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Rat für Armutsfragen. Wenn Menschen mit Armutserfahrung Politik mitgestalten

15.12.2025 Vor einem Jahr hat der Bundesrat beschlossen, ein Pilotprojekt zum «Rat für Armutsfragen» umzusetzen – ein partizipatives Gremium, das im Rahmen eines BFH-Forschungsprojekts entwickelt wurde. Wo steht das Projekt heute und was könnte es langfristig bewirken? Wir haben mit Projektleiterin Emanuela Chiapparini gesprochen.

Das Wichtigste in Kürze

  • Der neue Rat für Armutsfragen ermöglicht es Menschen mit Armutserfahrung, ihre Perspektiven direkt in politische Entscheidungsprozesse einzubringen.

  • Politische Entscheidungsträger*innen erhalten die Möglichkeit, sich von armutserfahrenen Menschen beraten zu lassen.

  • Der Rat verbindet Wissenschaft, Erfahrung und Politik auf eine neue Art.

Emanuela Chiapparini, der Rat für Armutsfragen klingt nach Pionierarbeit. 

Emanuela Chiapparini: Der Rat für Armutsfragen ist tatsächlich ein sehr ambitioniertes Vorhaben. Die Idee dahinter ist, die Perspektive von Menschen mit Armutserfahrung direkt in politische Entscheidungsprozesse einzubringen. Gleichzeitig erhalten politische Entscheidungsträger*innen die Möglichkeit, sich von armutserfahrenen Menschen beraten zu lassen.

 

Ein solcher Rat entsteht aber nicht über Nacht. Unsere Rolle als BFH-Forschungsteam war es, gemeinsam mit armutserfahrenen Menschen und Fachpersonen ein tragfähiges Konzept zu entwickeln. Dies taten wir im Auftrag des Bundesamts für Sozialversicherungen (BSV) gemeinsam mit der Hochschule für Soziale Arbeit Freiburg. Dieses Konzept bildet nun die Grundlage für die praktische Umsetzung des Rats.

Was bisher geschah

Die BFH erhielt bereits 2020 den Auftrag des Bundesamts für Sozialversicherung (BSV), Handlungsbereiche zu definieren, um armutsbetroffene und gefährdete Personen in der Armutspolitik der Schweiz zu beteiligen. Daraus entwickelten wir im Jahr darauf einen anwendungsfreundlichen Praxisleitfaden, um konkrete Projekte partizipativ umsetzen zu können.

Um die Beteiligung für zukünftige Projekte zu sichern, beauftragte das BSV die BFH, eine ständige Beteiligungsstruktur zu konzipieren. So begleiteten wir gemeinsam mit der Haut-Ecole de Travail Social (HETS-FR) den Entwicklungsprozess mit über 50 armutsbetroffenen und -gefährdeten Personen aus der französisch- und deutschsprachigen Schweiz. Rund 14 Fachpersonen aus der Sozialen Arbeit, Wirtschaft und Politik und aus der kommunalen, kantonalen und nationalen Ebene wirkten beratend mit. So entstand das Konzept für den «Rat für Armutsfragen in der Schweiz».

Warum ist dieses Projekt so wichtig?

Der Rat für Armutsfragen steht für das Artikulieren kollektiver Anliegen, für Zusammenarbeit und für einen Perspektivenwechsel. Weg von einer Politik über betroffene Menschen, hin zu Politik mit betroffenen Menschen. Er verbindet Wissenschaft, Erfahrung und Politik auf eine neue Art. Und genau darin liegt sein grosses gesellschaftliches Potenzial.

Ich wünsche mir vor allem, dass es selbstverständlich wird, die Stimme von armutsbetroffenen Menschen aktiv einzuholen und in politische Entscheidungen einzubeziehen – nicht erst im Nachhinein, sondern von Anfang an.

  • Emanuela Chiapparini Dozentin und Projektleiterin

Wo steht der Rat für Armutsfragen heute?

Aktuell läuft das Bewerbungsverfahren für die erste Zusammensetzung des Rates. Ich selbst begleite den Fortschritt des Rats als Mitglied der Koordinierungsgruppe. Im Frühling 2026 werden dann acht bis zwölf armutserfahrene Personen und rund fünf Fachpersonen ihre Arbeit aufnehmen. 

Jetzt bewerben: Mitmachen im Rat für Armutsfragen

Bis am 31. Januar 2026 können sich
•    Armutsbetroffene und -gefährdete Personen und
•    Fachpersonen
für den Rat bewerben.

Alle Informationen zur Kandidatur finden sich hier.

kurze, prägnante Zusammenfassung, was auf dem Bild zu sehen ist und das Linkziel, falls Bild verlinkt ist.
Forschungsprojektleiterin Prof. Dr. Emanuela Chiapparini; Bild: Oliver Slappnig

Was wünschen Sie sich langfristig für den Rat?

Ich wünsche mir vor allem, dass es selbstverständlich wird, die Stimme von armutsbetroffenen Menschen aktiv einzuholen und in politische Entscheidungen einzubeziehen – nicht erst im Nachhinein, sondern von Anfang an. Die Vorschläge des Rates sollen im politischen Diskurs sichtbar werden, von den verschiedenen Akteur*innen aufgenommen und weitergetragen werden. Dann entwickelt sich der Rat zu einem festen Bestandteil einer zukünftigen Schweizer Armutsstrategie.

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