EFAS: Ein effizienteres Gesundheitssystem durch einheitliche Finanzierung?

14.12.2023 Im Parlament wird gegenwärtig die Vorlage zur einheitlichen Finanzierung ambulanter und stationärer Leistungen (EFAS) beraten. Die Umsetzung könnte die Gesundheitskosten stabilisieren und ambulante Behandlungen zugänglicher machen. Eine Wunderpille gegen die steigenden Gesundheitskosten ist die Reform aber nicht. Der Gesundheitsökonom Tobias Müller erklärt die Zusammenhänge.

Tobias Müller, um was geht es bei EFAS genau?

EFAS steht für eine einheitliche Finanzierung von ambulanten und stationären Leistungen im Bereich der Akutversorgung. Die Vorlage sieht vor, dass sich Kantone und Krankenkassen zu gleichen Anteilen an der Finanzierung der ambulanten und stationären Leistungen beteiligen. Dabei steht die Verlagerung von stationärer zu ambulanter Behandlung und damit eine Stabilisierung der Gesundheitskosten als übergeordnetes Ziel im Vordergrund. Es ist aber wichtig zu beachten, dass es bei EFAS nur um die Verteilung der Kosten zwischen Kantonen und Krankenkassen geht, nicht um die Höhe der Kosten.

Bei EFAS geht es nur um die Verteilung der Kosten zwischen Kantonen und Krankenkassen, nicht um die Höhe der Kosten.

Prof. Dr. Tobias Müller
Prof. Dr. Tobias Müller Dozent für Gesundheitsökonomie

Wie funktioniert die Finanzierung denn jetzt?

Heute werden ambulante und stationäre Leistungen in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (OKP) unterschiedlich finanziert. Stationäre Leistungen sind in der Regel deutlich teurer, werden aber zu 55 Prozent von den Kantonen übernommen und nur zu 45 Prozent durch die Krankenkassen. Ambulante Behandlungen müssen hingegen zu 100 Prozent durch die Krankenkassen und damit durch die Prämienzahler finanziert werden. Oder anders gesagt: Die Rechnung des letzten Spitalbesuchs wird heute zu mehr als der Hälfte vom Wohnkanton bezahlt. Die Rechnung der letzten Konsultation bei der Hausärztin hingegen bezahlt die Krankenkasse vollumfänglich.

Warum ist eine einheitliche Finanzierung wichtig?

Durch die unterschiedliche Finanzierung kommt es bei den Krankenkassen zu Fehlanreizen: Krankenkassen haben im heutigen System einen finanziellen Anreiz, dass möglichst viele Patient*innen stationär behandelt werden, weil sie dann die Rechnung nicht komplett selbst berappen müssen. Das kann zu einer stationären Überversorgung führen, obschon die oftmals kostengünstigere ambulante Behandlung den gleichen medizinischen Nutzen erzielen würde. Mit einer einheitlichen Finanzierung – so die Befürworter – fallen diese Fehlanreize weg.

Aus meiner Sicht wird der Einfluss der Krankenkassen auf den Behandlungsort überschätzt. Am Ende des Tages entscheiden die Leistungserbringer, wer stationär oder ambulant behandelt wird. Die Krankenkassen haben hier nur indirekt Einfluss.

Das Parlament ist grundsätzlich über die Notwendigkeit einer Revision einig. Wo liegt denn der Konflikt?

Der Nationalrat hatte die Langzeitpflege - also Alters- und Pflegeheime sowie die Spitex - bei EFAS mangels zuverlässiger Daten vorerst ausgeklammert. Das war aus Sicht der Kantone unfair. Sie gehen davon aus, dass in einer alternden Gesellschaft die Pflegekosten stärker als die restlichen Kosten im Gesundheitswesen steigen. Der Beitrag der Krankenkassen an die Langzeitpflegekosten ist zurzeit aber gedeckelt. Damit geht das gesamte Kostenwachstum bei den Pflegekosten heute zu Lasten der Kantone und der Gemeinden. Darum fordern die Kantone, dass die Pflegeleistungen in EFAS mitberücksichtigt werden. Die Krankenkassen hingegen befürchten bei einem solchen Szenario höhere Kosten und damit auch höhere Prämien.

Trotz dieser Bedenken hat der Nationalrat im September 2023 den Grundsatzentscheid gefällt, die Langzeitpflege in die Reform aufzunehmen. Nach wie vor gibt es aber Differenzen zwischen der grossen und der kleinen Kammer. Der Ständerat will, dass sich die Patient*innen weiterhin an den Kosten der Pflegeleistungen beteiligen sollen.

EFAS ist nicht die Wunderpille, die plötzlich unser Gesundheitswesen auf Vordermann bringt.

Prof. Dr. Tobias Müller
Prof. Dr. Tobias Müller Dozent für Gesundheitsökonomie

Was würde EFAS für Patient*innen bedeuten?

Der Einbezug der Langzeitpflege dürfte zu höheren Prämien führen. Gleichzeitig wird der grössere Kantonsbeitrag an den ambulanten Dienstleistungen das Prämienwachstum wiederum dämpfen. Welcher Effekt überwiegt ist schwierig vorherzusagen.

Was gesagt werden kann, ist, dass EFAS allein die ambulanten Dienstleistungen nicht attraktiver macht. Dazu braucht es zwingend die Reform der ambulanten Tarife TARDOC. Auch eine Senkung der Gesundheitskosten ist ohne tiefschürfende Reformen nicht realistisch. EFAS ist also nicht die Wunderpille, die plötzlich unser Gesundheitswesen auf Vordermann bringt. Aber es könnte ein Schritt in die richtige Richtung sein.

Interview: Sandro Nydegger

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Fachgebiet: Caring Society + Alter