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Mit Drohnen die Grasmenge messen
12.08.2024 Die Grasmenge auf Weiden genau einzuschätzen, ist schwierig. Eine Forschungsgruppe der BFH-HAFL möchte dies mithilfe von Drohnen und künstlicher Intelligenz ändern.
Weidegras ist das natürlichste und auch das billigste Futter für Milchkühe. Naheliegend, dieses möglichst effizient zu nutzen. Doch wie lange reicht die vorhandene Grasmenge für meine Herde? Vor dieser Frage stehen Landwirtinnen und Landwirte oft. Bislang muss eine Grobeinschätzung aufgrund von Erfahrung oder das Messen mit einem so genannten Rising Plate Meter kurz RPM reichen. Mit diesem Gerät kann die Wuchshöhe des Grases sowie die Pflanzendichte bestimmt werden. Der Nachteil des RPM ist, dass es sich dabei lediglich um eine punktuelle Messmethode handelt. Deshalb hat die Forschungsgruppe «Graslandnutzung und Wiederkäuersysteme» von Beat Reidy der BFH-HAFL ein drohnenbasiertes System entwickelt. Das System «estiGrass3D+» ermöglicht eine präzisere und flächendeckendere Abschätzung der vorhandenen Grasmenge. Und damit eine bessere Entscheidungsgrundlage für die Landwirtin oder den Landwirt.
Aufwändige Feldmessungen
Die Drohne fliegt dabei über die Weideflächen und macht hochauflösende Fotos. Diese Bilder werden verarbeitet, woraus sich die Grashöhe und weitere Eigenschaften des Bestandes ableiten lassen. Diese Daten werden anschliessend von einem Algorithmus ausgewertet, um eine möglichst exakte Schätzung der vorhandenen Grasmenge zu machen. Die Forschungsgruppe verwendet dabei einen Algorithmus, der maschinelles Lernen nutzt – eine Technik, die es computerbasierten Systemen ermöglicht, aus Daten zu lernen. Maschinelles Lernen ist ein Teilbereich der künstlichen Intelligenz (KI). Je mehr Daten vorhanden sind, desto genauere Schätzungen sind möglich. Deshalb war das maschinelle Lernen im Falle von estiGrass3D+ mit aufwändigen Feldmessungen verbunden. «Für jeden Datenpunkt mussten etwa zwei Quadratmeter Gras gemäht, getrocknet und analysiert werden - ein massiver Aufwand», sagt Philippe Aebischer, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Gruppe Graslandnutzung und Wiederkäuersysteme und der Studienübergreifenden Disziplinen an der BFH-HAFL.
Voraussagen könnten möglich werden
In erster Linie liefert estiGrass3D+ eine Momentaufnahme der Weide. Diese Daten können jedoch mit Wachstumsmodellen kombiniert werden. So wäre eine Voraussage über das Graswachstum in den kommenden Tagen möglich. Eine speziell entwickelte App gibt es noch nicht, sagt Philippe Aebischer. «Im Rahmen einer Zusammenarbeit mit einer Forschungsgruppe bei Agroscope wurde ein bestehendes Wachstumsmodell weiterentwickelt», sagt Philippe Aebischer. Sobald die Methodik ausgereift sei, könnte durchaus die Entwicklung einer App folgen. Diese würde den Landwirtinnen und Landwirten die Anwendung einfacher machen. Zudem würde die Schätzung der Grasmenge genauer. Liegt das RPM in 36 Prozent der Fälle falsch, sind es beim drohnenbasierten System aktuell 20 Prozent.
Gesetzgebung und Datenübertragung als Hürden
Ob sich ein drohnenbasiertes System in Zukunft durchsetzen wird, hängt jedoch nicht nur von dessen Genauigkeit ab, sondern auch von der automatisierten Datenübertragung. Denn die meisten Drohnen arbeiten aktuell noch oft mit SD-Karten, was bedeutet, dass die Daten manuell übertragen werden müssen. Für eine Fläche von einem Hektar können bis zu 120 Einzelbilder anfallen, und bei multispektralen Aufnahmen mit fünf Bändern erhöht sich diese Zahl auf 600 Bilder, was ungefähr 3 Gigabyte pro Hektar entspricht. (Box) Man kann sich vorstellen, dass dies sehr zeitaufwändig ist. Es gibt also noch einige Hürden zu nehmen auf dem Weg zur einfachen Messung des Weidegrases.
Philippe Aebischer zeigt sich aber zuversichtlich: «Ich bin optimistisch, dass in Zukunft die Drohne täglich eine Runde dreht, die Daten via 5G in eine Cloud überträgt, dort die nötigen Berechnungen gemacht werden und anschliessend den Landwirtinnen und Landwirten via Push-Nachricht die Resultate aufs Smartphone sendet.»
Vier Arten von optischen Messsystemen
- Multispektral-Sensoren (im Fall von estigrass3D+): Die Sensoren erfassen Licht in mehreren Spektralbereichen. Damit können sie die Gesundheit und Vitalität von Pflanzen bewerten, die Grashöhe modellieren und so die Trockensubstanz-Erträge schätzen.
- Hyperspektral-Sensoren: Diese Art von Sensoren erfasst Licht in vielen engen Spektralbändern. Sie ermöglicht eine detaillierte Analyse der chemischen Zusammensetzung von Pflanzen und kann Nährstoffmängel oder Krankheiten erkennen.
- LiDAR (Light Detection and Ranging): Diese Sensoren messen Entfernungen mit Laserimpulsen. Damit lassen sich sehr genaue Geländemodelle erstellen und die Höhe der Vegetation messen.
- RGB-Kameras: Standardkameras erfassen Bilder im sichtbaren Spektrum. Diese können zur visuellen Inspektion der Vegetation verwendet werden.
Zusammengefasst nutzen diese Systeme die Bilddaten als «Messgerät» und ermöglichen es, je nach eingesetztem Sensor, verschiedene Eigenschaften der Pflanzen und des Bodens zu analysieren.