Das Zusammenspiel von Schutz und Gewalt im Kontext von Flucht und Asyl

Das Projekt beleuchtet Formen von Gewalt, die Geflüchtete, trotz rechtlichem Schutzstatus, erfahren. Es ermittelt, inwiefern und mit welchen Auswirkungen unterschiedliche Akteur*innen an der Ausübung von Gewalt beteiligt sind.

Steckbrief

  • Beteiligte Departemente Soziale Arbeit
  • Institut(e) Institut Soziale und kulturelle Vielfalt
  • Strategisches Themenfeld Themenfeld Caring Society
  • Förderorganisation SNF
  • Laufzeit (geplant) 01.06.2023 - 31.01.2025
  • Projektleitung Dr. Carolin Fischer
  • Projektmitarbeitende Manuel Insberg
  • Schlüsselwörter Flucht, Asyl, Sicherheit, Schutz, Gewalt, Migrationsregime

Ausgangslage

Asyl impliziert die Erfahrung von Gewalt in der Vergangenheit. Gewalt ist gewissermassen die Grundlage oder Voraussetzung dafür, dass einer Person Asyl gewährt wird. Aber fördert Asyl im Umkehrschluss einen Zustand der Gewaltfreiheit beziehungsweise die Möglichkeit einer Erholung von erfahrener Gewalt? Wie hängen erlebte Sicherheit und Solidarität zusammen? Und wie hängen Sicherheit und unterschiedliche (Sozial)Räume zusammen? Basierend auf ethnographischen Fallstudien in Norwegen und der Schweiz, beleuchtet dieses Projekt die Alltagserfahrungen anerkannter Geflüchteter und hinterfragt den Zusammenhang von Asyl, Schutz, Unsicherheit und Gewalt. Insbesondere ermittelt das Projekt, wie anerkannte Geflüchtete Sicherheit und Gewalt erfahren und wie sich ihre Erfahrungen auf individuelle Selbstbilder und Zukunftsvorstellungen auswirken.

Vorgehen

Empirisch basiert das Projekt auf ethnographischen Fallstudien in Norwegen und der Schweiz. In beiden Ländern werden Geflüchtete unterschiedlicher nationaler Herkunft, denen ein formeller Flüchtlingsstatus oder subsidiärer Schutz zugesprochen wurde, während eines Jahres begleitet. Der Hauptfokus richtet sich auf das Zusammenspiel von gegenwärtigen und vergangenen Gewalterfahrungen sowie dem strukturellen Kontext, in dem sich Geflüchtete tagtäglich bewegen. Neben Verbindungen zwischen unterschiedlichen Gewalterfahrungen wird auch die individuelle Handlungsmacht im Umgang mit erlebter Gewalt analysiert. Das Projekt vermittelt neue Einblicke in ein Themen- und Problemfeld, das in der Sozial- und Migrationsforschung bislang weitgehend unberücksichtigt blieb. Theoretisch entwickelt es die Auseinandersetzung mit oftmals unsichtbaren Formen von Gewalt und deren Auswirkungen weiter. Es werden nicht nur wissenschaftliche Auseinandersetzungen mit dem Leben nach dem Asylverfahren vorangetrieben, sondern Implikationen für die europäische Flüchtlingspolitik herausgearbeitet.

Ergebnisse

Die Ergebnisse unseres Projekts lassen keinen Zweifel daran, dass Personen, die in Norwegen und der Schweiz als Geflüchtete anerkannt wurden, ihren Schutzstatus als wesentliche Grundlage für die Fortsetzung ihres Lebens empfinden. Der rechtliche Schutz befreit sie von den unmittelbaren Gefahren, denen sie in ihren Herkunftsländern oder auf ihrer Flucht ausgesetzt waren. Er gibt ihnen auch die Möglichkeit, Ziele zu verfolgen, Wünsche und Erwartungen zu entwickeln, einschliesslich sozialer und beruflicher Erfüllung und persönlicher Anerkennung. Diesen Wünschen und Erwartungen stehen jedoch häufig rechtliche Einschränkungen und eine restriktive Integrationspolitik entgegen. Für die Betroffenen fördert dies eine Situation der anhaltenden Krise. Was wir als Triebkräfte solch anhaltender Krise identifizieren, hängt eng mit den Prinzipien der Asylpolitik und der Art und Weise zusammen, wie Geflüchtete in der Position des/r ewigen Anderen feststecken. Diese Erkenntnisse drängen uns dazu, das Selbstverständnis liberaler Staaten als sichere Zufluchtsorte zu überdenken und auf eine dauerhafte Veränderung der Strukturen und der damit verbundenen Machtverhältnisse hinzuarbeiten, die die identifizierten Einschränkungen des Rechtsschutzes schaffen und aufrechterhalten und die Asyl für viele zu einem Zustand des ständigen Kampfes machen.

Ausblick

Für Geflüchtete ist die Anerkennung des Bedürfnisses rechtlichen Schutzes ein erster Schritt zum Leben in Sicherheit. Wie die Ergebnisse des Projekts «Violent Safe Havens» verdeutlichen, schafft rechtlicher Schutz allein jedoch noch keine umfassende Sicherheit im Alltag. Um diese zu fördern, muss Anerkennung weiter gefasst werden und sowohl persönliche Erfahrungen und Ziele als auch berufliche Qualifikationen mit einbeziehen. Darüber hinaus ist es wichtig, die mentale und körperliche Gesundheit geflüchteter Personen durch zusätzliche Angebote im Bereich der sozialen Unterstützung sowie der psychiatrischen Versorgung zu verbessern. Dabei gilt es strukturelle und epistemische Gewalterfahrungen im Kontext von Flucht, Ankunft und Asyl zu erkennen und Möglichkeiten zu deren Überwindung zu fördern.

Dieses Projekt leistet einen Beitrag zu den folgenden SDGs

  • 10: Weniger Ungleichheiten
  • 16: Frieden, Gerechtigkeit und starke Institutionen