Gefragte Kompetenzen in Zeiten des Wandels

27.10.2022 Die Arbeitswelt verändert sich stark und rasant, vor allem durch die Digitalisierung. So gewinnen bestimmte Fähigkeiten berufsübergreifend an Bedeutung. Prof. Dr. Kim Oliver Tokarski, Leiter der Weiterbildung der BFH Wirtschaft, beantwortet sieben Fragen zu den «Future Skills» und erklärt, warum auch kritisches Denken dazugehört.

Im Beruf kommt es vor allem auf das Fachwissen an. Oder etwa nicht?  

Prof. Dr. Kim Oliver Tokarski: Fachwissen und inhaltliche Kompetenz sind als Basis immer noch zentral in jedem Beruf. Man möchte sich lieber von einer Herzchirurgin am Herzen operieren lassen als von einem Orthopäden. In der Betriebswirtschaft braucht es das Disziplinenwissen, vom Accounting und Controlling bis zum Marketing. Darüber hinaus sind aber zunehmend Fähigkeiten wie Methoden-, Selbst- und Sozialkompetenz gefragt, über alle Sektoren und Disziplinen hinweg: die sogenannten Future Skills. 

Ganz konkret, bitte: Was sind Future Skills? 

Da gibt es verschiedene Definitionen. Ein mögliches Modell bilden die vier K: Kommunikation, kritisches Denken, Kollaboration und Kreativität. Das sind verbindende Elemente zwischen den Professionen. Sie ermöglichen es, gemeinschaftlich an Problemlösungen zu arbeiten. 

Das Marketing arbeitet nicht allein im eigenen Feld, sondern etwa mit der Forschungs- und Entwicklungsabteilung zusammen. Dazu muss man miteinander reden und vereint vorgehen können, analog wie virtuell. Es braucht die Bereitschaft der Führung, den Ist-Zustand im Unternehmen kritisch zu reflektieren und weiterzuentwickeln. Es braucht aber auch Mitarbeitende mit Kompetenzen in diese Richtung: Future Skills sollen mehr Menschen dazu befähigen. 

Apropos virtuell: Sind Future Skills vor allem digital? 

Digitale Fähigkeiten gehören im Sinne einer «Digital Literacy» zu den Future Skills. Das bedeutet unter anderem, mit Daten planvoll umgehen zu können, geeignete Daten zu finden, diese kritisch zu beurteilen, Schlüsse daraus zu ziehen und kreativ umzusetzen – oder vielleicht auch neue Fragen zu erhalten. Letzteres führt dazu, dass ich mein Unternehmen, mein Denken nicht als gesetzt ansehe. Vielmehr bin ich damit konfrontiert, mich laufend weiterzuentwickeln. Bei den digitalen Skills geht es nicht bloss um technische Fertigkeiten, sondern im Grunde genauso um die vier K. Diese werden zunehmend wichtiger. Wandel gab es immer. Marktteilnehmer*innen mussten sich seit jeher anpassen. Zum Beispiel die Kutscher Ende des 19. Jahrhunderts, als das Automobil aufkam.  

Sind Future Skills einfach der neuste Hype? 

Kaiser Wilhelm II. sagte damals: «Ich glaube an das Pferd, das Automobil ist eine vorübergehende Erscheinung.» Die disruptive Kraft gewisser technologischer Entwicklungen ist unvorhersehbar und das bis heute. Wer hätte vor einigen Jahren gedacht, dass wir in einem Cube einkaufen, zu dem wir via Smartphone-App Zugang erhalten? Umso wichtiger ist das reflexive Denken. Sich stets zu fragen, ob man mit dem eigenen Geschäftsmodell noch richtig liegt, Veränderungen in der Umwelt wahrzunehmen und darauf zu reagieren – so bleibt ein Unternehmen zukunftsfähig. Der Begriff Future Skills soll auch nicht zu Tode geritten werden. Darunter finden sich auch Klassiker wie strategisches Management, strategisches Denken – nur sind sie in den nächsten Jahren umso nötiger. 

Warum? 

Wir sind in der VUKA-Welt. VUKA steht für Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Ambivalenz/Ambiguität: Die Digitalisierung verändert die Arbeitswelt tiefgreifend und enorm schnell. Neue Arbeitsformen entstehen. Mit mehr Daten, immer neuen Produkten, einer Vielzahl von Anwendungen und einer Fülle geteilter Informationen wird alles komplexer. Dafür benötigen wir Future Skills – gerade auch mit Blick auf die Klimaerwärmung, welche die gesamte Gesellschaft betrifft. Die Frage lautet, wie wir nachhaltig wirtschaften, um überhaupt eine Zukunft zu haben. 

Porträt Kim Tokarski
Prof. Dr. Kim Tokarski

Wie steht es um die Future Skills in der Schweizer Arbeitswelt? 

Die Entwicklung, mehr Mitarbeiter*innen digital zu befähigen, ist teilweise im Gang. Schwerer ist es hingegen, Kompetenzen wie das kritische Denken zu suchen und zu fördern. Führungskräfte müssen noch lernen, die alte «Command-and-Control»-Logik abzustreifen und öfter auf Augenhöhe mit den Mitarbeiter*innen zusammenzuarbeiten. Future Skills brauchen organisationale Voraussetzungen. 

Nicht in jeder Branche sind die Anforderungen daran gleich hoch, doch keine bleibt vom Wandel unberührt. So können auch handwerkliche Berufe wie Schreinerin oder Spengler digitale Technologie integrieren, wie etwa 3-D-Bilder mit dem Smartphone zu erstellen. Wachsen oder überleben werden jene Unternehmen, die sich die neuen Technologien zunutze machen. 

Welche Weiterbildungen bietet die BFH Wirtschaft zu Future Skills an? 

Zu Digitalisierung und Innovation bietet das Departement Wirtschaft mehrere Weiterbildungen an, darunter die CAS Artificial Intelligence for Business, Data-Driven Organization, Digitale Organisation, Empower Future Learning sowie Innovations- und Changemanager mit Design Thinking. Fachkurse gibt es unter anderem zu Future Thinking Skills und Data & Artificial Intelligence Literacy. Im Frühling 2023 startet der CAS Coaching, Mentoring und Beratung. Er zeigt neue Formen und Methoden der Führung, Anleitung und Entwicklung von Mitarbeiter*innen auf – mit dem Ziel, diesen mehr Verantwortung zu übertragen. Alle Weiterbildungsangebote haben eines gemeinsam: Sie fördern die vier K: Kommunikation, Kollaboration, kritisches Denken, Kreativität. Für Ende 2022 ist zudem ein Future Skills Lab zum Experimentieren und zur praktischen Vermittlung von Zukunftskompetenzen geplant. 

Magazin Präsenz

Dieser Beitrag ist eine gekürzte Version die in unserem Kundenmagazin Präsenz erschienen ist (Ausgabe 2/2022). 

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