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Das Bauen vom Ende her denken
12.12.2025 Damit der Bausektor nachhaltiger wird, muss er viel sparsamer mit den beschränkten natürlichen Ressourcen umgehen. Zirkuläre Produkte und Geschäftsmodelle sind der Schlüssel für einen erfolgreichen Wandel.
Das Wichtigste in Kürze
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Der Schweizer Bausektor trägt stark zum Material- und CO₂-Fussabdruck bei und muss von linearem Denken zu einer echten Kreislaufwirtschaft wechseln.
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Gebäude und Baustoffe sollen so entworfen werden, dass sie langlebig, reparierbar, mehrfach nutzbar und am Ende effizient recycelbar sind – unterstützt durch Geschäftsmodelle, die Pflege, Reparatur und Wiederverwendung lohnend machen.
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Politik, Forschung und Wirtschaft schaffen bereits Rahmenbedingungen, doch die Umsetzung im Bausektor steckt noch in den Anfängen und erfordert ein interdisziplinäres Umdenken.
Lineares Bauen: Hoher Fussabdruck und wenig Zukunft
Gemäss dem Circularity Gap Report ist der Schweizer Bausektor für 18 Prozent des Materialfussabdrucks des Landes und für 14 Prozent des CO2-Fussabdrucks verantwortlich. Das ist auch eine Folge des vorherrschenden linearen Denkens: Wer baut, beschafft sich die Materialien für die spezifischen Ansprüche seines Bauwerks. Doch was mit diesen Materialien in 50 Jahren geschieht, wenn das Bauwerk nicht mehr gebraucht wird, überlassen wir unseren Nachkommen. Wenn sich Gebäude nicht umnutzen und Baustoffe nur mit grossem Aufwand wiederaufbereiten lassen, bleibt nur noch eins: abbrechen und entsorgen. Für den Ersatzbau benötigen wir dann neuen Beton, neuen Stahl, neue Kunststoffe.
Circularity Gap Report
Die Circularity Gap Reports unterstreichen die dringende Notwendigkeit eines Übergangs zu einer Kreislaufwirtschaft. Unser Ziel ist es, wichtige Entscheidungsträger in Politik und Wirtschaft zu befähigen, Maßnahmen zu koordinieren, um diesen Übergang zu beschleunigen. Dazu messen wir den aktuellen Stand der Kreislaufwirtschaft und bringen Akteure aus Wirtschaft, Politik, Wissenschaft und Nichtregierungsorganisationen zusammen, um unsere Erkenntnisse über den Stand des Übergangs auf der Grundlage der neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse einzubringen.
Die Bauwirtschaft muss diese Einbahnstrasse verlassen und die Prinzipien der Kreislaufwirtschaft anwenden, um ihren ökologischen Fussabdruck zu reduzieren. Ein bisschen mehr Recycling, Ressourcen- und Energieeffizienz reichen nicht. Nötig ist ein radikales Umdenken. Am Anfang jedes Bauwerks muss die Frage nach seinem Ende stehen: Wie kann ich das Objekt oder Teile davon mit möglichst wenig Aufwand und Einsatz von neuem Material um- und weiternutzen? Diese Frage führt unweigerlich zu weiteren, die beantwortet werden müssen, bevor Planer und Architektinnen erste Entwürfe des Bauwerks anfertigen.
«Grundsätzlich sollen sich Materialien für das zirkuläre Bauen flexibel an wechselnde Bedürfnisse anpassen können und nicht nur für einen einzigen Zweck verwendbar sein.»
Zirkuläres Design: langlebig, flexibel, wertschöpfend
Es geht darum, Baustoffe und Bauteile so zu designen, dass wir weniger davon brauchen, dass sie langlebig sind, sich einfach auffrischen und reparieren lassen, zu anderen Produkten umfunktioniert werden können. Auch die Rückgewinnung von Wertstoffen beim Recycling, wenn eine Lebensverlängerung des Produkts irgendeinmal nicht mehr möglich ist, muss optimiert werden. Grundsätzlich sollen sich Materialien für das zirkuläre Bauen flexibel an wechselnde Bedürfnisse anpassen können und nicht nur für einen einzigen Zweck verwendbar sein. Anpassen müssen sich auch die Geschäftsmodelle. Es sind hohe Anfangsinvestitionen nötig, um ein Design zu entwickeln, welches ein Produkt für zukünftige und sogar noch gar nicht bekannte Verwendungen geeignet macht. Pflegen, reparieren, umnutzen und rezyklieren müssen sich als wertschöpfende Tätigkeiten lohnen.
Interdisziplinäres Handeln als Schlüssel zum Wandel
Der Paradigmenwechsel kann nur gelingen, wenn wir interdisziplinär denken und handeln. Um den zirkulären Lebenszyklus eines Produkts zu planen, braucht es neben technischem auch ökonomisches und sozialwissenschaftliches Know-how. Was technisch funktioniert, muss sich wirtschaftlich herstellen und nutzen lassen. Entscheidend ist nicht zuletzt, ob etwas Neues von den Endnutzenden akzeptiert wird.
Die Schweiz hat eine gute Ausgangslage, um ihre Bauwirtschaft auf den Kreislaufweg zu bringen. Als Land mit wenig nutzbaren natürlichen Ressourcen haben wir ein Interesse daran, mit diesen sorgsam umzugehen. Diese «Mangellage» und der Preisdruck des Auslandes zwingen uns, innovativ zu sein. Unsere Bildungs- und Forschungsinstitutionen sind darin geübt, mit der Wirtschaft praxistaugliche Lösungen zu entwickeln.
Status quo: Geringe Verankerung zirkulärer Geschäftsmodelle
Gemäss dem Statusbericht Schweizer Kreislaufwirtschaft der Konjunkturforschungsstelle (KOF) der ETH Zürich von 2022 haben 12 Prozent der Unternehmen zirkuläre Geschäftsaktivitäten «substanziell im Geschäftsmodell verankert». Der Bausektor hat mit einem Wert von 8 Prozent einen besonders hohen Optimierungsbedarf. Einige technische Lösungen für verbesserte Kreislauffähigkeit von Werkstoffen und Verfahren sind vorhanden. Die Nachfrage bei den Anwenderinnen und Anwendern bleibt bisher bescheiden.
Der Bundesrat hat kürzlich verschiedene Grundsätze zur Ressourcenschonung und zur Förderung der Kreislaufwirtschaft gesetzlich verankert. So können die Kantone jetzt Grenzwerte für graue Energie bei Neubauten festlegen. Um sie einzuhalten, werden wir in Zukunft weniger auf primäre Rohstoffe setzen und dafür die im Baubestand vorhandenen Materialien länger und besser nutzen müssen.