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Virtuell einkaufen, real lernen

25.11.2025 Wie können wir nachhaltigen und gesunden Lebensmittelkonsum erleben und gar lernen? Im Virtual-Reality-Game «Sustain-a-Bite Bistro», das die BFH-HAFL mitentwickelt, zählt jeder Kauf.

Das Wichtigste in Kürze

  • Das VR-Game «Sustain-a-Bite Bistro» der BFH-HAFL und der EHB macht erlebbar, wie Lebensmittelauswahl Umwelt, Wirtschaft, Gesellschaft und Gesundheit beeinflusst.

  • Spielerinnen und Spieler treffen Einkaufs- und Menüentscheidungen und sehen deren Nachhaltigkeitswirkung direkt im Spiel.

  • Bis 2026 soll das Spiel alle Nachhaltigkeitsdimensionen abbilden und in mehreren Sprachen verfügbar sein. Das Projekt zeigt, wie Bildung für nachhaltige Entwicklung künftig aussehen kann: interaktiv, praxisnah und vollständig immersiv.

Langsam senkt sich die Virtual-Reality-Brille über die Augen – und eröffnet den Blick auf den Supermarkteingang von «Greencity», einer Stadt der Zukunft, in der Nachhaltigkeit grossgeschrieben wird. Auch wenn diese neue Welt verblüffend echt wirkt, ist das Gefühl beim Blick durch die Brille zunächst ungewohnt – fast wie bei einem leichten Schwips.

Ganz normal, sagt Matthias Meier, Dozent für nachhaltige Lebensmittelwirtschaft an der BFH-HAFL. Er ist im Projekt Sustain-a-Bite Bistro für die Nachhaltigkeitsbewertung verantwortlich, verfolgt auf seinem Bildschirm, was die Spielenden erleben, und kann sie so auf ihrer virtuellen Reise begleiten.

Zu Beginn stehen drei Menügänge zur Auswahl: Vorspeise, Hauptgang, Dessert. Ein Gang wird gespielt, für wählt werden. In der Rolle als Küchenchef*in Cleo gilt es zu entscheiden: Burger aus konventionellem Rindfleisch oder pflanzliche Bio-Alternative? Je nach Wahl verändert sich der Spielverlauf. Anschliessend geht es zum Einkaufen: Statt mit dem Wagen durch die Gänge zu gehen, teleportieren sich die Teilnehmenden von Regal zu Regal, greifen Produkte mit dem Joystick und legen sie mit einer Handbewegung in ihren digitalen Korb. So dauert das Einkaufen in Greencity – anders als im realen Leben – nur wenige Minuten.

Mitten im Supermarkt von Greencity – dank VR-Brille.
Mitten im Supermarkt von Greencity – dank VR-Brille.

Lernen mit allen Sinnen

Greencity existiert tatsächlich – als virtuelles Lernlabor. Das Spiel Sustain-a-Bite Bistro wird von der BFH-HAFL gemeinsam mit der Eidgenössischen Hochschule für Berufsbildung (EHB) entwickelt und von BeLEARN, dem Kompetenzzentrum für Digitalisierung in der Bildung, finanziert. Ziel ist es, Studierenden oder Lernenden erlebbar zu machen, wie ihre Lebensmittelauswahl Umwelt, Gesellschaft, Wirtschaft und Gesundheit beeinflusst – und sie zu bewussteren Entscheidungen zu befähigen.

Im Spiel schlüpfen sie in die Rolle einer Küchenchefin oder eines Küchenchefs und müssen drei Testpersonen mit einem Menü überzeugen. Die Herausforderung liegt nicht nur im Geschmack: Jede Zutat beeinflusst das Nachhaltigkeitsbarometer, das ökologische, ökonomische, soziale und gesundheitliche Kriterien abbildet. An der virtuellen Supermarktkasse erscheint schliesslich das

Feedback der Testpersonen – mit Lob für nachhaltige und Hinweisen zu weniger nachhaltigen Entscheidungen. «Im Prototyp wird derzeit erst der Klima-Fussabdruck bewertet», erklärt Meier. «Im weiteren Verlauf kommen zusätzliche Umweltaspekte sowie soziale Nachhaltigkeit, Wirtschaftlichkeit und Gesundheit hinzu, um alle Dimensionen zu berücksichtigen.»

Wir wollen wissen, ob das Spiel zu neuen Überlegungen anregt.

  • Matthias Meier Dozent für nachhaltige Lebensmittelwirtschaft

Didaktisch durchdacht

Studierende des Bachelorstudiengangs Food Science & Management FSM an der BFH-HAFL testen den Prototyp in einer ersten Pilotphase.

Dabei geht es nicht nur um technische Fragen – etwa, ob die Steuerung funktioniert oder die Aufgaben klar formuliert sind –, sondern auch um die pädagogische Wirkung. «Wir wollen wissen, ob das Spiel zu neuen Überlegungen anregt», sagt Meier. «Ändert sich die Wahrnehmung von Nachhaltigkeit? Führt das virtuelle Erlebnis dazu, dass Studierende ihre Konsumentscheidungen hinterfragen?»

Gespielt wird in Zweierteams: Eine Person wählt Produkte aus, die andere beobachtet, gibt Feedback, Entscheidungen werden diskutiert. Dieses dialogische Lernen fördert den Austausch und hilft, das Erlebte zu reflektieren. Damit die Spielerfahrung nicht zu intensiv wird, dauert eine Sequenz höchstens zehn Minuten. So lässt sich das Risiko von VR-Sickness – also Unwohlsein oder Übelkeit durch Reizung des Gleichgewichtsorgans – minimieren, ohne den Lerneffekt zu schmälern.

 Matthias Meier legt Wert darauf, dass seine Studierenden mit allen Sinnen lernen – etwa im virtuellen Supermarkt von Greencity.
Matthias Meier legt Wert darauf, dass seine Studierenden mit allen Sinnen lernen – etwa im virtuellen Supermarkt von Greencity.

Wenn Lernen zur Erfahrung wird

«Lernende werden nicht nur mit Fakten konfrontiert, sondern erleben die Konsequenzen ihres Handelns direkt – sie tauchen vollständig in die virtuelle Welt ein», sagt Meier. Fachleute sprechen von einem «immersiven» Erlebnis, also dem Gefühl, wirklich Teil der digitalen Umgebung zu sein. «Diese Art des Erfahrungslernens kann zu einem besseren Lernerfolg führen als klassische Unterrichtsformen», so Meier.

Während die BFH-HAFL die Inhalte zu Nachhaltigkeit und Gesundheit gestaltet, ist die EHB für das pädagogische Szenario und die virtuelle Umgebung zuständig. Wichtig sei, dass das Spiel in ein didaktisches Konzept eingebettet ist, betont Meier. Wenn Themen wie planetare Grenzen und Nachhaltigkeit im Unterricht vor- und nachbearbeitet werden, eigne sich das Spiel sowohl für den Berufsschulunterricht als auch für Bachelor-Studiengänge. Eine begleitende Studie soll anhand von Vorher-Nachher-Befragungen messen, wie stark sich die Einstellungen der Lernenden verändern – etwa, ob sie eher bereit sind, klimafreundliche Produkte zu wählen oder über den sozialen Kontext von Lebensmitteln nachzudenken.

Lernende werden nicht nur mit Fakten konfrontiert, sondern erleben die Konsequenzen ihres Handelns direkt.

  • Matthias Meier Dozent für nachhaltige Lebensmittelwirtschaft

Ein Blick in die Zukunft

Bis Ende 2025 soll die ökologische Nachhaltigkeit im Spiel vollständig abgebildet sein, bis Herbst 2026 die Version mit sämtlichen Nachhaltigkeitsdimensionen – auch als Desktop-Variante. Geplant sind zudem Übersetzungen in mehrere Sprachen. Was heute noch als digitales Experiment gilt, zeigt, wie Bildung für nachhaltige Entwicklung künftig aussehen könnte: interaktiv, vernetzt – und immersiv.

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Fachgebiet: Agronomie + Wald