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Gesprächsführung trainieren: Los geht’s, jetzt seid Ihr an der Reihe!
05.02.2025 Im Modul «Methodisches Analysieren, Intervenieren und Evaluieren» erarbeiten sich die Bachelor-Studierenden der Sozialen Arbeit mittels Fallbeispielen und Gesprächssimulationen die Skills zur Gesprächsführung und Beratung. Sie werden damit optimal vorbereitet auf ihre Einsätze in den Praktika. Student Jan Vischer berichtet von seinen Erfahrungen in der Trainingsgruppe.
Das Wichtigste in Kürze
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Studierende der Sozialen Arbeit bereiten sich mit Hilfe von Fallbeispielen und Gesprächssimulationen auf ihre Praktika vor.
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Das Üben in Trainingsgruppen ist didaktisch nicht neu, aber etwas Wesentliches.
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Jan Vischer, Student im 2. Semester, berichtet von seinen Erlebnissen und sagt: «Herausfordernd an der Gesprächsführung ist, dass an vieles gleichzeitig gedacht werden muss und ein Gespräch einen völlig anderen Verlauf als geplant nehmen kann.»
«Viele Personen würden sich selbst als gute Zuhörer*innen beschreiben, wenn es darum geht, eine eigene Qualität zu nennen. Mir selbst hätte ich diese wohl auch zugeschrieben. Zu Beginn dieses Moduls musste ich mir jedoch eingestehen: So gut, wie ich mich beim Zuhören beschreibe, bin ich definitiv nicht. Gesprächsführungstechniken zu kennen und sinnvoll anzuwenden, ist doch etwas komplexer, als ich es mir vorgestellt habe.

Mein Name ist Jan Vischer, ich bin 28 Jahre alt, studiere im zweiten Semester Soziale Arbeit. Ich blicke auf ein sehr spannendes Semester zurück, geprägt von vielen Eindrücken und Erfahrungen. Aktuell habe ich noch keine klare Vorstellung darüber, in welchem Handlungsfeld ich meine Praxisausbildung absolvieren möchte. Im letzten Semester kristallisierten sich jedoch einige Bereiche heraus, die mich sehr interessieren: Strafvollzug und Bewährungshilfe sowie die Bereiche Migration, Kindes- und Erwachsenenschutz und Arbeitsintegration.
Damit ich meine Praxisausbildung gut gestalten und möglichst viele Erfahrungen sammeln kann, benötige ich einige Werkzeuge, die ich mir während des Studiums aneignen darf. Ein sehr wichtiger Bestandteil ist die Gesprächsführung, die wir in diesem Semester in Trainingsgruppen üben durften.
Im Zentrum unseres Moduls steht das Methodische Handeln in den verschiedenen Handlungsfeldern und mit unterschiedlichen Anspruchsgruppen. Wir möchten die Studierenden jedoch auch gezielt auf die verschiedenen Herausforderungen in der Gesprächsführung und Beratung der sich anschliessenden Praxismodule vorbereiten. Dabei bringen wir ihnen das Zusammenspiel des Methodischen Handelns und nicht nur fragmentarische Methoden näher.

Seit einigen Jahren engagiere ich mich als Trainer im Leistungssport. Bereits als ich selbst noch spielte, hiess es immer: Um etwas zu können, reicht Talent nicht aus – es braucht Training. Der Psychologe Karl A. Ericsson schrieb in einem Paper, das 1993 veröffentlicht wurde, dass es 10'000 Stunden Übung benötigt, um als Expert*in bezeichnet zu werden. Und ich sehe das bei der Gesprächsführung ähnlich: Sie muss gelernt und geübt werden. Das umfasst jegliche Formen von Erfahrung – Erfolge feiern, scheitern, Kritik und Lob erfahren. Entsprechend war ich sehr gespannt auf die Trainingsnachmittage, die mir bevorstanden.
So läuft das Training ab
Im Rahmen des Grundlagenmoduls finden an fünf Nachmittagen Trainingsgruppen statt. Eine Trainingsgruppe besteht aus ca. 20 Studierenden und einer Lehrperson. Im Zentrum steht das aktive Üben von Techniken der Gesprächsführung in Kleingruppen.
Als Grundlage für die Beratungs- und Gesprächssimulationen dient die fiktive Familie Suter, bei welcher alle Familienmitglieder Themen mitbringen, die in verschiedenen Handlungsfeldern der Sozialen Arbeit vorkommen können. Somit schlüpfen die Studierenden während den Gesprächssimulationen in verschiedene Rollen und können so die Techniken ausprobieren, üben und erleben. Es werden beispielsweise Gesprächseinstiege, herausfordernde Gesprächssituationen oder Gespräche mit einzelnen oder mehreren Personen durchgeführt.
Anschliessend wird gemeinsam ausgewertet, welche Schlüsse aus der Gesprächssimulation gezogen werden können, was positiv aufgefallen ist und was allenfalls noch verändert werden könnte.
Text: Luca Widmer
Die Mischung in unserer Gruppe war sehr gut, da einige bereits Erfahrungen aus der Praxis mitbrachten. Persönlich musste ich zwar schon viele Gespräche führen – im Rahmen von Praktika oder als Trainer –, daher war mir vor allem die Vorbereitung von Gesprächen bereits ein wenig bekannt. Sämtliche Theorie oder Techniken, die wir im Verlauf der Vorlesungen des ersten Semesters besprochen hatten, nutzte ich jedoch kaum. In den Trainingsnachmittagen wurden diese Inhalte dann vertieft – nach dem Motto: ‘Los geht’s, jetzt seid Ihr an der Reihe!’
In den Trainingsgruppen steht die Anwendung von förderlichen und die Vermeidung von hinderlichen Techniken im Vordergrund. Das Üben in Trainingsgruppen ist didaktisch nichts Neues, aber etwas Wesentliches.

Die Idee der Nachmittage war, dass wir selbst Erfahrungen sammeln und nicht nur ‘abschauen’ sollten – sei es aus Videos oder an Beispielen der Dozierenden. In Kleingruppen erhielten wir den Auftrag, eine vorgegebene Gesprächssituation frei zu gestalten. Wir durften uns gegenseitig Aufgaben stellen und herausfordern. Spannenderweise stellte sich nicht nur die Rolle als Sozialarbeiter*in, sondern auch die Simulation eines*einer Klient*in als nicht immer einfache Aufgabe heraus. Während des Übens beobachtete mindestens eine Person das Gespräch, und am Ende der Sequenz wurde die Situation im Team analysiert und reflektiert: Welche Teile der Technik konnten bereits angewendet werden? Wo gab es noch Schwierigkeiten?
Gemeinsam machten wir Fehler und probierten aus. Auch Videoaufnahmen dienten der Analyse. Sich selbst in einem Gespräch zu beobachten, empfand ich als sehr sinnvoll, da mir aus meiner eigenen Wahrnehmung viele Verhaltensweisen – wie Gestik, Mimik und verbale Kommunikation – gar nicht bewusst waren.

Herausfordernd an der Gesprächsführung ist, dass an vieles gleichzeitig gedacht werden muss und ein Gespräch einen völlig anderen Verlauf als geplant nehmen kann. In solchen Situationen muss spontan auf unerwartete Umstände reagiert werden können – und dafür braucht es Erfahrung. Da sich die Gruppe aber immer besser kennenlernte, durften Fehler gemacht werden, und gemeinsam wurde versucht, diese konstruktiv zu analysieren und zu verbessern.
Und hier wären wir wieder bei der Verbindung zum Sport. Auch auf dem Spielfeld ist jede Situation einzigartig. Um situationsangepasst reagieren zu können, braucht es aus meiner Sicht viel Übung, Wissen in Form von Techniken, ein wenig Mut, um auch Fehler zu machen, und die Fähigkeit, Situationen und das eigene Verhalten zu analysieren und kritisch zu hinterfragen.
Nach diesem Semester kommen wir zwar noch nicht auf 10'000 Stunden Übung, aber es wurde ein Grundstein gelegt, um das eigene Handeln weiterzuentwickeln, mutig zu sein und sich den Herausforderungen zu stellen.»
Den Abschlusskompetenzen auf der Spur
Wer den Bachelor in Sozialer Arbeit absolviert, ist nach Abschluss des Studiums in zwölf professionellen Handlungskompetenzen fit (Kompetenzprofil). In verschiedenen Beiträgen gehen wir in den nächsten Monaten den Fragen nach, was unter diesen Kompetenzen zu verstehen ist, wie sich das «Kompetent-sein» in den verschiedenen Handlungsfeldern der Sozialen Arbeit zeigt und wie es durch die enge Verzahnung von Hochschulsemestern und Praxisausbildung gelingt, den Kompetenzerwerb zu unterstützen.
Im Fokus dieses Beitrags steht die Kompetenz des methodischen Handelns: Bachelor-Absolvent*innen können Methoden sozialarbeiterischer Intervention und Beratung verstehen, situations- und adressat*innengerecht anwenden und reflektieren.