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Die Vermessung des Waldes
25.11.2025 Wie viel Wasser kann ein Waldboden speichern – und wie beeinflusst seine Feuchtigkeit Naturgefahren wie Murgänge oder Waldbrände? Wälder schützen uns, doch gibt es kaum grossflächige Messungen der Bodenfeuchte. Das smarte Projekt «Internet of Soils» will das ändern.
Das Wichtigste in Kürze
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Die Feuchtigkeit im Waldboden beeinflusst entscheidend, wie stabil ein Hang ist, wie hoch die Gefahr von Murgängen, Rutschungen oder Waldbränden ist und wie gut sich ein Wald nach einem Brand erholt. Sie ist damit eine zentrale Kennzahl für Naturgefahren und Waldentwicklung im Klimawandel.
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Die BFH-HAFL installiert im Wallis ein Netz aus kostengünstigen, solarbetriebenen Sensoren, die Bodenfeuchte in Echtzeit messen und automatisch übermitteln.
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Die laufenden Messungen sollen zeigen, wie sich der Waldbrand von 2023 auf Bodenfeuchte, Hydrologie und Regeneration des Schutzwaldes auswirkt. Gleichzeitig entstehen wertvolle Grundlagendaten darüber, wie Waldböden Wasser speichern und auf Trockenheit reagieren.
Oberhalb des Walliser Bergdorfs Bitsch, wo im Juli 2023 ein Feuer rund 100 Hektaren Wald zerstörte, stehen heute zwischen verkohlten Baumstämmen und verschont gebliebenen Bereichen sechs kleine, solarbetriebene Messstationen der Berner Fachhochschule. Sie gehören zum Projekt «Internet of Soils» und erfassen kontinuierlich die Feuchtigkeit im Waldboden.
Feuchtigkeit als Gradmesser
Um zu verstehen, wie widerstandsfähig ein Wald gegen Naturgefahren ist und wie er sich unter künftigen Klimabedingungen entwickelt, sind langfristige Messungen der Bodenfeuchte entscheidend. «Die Bodenfeuchte ist eine zentrale Grösse für die Vorhersage von Murgängen sowie Rutschungen – und spielt auch bei Waldbränden eine Rolle», erklärt Waldwissenschaftlerin Dr. Christine Moos, die das Projekt seitens der BFH-HAFL leitet.
Ist der Boden zu nass, verliert er an Stabilität und kann ins Rutschen geraten. Bleibt der Regen hingegen über längere Zeit aus, trocknet der Boden aus – wodurch die Brandgefahr steigt. Die Trockenverhältnisse im Boden sind zudem entscheidend, wie schnell sich der Wald nach einem Brand erholt. Und diese Frage drängt sich insbesondere mit zunehmenden Trockenperioden auf.
Für all diese Zusammenhänge interessiert sich Christine Moos. Sie wählte für das Projekt die passenden Messstandorte aus, kalibrierte die Sensoren und prüft nun deren Zuverlässigkeit, bevor sie die Daten später auswertet.
Die Sensoren schicken ihre Messungen an ein Gateway, also eine zentrale Station, die sie dann ins Internet of Things weiterleitet, so dass die Daten online zugänglich sind.
Komplexe Bedingungen
Der Wald ist heterogen: Böden, Hanglagen und Vegetation variieren stark, und das macht punktuelle Messungen wenig aussagekräftig. Dennoch gibt es bisher keine grossflächigen Messungen der Bodenfeuchte. Warum? «Die Standorte sind oft schwer zugänglich, traditionelle Sensoren teuer und wartungsaufwendig», erklärt Moos. «Zudem war es schlichtweg zu umständlich, die Daten regelmässig vor Ort abzulesen.»
Es brauchte also ein neues System – und damit fiel der Startschuss zum Projekt «Internet of Soils». Gemeinsam mit Nikita Aigner, Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Fachgruppe Digitale Fertigung an der BFH-AHB, entwickelt das Team eine flexible und kostengünstige Lösung, die grossflächige Messungen über längere Zeit ermöglicht. Ein wichtiger Bestandteil: die sogenannte Long-Range- oder kurz LoRa-Technologie, mit der die Daten automatisch in eine Datenbank übertragen werden.
Wie smart!
LoRa ist eine Funktechnologie, die Daten über weite Strecken überträgt. «Die Sensoren schicken ihre Messungen an ein Gateway, also eine zentrale Station, die sie dann ins Internet of Things weiterleitet, so dass die Daten online zugänglich sind», erklärt Christine Moos. Das Internet of Things IoT ist ein Netzwerk von Geräten, die automatisch Daten austauschen und miteinander agieren. Die LoRa-Technik funktioniert auch in abgelegenen Gebieten, braucht kaum Strom und erlaubt eine Darstellung der Daten in Echtzeit.
Künftig könnte das System noch smarter werden: Messungen liessen sich gezielt nur zu bestimmten Zeiten durchführen – etwa nach Niederschlägen, um die Effekte von Regen auf Bodenfeuchte direkt zu beobachten. Zusätzliche Sensoren für Temperatur oder andere Umweltgrössen könnten weitere Einblicke geben. Und verknüpft mit Satellitenbildern liesse sich verfolgen, wie sich die Vegetation entwickelt und langfristige Veränderungen sichtbar machen.
Aus Daten wird Wissen
Seit Juni sind die Sensoren im Einsatz und die ersten Messungen liegen vor. Nun prüft das Christine Moos, ob alle Sensoren zuverlässig arbeiten und ob die Daten korrekt übertragen werden. In einem Jahr sollen genügend Informationen gesammelt sein, um erste grundlegende Aussagen treffen zu können. «Wir erhoffen uns Hinweise darauf, wie sich der Waldbrand auf die Bodenfeuchte und die Hydrologie des Waldes auswirkt und wie sich der Schutzwald wieder erholt», sagt die Waldwissenschaftlerin. Gleichzeitig liefert das Projekt wertvolle allgemeine Daten darüber, wie Waldböden Wasser speichern und auf Trockenheit reagieren – wichtige Grundlagen, um die Widerstandskraft unserer Wälder langfristig zu verstehen.
«Mich fasziniert, wie viele Daten wir mit vergleichsweise wenig Aufwand erheben können», so Moos. «Damit können wir nicht nur aktuelle Fragen zum Schutzwald beantworten, sondern auch langfristige Entwicklungen beobachten und besser nachvollziehen, wie unsere Wälder auf den Klimawandel reagieren.»