstelle für Digitale Transformation ins Leben gerufen, die aktuell eine neue Dachstrategie für den Kanton Aargau erarbeitet. Im Gespräch mit Marco Bürli und Oliver Bettrich von der Informatik Aargau werfen wir einen Blick hinter die Kulissen.
Das Wichtigste in Kürze
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Mit dem Programm «SmartAargau» förderte der Kanton Aargau seit 2018 Digitalisierungsvorhaben mit der Entwicklung von digitalen Dienstleistungen und der Verbesserung von Prozessen innerhalb der Kantonsverwaltung.
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Mit dem «Smart Service Portal» bietet der Kanton seit 2022 eine effiziente und zukunftsorientierte Dienstleistungsplattform an.
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2025 lancierte der Kanton Aargau die Fachstelle für Digitale Transformation.
Der Kanton Aargau gilt als Vorreiter in Sachen Digitalisierung und geniesst viel mediale Präsenz – insbesondere wegen der Errichtung der Fachstelle für Digitale Transformation und dem internen ChatGPT-Zugang für alle Mitarbeitenden der aargauischen Verwaltungseinheiten auf Kantonsebene. Wir sprechen mit Marco Bürli und Oliver Bettrich über ihre tägliche Arbeit und die neue «Dachstrategie Digitale Transformation».
Oliver, als ihr im Januar 2025 die Fachstelle für digitale Transformation ins Leben gerufen habt, habt ihr in den Medien viel positives Echo erhalten. Was hat euch dabei persönlich am meisten gefreut?
Oliver: Stolz machen mich zwei Punkte: Zum einen die öffentliche Wahrnehmung und Würdigung der bisherigen Anstrengung und Leistung, die der Kanton Aargau bezüglich der Digitalen Transformation an den Tag gelegt hat. Seit vielen Jahren treibt der Kanton die Digitalisierung in der Verwaltung aktiv voran. Mit dem Programm SmartAargau, dem Smart Service Portal und der engen Zusammenarbeit mit unseren Gemeinden sind die Weichen für eine moderne und zukunftsorientierte Verwaltung gestellt. Zum anderen ruhen wir uns nicht aus. Es bleibt auch weiterhin eine anspruchsvolle Aufgabe, die digitale Verwaltung fortlaufend weiterzuentwickeln. Sie kann nur im engen Schulterschluss mit allen Anspruchsgruppen erfolgreich gelingen. Der Aufbau der Fachstelle Digitale Transformation ist der nächste logische Schritt, um die noch stärkere bereichsübergreifende und zielgerichtete Zusammenarbeit zu unterstützen.
Fachstelle Digitale Transformation und SmartAargau
Smart Aargau war bis zur Gründung der Fachstelle Digitale Transformation die Digitalisierungs- und Innovationsstrategie des Kantons Aargau mit dem Ziel, unter dem Motto «vereinfachen – vernetzen – verbessern» Behördengänge zu digitalisieren, die Daten- und Netzinfrastruktur auszubauen und die digitale Entwicklung in Wirtschaft, Forschung und Gesellschaft zu fördern.
Die Fachstelle Digitale Transformation erarbeitet aktuell eine neue Dachstrategie für den Kanton Aargau. Diese ist eng synchronisiert mit der Fachstrategie Informatik. Kannst du uns mehr darüber erzählen?
Oliver: Die neue Strategie Digitale Transformation schafft die Grundlage dafür, dass Digitalisierung bereichsübergreifend und mit einer klaren Zielsetzung in der kantonalen Verwaltung vorangetrieben und umgesetzt wird. Digitale Transformation ist mehr als nur die Einführung neuer IT-Systeme oder Computerprogramme. Sie bedeutet einen fortlaufenden Wandel: Digitale Transformation bringt Veränderungen in Prozessen, in der Kultur und im Denken mit sich. Dieses grundlegende Verständnis muss sich verankern. Digitalisierung braucht aber auch eine Informatik, die sich als Transformationspartner versteht. Deshalb war es uns wichtig, dass die beiden Strategien die gleiche Sprache verwenden und in die gleiche Richtung ziehen. Zum Beispiel gibt es keinen Zweifel, dass wir eine gemeinsame Ambition «Vereinfachen» vom Kunden und Anwender digitaler Services bis runter in die Tiefen der IT-Infrastruktur denken müssen. Nur so schaffen wir Mehrwert für die kantonale Verwaltung, für Einwohnende sowie für unsere Wirtschaft.
Dies klingt nach einem grossen Evolutionsschritt. Inwiefern sind der Prozess und die Zielsetzung auch für andere Kantone interessant? Und was können andere Kantone von euch abschauen?
Oliver: Häufig sehen sich IT und Digitale Transformation als konkurrenzierende Disziplinen in Organisationen. Sie sind auch oft organisatorisch getrennt, sind nicht aufeinander abgestimmt und sprechen unterschiedliche Sprachen. Das hilft der Gesamtorganisation nicht, wird den Zielen der Transformation nicht gerecht und verwirrt die Mitarbeitenden. Digitale Transformation muss unter anderem Silodenken und -verhalten auflösen. Das gelingt viel besser, wenn bereits auf strategischer Ebene der Schulterschluss zwischen Informatik und digitaler Transformation eindeutig ist und eine klare Orientierung bietet.
Mit SmartAargau, dem Smart Service Portal, und der engen Zusammenarbeit mit unseren Gemeinden sind die Weichen für eine moderne und zukunftsorientierte Verwaltung gestellt.
Welche Gefässe pflegt ihr für den Erfahrungsaustausch und die Zusammenarbeit zwischen den Verwaltungseinheiten?
Oliver: Neu seit Anfang 2025 ist nicht nur die Fachstelle Digitale Transformation, die sich insbesondere mit Fragestellungen zu departementsübergreifenden und kantonsweiten Themen und Aufgaben im Bereich der digitalen Transformation beschäftigt. Parallel dazu entstand für die Vernetzung und Abstimmung unter den Verwaltungseinheiten eine interdepartementale Konferenz für die Digitale Transformation (KDT). Die KDT setzt sich aus Digitalisierungsverantwortlichen der fünf Departemente, der Staatskanzlei sowie einer Vertretung der Gerichte Kanton Aargau und von Statistik Aargau zusammen. Den Vorsitz habe ich. Bereits im ersten Jahr konnten wir schon viel gemeinsam erreichen. Wir haben die neue Strategie inklusive eines ersten Massnahmenplans entwickelt und mit dessen Umsetzung begonnen.
Wo siehst du hier noch Potenzial, Oliver?
Oliver: Potenzial gibt es noch in der Skalierung und Durchdringung von departementsübergreifend zur Verfügung stehenden Lösungen und Services zur Digitalisierung. Hier strukturell einen Schritt weiterzukommen, nehmen wir uns als nächstes vor. Da tauschen wir uns auch immer wieder mit anderen Kantonen, aber vor allem über unsere Fachstelle Smart Services Aargau mit unseren Digitalisierungspartnern der Gemeinden aus. Wir können gegenseitig viel lernen und da steckt noch ein riesiges Synergiepotenzial. Auch hier ist die enge Zusammenarbeit mit der Informatik Aargau von grosser Bedeutung. Es stehen viele innovative Technologien bereit, diese gilt es zu verstehen und gemeinsam nutzenstiftend einzusetzen.
AargauGPT wurde speziell für die kantonale Verwaltung entwickelt und ermöglicht die sichere Verarbeitung von Daten der Klassifikationen C1 (öffentlich), C2 (intern) und C3 (vertraulich).
Ihr habt für die Verwaltungsmitarbeitenden einen internen ChatGPT-Zugang eingerichtet, um die Nutzung von KI zu ermöglichen, ohne dabei Sicherheitsrisiken einzugehen. Die Medien hatten viel darüber berichtet. Uns interessiert ein Blick hinter die Kulissen. Marco, wie wurde der Umgang mit ChatGPT in der Verwaltung vorher gehandhabt? Warum wurde die Einrichtung eines sicheren ChatGPT Zugangs als dringend empfunden?
Marco: Künstliche Intelligenz ist aus der modernen Arbeitswelt nicht mehr wegzudenken. KI-Plattformen wie ChatGPT, Perplexity, Gemini etc. sind nützliche Werkzeuge, aber aus Datenschutzgründen dürfen dort keine vertraulichen oder internen Informationen bearbeitet werden. Aus diesem Grund sind externe KI-Plattformen für viele Arbeiten im beruflichen Alltag der kantonalen Verwaltung nicht geeignet. Um den Anforderungen rund um Datenschutz und Informationssicherheit gerecht zu werden, verfügt der Kanton Aargau seit September 2025 mit AargauGPT über einen eigenen sogenannten KI-basierten Sprachassistenten. AargauGPT wurde speziell für die kantonale Verwaltung entwickelt und ermöglicht die sichere Verarbeitung von Daten der Klassifikationen C1 (öffentlich), C2 (intern) und C3 (vertraulich).
Das klingt vielversprechend. Wie genau funktioniert AargauGPT?
Marco: Datenschutz und Sicherheit stehen an oberster Stelle: AargauGPT speichert die Chats ausschliesslich im persönlichen, geschützten Benutzerbereich. Nur der jeweilige Benutzer respektive die Benutzerin hat auf die Unterhaltungen Zugriff. Die Plattform überwacht keine Nutzeraktivitäten und es werden keine Inhalte für Trainingszwecke oder zur Weitergabe ausgewertet. Vertrauliche Informationen bleiben jederzeit innerhalb der kontrollierten, kantonalen IT-Infrastruktur. Externe KI-Plattformen wie bspw. ChatGPT können nach wie vor aufgerufen werden. Dabei dürfen aber ausschliesslich öffentliche Daten (C1) verwendet werden.
Und wie haben eure Mitarbeitenden darauf reagiert?
Marco: Die Einführung von AargauGPT stiess auf viele positive Reaktionen. Der Aargau zeigt damit, wie moderne Verwaltung heute funktionieren kann: technologisch stark und gleichzeitig nah an den Bedürfnissen der Menschen. Bis zu 500 User pro Tag nutzen AargauGPT und im Dezember wurden die Large-Language-Modelle (LLM) bereits ein erstes Mal aktualisiert – so sind wir wieder topaktuell und stehen den Angeboten im Internet mit nichts nach.
Um den Nutzen der KI Schritt für Schritt zu steigern, wurde ein auf die Bedürfnisse der Mitarbeitenden abgestimmtes Onboarding entwickelt – inklusive verständlicher Informationen, kompakter Lernvideos und eines praxisorientierten Weiterbildungsangebots. Der Andrang ist gross: Die Kurse 2026 sind restlos ausgebucht und die Warteliste wächst.
Kommen wir an dieser Stelle noch auf unsere Zusammenarbeit zu sprechen: Welchen Nutzen konntet ihr aus der Partnerschaft mit dem IPST schöpfen und wo seht ihr künftige Anknüpfungspunkte von eurer Tätigkeit bei der Verwaltung zur Forschung?
Marco: Im Idealfall arbeiten Forschung, Wirtschaft und Verwaltung Hand in Hand. Denn echte Innovation entsteht dort, wo technologische Grundlagen, praktische Anwendung und gesellschaftlicher Wandel zusammenspielen. Auch wir als Verwaltung sind ein wichtiger Teil dieses Ökosystems. Sowohl die Informatik Aargau als auch das IPST verfolgen das Ziel, diesen Wandel aktiv mitzugestalten. Unsere Partnerschaft ermöglicht es beiden Institutionen, ihre jeweiligen Stärken einzubringen und durch Austausch sowie gemeinsame Projekte einen wirkungsvollen Wissenstransfer zu erzielen.
So konnten Vertreter des Kantons Aargau bzw. der Informatik Aargau wie Syrian Hadad (CTO), Juan Pereto (IT-Bildung), Raphael Gehri (HR-Aargau) oder Marco Bürli (Leiter Projektmanagement) an Veranstaltungen referieren, an Podien auftreten, am Career Day mitwirken oder Beiträge in Fachpublikationen leisten. Diese Sichtbarkeit hat zahlreiche Rückmeldungen und Kontakte ausgelöst, die zu konkreten Anwendungsbeispielen und Kooperationsvorhaben im Government-Umfeld geführt haben.
Gleichzeitig hat die BFH bzw. das IPST bereits spezifische Aufträge für den Kanton übernommen, unter anderem Validierungen im wissenschaftlich-technischen Bereich. Dadurch werden Praxisfragen aus der Verwaltung mit fundierten Forschungs- und Methodenkompetenzen verbunden, was die Qualität der Entscheidungen steigert und der Partnerschaft einen praktischen Wert gibt.
Unsere beiden Institutionen verfolgen unter anderem das gemeinsame Ziel, die Wirksamkeit und Qualität von IT-Vorhaben in der öffentlichen Verwaltung zu erhöhen, die Governance zu stärken und Innovationen nutzbar zu machen. Durch den systematischen Austausch von Erfahrungen, den Zugang zu Kontakten, die Nutzung von Forschungsergebnissen in der Praxis sowie den konkreten gemeinsamen Austausch werden Synergien genutzt und ein Transfer zwischen Wissenschaft und Verwaltung ermöglicht.
Und zum Schluss noch eine leicht politisch angehauchte Frage: Welche Weichen müssen eurer Meinung nach heute gestellt werden, um eine vertrauenswürdige digitale Zukunft über die Gemeinde- und Kantonsgrenzen hinweg zu ermöglichen?
Oliver: Wie schon eingangs gesagt: Digitale Transformation durchdringt alle Ebenen der Organisation und muss über abteilungs-, departements- und föderale Grenzen hinweg gedacht und gelebt werden. Sie muss langfristig eine umfassende, interdisziplinäre Verwaltungsmodernisierung zur Folge haben. Alle Ebenen sind gefordert und nur eine gute Zusammenarbeit unterstützt den Wandel. Die bereits seit vielen Jahren etablierte Zusammenarbeit zwischen Kanton und Gemeinden im Rahmen von Smart Services Aargau ist ein super Beispiel und sollte unbedingt noch weiter intensiviert werden.
Vielen Dank für das Gespräch!
Marco Bürli ist Leiter Projektmanagement und Mitglied der Geschäftsleitung bei der Informatik Aargau. Er verantwortet die Führung und Mitarbeit der Informatik Aargau an über 80 Infrastruktur-, Fach- und Digitalisierungsprojekten und ist für die Governance, den Prozess und die Methodik für die Abwicklung von IT-Projekten im Kanton Aargau zuständig. Als Business Service Owner und Product Owner sorgt er dafür, dass die technischen Grundlagen das Projektportfolio- und IT-Projektmanagement optimal unterstützen und kontinuierlich weiterentwickelt werden.
Oliver Bettrich ist CDO und Leiter der Fachstelle Digitale Transformation bei der Informatik Aargau. Er koordiniert und leitet die Weiterentwicklung der Vision, Strategie und operative Umsetzung der Digitalen Transformation im Kanton Aargau. Als Delegierter des Kantons Aargau fungiert er als Schnittstelle zur Digitalen Verwaltung Schweiz (DVS) und vertritt den Kanton als Mitglied und Ansprechperson für interkantonale und Bundesgremien zur Digitalen Transformation.
Kanton Aargau
Der Kanton Aargau ist seit 2009 Partner des Instituts Public Sector Transformation (IPST).