Feldforschung in Tansania

21.11.2023 HAFL-Student Maël Wüthrich und seine Frau Wendy stellen Bauern in Tansania ein neues Pflückwerkzeug zur schonenden Avocado-Ernte vor und fahren dafür quer durchs Land. Ein Bericht von Maël Wüthrich.

Mit einem speziellen Pflückwerkzeug können die Avocados schonend geerntet werden. (Bild: Maël Wüthrich)
Mit einem speziellen Pflückwerkzeug können die Avocados schonend geerntet werden. (Bild: Maël Wüthrich)


Tansania ist bekannt für seine Savanne voller Wildtiere, den Kilimandscharo und die weissen Strände Sansibars. Weniger bekannt ist, dass zwei Drittel der 60-Millionen-Bevölkerung in der Landwirtschaft tätig sind; Tansania ist vor allem ein Agrarland. Insbesondere die Hochebenen, die im Norden und Südwesten des Landes liegen und von fruchtbaren Böden profitieren, sind die Kornkammern des Landes. Ihre Produktion ernährt weit über Tansanias Grenzen hinaus Menschen.

Da tansanische Kleinbauern oft keinen Zugang zu Kunstdüngern haben und demnach traditionelle Methoden einsetzen, produzieren viele Bauern «biologisch». Sie können aber nicht von höheren Preisen profitieren, weil keine entsprechende Möglichkeit zur Zertifizierung besteht. Im Rahmen meiner Arbeit im Projekt versuche ich, mir einen Überblick über den Biosektor in der Region zu verschaffen, inklusive der Kenntnisse und Praktiken von Kleinbauern bezüglich der biologischen Landwirtschaft.

Avocado ist eine wichtige Kultur für die Region rund um Mbeya. Neben dem lokalen Konsum wird die Frucht hauptsächlich nach Europa, Indien und Südafrika exportiert. Obwohl der weltweite Avocadomarkt stetig wächst, profitieren die Kleinbauern in Tansania nur mässig davon.

  • Maël Wüthrich Bachelorstudent

Grünes Gold am Baum

Avocado ist eine wichtige Kultur für die Region rund um Mbeya. Neben dem lokalen Konsum wird die Frucht hauptsächlich nach Europa, Indien und Südafrika exportiert. Obwohl der weltweite Avocadomarkt stetig wächst, profitieren die Kleinbauern in Tansania nur mässig davon.

Zu selten ist ein guter Zugang zum Markt vorhanden, stattdessen kommen Zwischenhändler auf den Feldern vorbei und kaufen alles ab, was am Baum gerade so hängt, und das zu sehr tiefen Preisen. Zudem werden die Früchte meist durch das Schütteln des Baumes geerntet, was zu Aufprallschäden und Kaufablehnung führt. Um die Ernte von hochhängenden Früchten zu vereinfachen und zugleich die Qualität zu verbessern, hat das Projekt ein neues Werkzeug entwickelt, den «Avocado-Pflücker». Er besteht aus einer Metallstange von verstellbarer Länge, die an ihrem Ende mit eine Art Schere ausgerüstet ist, die vom Handgriff aus bedient wird. Ein Auffangsack ermöglicht das sanfte Auffangen der Früchte, ohne jegliche Aufprallschäden.

Zungenbrecher auf Swahili

Anfang Juli fahren wir drei Tage durch das tansanische Hinterland, um den Bauern unseren Avocado-Pflücker zu präsentieren und ihr Feedback dazu einzuholen. Nach mehreren Stunden Autofahrt auf teilweise holprigen Naturstrassen sind wir am Abend zuvor im kleinen Dorf Ikamambande angekommen.

Auf dem Weg zur ersten Bauerngruppe des Tages fragen mich meine Kollegen Verschiedenes zur Schweiz, unter anderem, wie Schweizerdeutsch so klingt. Ich erzähle ihnen vom «Chuchichäschtli» und sie müssen laut lachen, wenn sie danach versuchen, es auszusprechen.

Im Gegenzug probieren wir, den lokalen Zungenbrecher zu meistern: «Kakuku kakwekwe kako wapi kaka». Nach mehreren Versuchen und noch mehr Lachausbrüchen scheinen wir es richtig auszusprechen, gerade noch rechtzeitig, bevor wir bei den Bauern ankommen.

Wertvolle Begegnung

Während die Bauern den Avocado-Pflücker ausprobieren, habe ich Zeit, um mich mit einer älteren Frau auszutauschen. Sie kam mir einige Minuten zuvor enthusiastisch entgegen, um meine Fragen zu beantworten. Wir plaudern zusammen im Schatten der grossen und teilweise blühenden Avocadobäume über die Herausforderungen, denen sie in ihren Feldern begegnet, welche Methoden sie einsetzt, um Schädlinge oder Erosion zu regulieren, und welchen Preis sie für ihre Produkte bekommt. Inzwischen habe ich erfahren, dass sie 80 Jahre alt ist, und bewundere, mit welcher Energie und Lebensfreude sie ihren harten Alltag in ihrem hohen Alter immer noch meistert.

Süsses aus dem Feld

«Wartet kurz, ich habe noch etwas für euch», sagt uns einer der Bauern, bevor er zwischen den Maisfeldern und Kardamombüschen verschwindet. Wir müssen schmunzeln, als er einige Minuten später zurückkommt, auf der Schulter ein paar drei Meter lange Zuckerrohrstangen, die er uns als Dankeschön schenkt, und ein breites Lächeln auf dem Gesicht.

Nachdem wir es geschafft haben, dieses Geschenk im Auto unterzubringen, fahren wir los. Zu neunt im Auto zusammengequetscht, baumeln wir hin und her auf der staubigen und immer enger werdenden Schotterstrasse, die uns zwischen Bananenbäumen und Teefeldern zum nächsten Stopp hinunter ins Tal führt.

Spiessli mal anders

Am frühen Abend treffe ich einen Bauern, der zusätzlich als lokaler Berater tätig ist. Nach einem interessanten Austausch nimmt er uns auf seinem Motorrad mit und fährt uns zurück zu unserer Unterkunft. Zu dritt auf dem Motorrad eng gedrängt, sind wir ein «Mishkaki kwenye pikipiki», wie es hier heisst, ein «Spiessli ufem Töff», was die Einwohner des Dorfes ziemlich amüsiert. Die Abendsonne erleuchtet die hügelige Landschaft, die sich am Horizont in ihrer feurigen Pracht präsentiert, und wir geniessen einfach diesen Augenblick. Die Gastfreundschaft, die Begegnungen und Ereignisse, die wir hier erleben durften, sind eine echte Bereicherung.
 

Dieser Artikel erschien ursprünglich in der Bauernzeitung.
 

Zur Person


Maël Wüthrich studiert im 3. Jahr Agronomie an der HAFL in Zollikofen. Als Teil der Vertiefung Internationale Landwirtschaft absolviert er zurzeit ein 6-monatiges Praktikum in Tansania, begleitet von seiner Frau Wendy. Dort arbeitet er mit Helvetas in einem EU-finanzierten Projekt, das Kleinbauern im Anbau von Früchten, Gemüsen und Gewürzen unterstützt. Neben seiner Bachelorarbeit, wo er sich mit dem Thema biologische Landwirtschaft in der Region befasst, ist er bei verschiedenen Projektaktivitäten unterwegs und erlebt Feldforschung hautnah.

Mehr erfahren

Fachgebiet: Agronomie + Wald
Rubrik: Publikationen