BFH und SBB entwickeln Onboard-Überwachsungssystem für Neigezüge

16.01.2023 Für den sicheren Betrieb von bogenschnell fahrenden Neigezügen sind die Anforderungen an die Infrastruktur besonders hoch. Die Überwachung der Infrastruktur soll zukünftig im Regelbetrieb mittels eines einfachen Onboard-Systems geschehen, das von Forschenden der BFH in Zusammenarbeit mit der SBB entwickelt wurde. Das System ersetzt teure und aufwändige Messfahrten.

Für einen sicheren und zuverlässigen Bahnbetrieb ist die regelmässige Messung der Fahrzeugdynamik (Rad-Schiene-Kräfte) wichtig, insbesondere bei sogenannt bogenschnell fahrenden Neigezügen. Diese fahren schneller durch Kurven als der normale Verkehr und belasten die Infrastruktur dadurch stärker. Aktuell werden die Rad-Schiene-Kräfte einmal im Jahr bei Inspektionsfahrten ermittelt. Bei diesen reglementarisch vorgegebenen Messverfahren werden die Rad-Schiene-Kräfte mit sogenannten Messradsätzen bestimmt. Diese sind ein erprobtes Messsystem und liefern gut reproduzierbare Daten. Sie sind jedoch mit ihren zahlreichen Komponenten ein komplexes und entsprechend anfälliges System, benötigen relativ viel Wartung und müssen von Zeit zu Zeit aufwändig kalibriert werden. Um regelmässigere und kostengünstigere Informationen zu erhalten, haben Forschende des Instituts für Intelligente Industrielle Systeme I3S der Berner Fachhochschule BFH in Zusammenarbeit mit der SBB ein einfaches Onboard-Überwachungssystem entwickelt, das zuverlässig und kostengünstig im Regelbetrieb eingesetzt werden kann.

Genaue Vorhersagen dank maschinellem Lernen

Anstelle von Messradsätzen kommt bei dem neu entwickelten Überwachungssystem nur wartungsarme Messtechnik zum Einsatz, zum Beispiel Beschleunigungs- oder Wegsensoren. Diese einfache Sensorik kann leicht ausgetauscht werden und hält den rauen Bedingungen stand, denen Züge im täglichen Verkehr ausgesetzt sind. Somit ist das System im Vergleich zum herkömmlichen Überwachungsverfahren kosteneffizienter und besser verfügbar. Anhand der Messdaten, die während jeder Fahrt gesammelt werden, sagt das System die Kräfte voraus, die für die Bewertung der Fahrsicherheit von Neigezügen relevant sind. Die vertikalen Kräfte werden dabei durch die Messung des Federwegs des Rades vorhergesagt. Für die Prüfung von Schienenfahrzeugen ist diese Vorhersagemethode bereits bewährt. Für die Vorhersage der Seitenkräfte auf das Führungsrad und den gesamten Radsatz gab es jedoch bis anhin keine zuverlässige Methode – darauf lag deshalb der Fokus des Projekts. Die Forschenden entwickelten einen neuen Ansatz, mit dem sich dank maschinellem Lernen die Seitenkräfte an den Rädern durch Übertragung der seitlichen Beschleunigung vorhersagen lassen. Über den linearen Zusammenhang von Masse, Beschleunigung und Kraft hinaus kann das System so auch mit Nichtlinearitäten des fahrenden Zuges als Masse-Feder-Dämpfersystem umgehen. So kann das neue System die kostenintensiven Messfahrten ersetzen, indem es die kontinuierliche Überprüfung der Strecke ermöglicht.

Inspizieren des bogenschnellen Fahrens im kommerziellen Betrieb

Das entwickelte Onboard Monitoring System (OBM) mit dieser so genannten «einfachen Sensorik» zur Berechnung der sicherheitsrelevanten Rad/Schiene-Kräfte muss für jeden Neigezugtyp spezifiziert, von einem anerkannten Sachverständigen begutachtet und schliesslich von der Aufsichtsbehörde genehmigt werden. Danach soll je ein Zug pro Flotte mit OBM mit «einfacher Sensorik» ausgerüstet und betrieben werden. Dieser OBM-Zug wird im kommerziellen Betrieb tagtäglich die Fahrzeugreaktionen messen und aufzeichnen. Die Messdaten werden dann an einen zentralen Rechner gesendet und off-board in einem automatisierten Datenmanagementsystem weiterverarbeitet und die Einhaltung der reglementarisch vorgegebenen Grenzwerte geprüft, als Teil der maschinellen Bahn-Infrastrukturüberwachung, so dass gegebenenfalls auch Massnahmen zum Fahrbahnunterhalt ausgelöst werden können.

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