GNU Taler | Weit mehr als eine Spielerei

18.08.2020 Mit digitalem Geld Datenschutz und Transparenz unter einen Hut bringen: Ein Snackautomat soll Studierende zum Mitdenken und Experimentieren anregen.

Auf den ersten Blick fällt am Snackautomaten des Departements Technik und Informatik am Höheweg 80 der Berner Fachhochschule (BFH) in Biel nur auf, dass das Sortiment den Cafeteria-Rahmen sprengt. Neben Schokolade und Getränken sind Werkzeuge und Bücher zu haben. Doch wer hier etwas kaufen will, muss dazu das elektronische Bezahlsystem GNU-Taler verwenden. Ein Tablet-Computer an der Kasse ermöglicht es, gegen Franken ein Guthaben in E-Franken in die so genannte GNU Taler-Wallet-App auf das Smartphone zu laden. Damit werden die Produkte dann aus dem Automaten bezogen.

Keine Währung

GNU-Taler ist ein Online-Bezahlsystem für Internet-Nutzer und nicht etwa eine Währung. Denn das Bezahlsystem muss für jede Währung (zum Beispiel Franken, Euro, US-Dollar) angepasst werden, damit es Verwendung finden kann. GNU Taler ist Teil des GNU-Projektes. Dieses stellt die Basis von vielen freien Betriebssystemen dar, zum Beispiel Debian-Linux oder Ubuntu.
Das Ziel von GNU Taler: Die Vorteile des Bargeldes (Vertrauen und Anonymität) mit den Vorteilen elektronischer Kommunikation (kostengünstig, online und sicher) kombinieren.
Das Besondere an GNU Taler: Das Bezahlsystem wurde von der Informatikabteilung in Biel mitentwickelt und wird von der BFH gehostet. Das bedeutet, die Server und Computer mit den wichtigsten Daten zum Projekt stehen an der BFH.
Für den GNU Taler-Snackautomat haben zwei Bieler Informatik-Professoren, Christian Grothoff (allgemeine Informatik) und Andreas Habegger (Mikro- und Medizintechnik), zusammengespannt. GNU Taler ist Grothoffs «Kind», er hat das elektronische Bezahlsystem zusammen mit ehemaligen Doktoranden konzipiert. Habeggers Unterstützung ist für die Schnittstelle zwischen der Software und der Hardware, sprich: dem Automaten, unabdingbar.
Um den Snackautomaten für GNU Taler auszurüsten, war um den Jahreswechsel ein ganzes
Domino an Herausforderungen zu bewältigen: Es galt die Steuerung zu konfigurieren, ihr Display ergonomisch zu konzipieren, Elektronik einzubauen, die E-Mail-Verschlüsselung sicherzustellen, die Near Field Communication (NFC) für das kontaktlose Bezahlen einzurichten, die Steuerung der einzelnen Fächer so zu verkabeln, dass beim Nachfüllen der Produkte nichts kaputtgehen kann und vieles mehr.

Prototyp fordert heraus

«Da es sich beim GNU Taler-Automaten um den Prototyp handelt, mussten wir viele Komponenten von Grund auf designen, programmieren und herstellen», sagt Grothoff. «Da haben wir uns immer wieder den Kopf zerbrochen, ausprobiert, verbessert und Schwierigkeiten ausgebügelt.»
Diverse Informatik- und Elektronikfirmen waren in den Prozess involviert. Zur Unterstützung
wurde vor kurzem von Studierenden der Berner Fachhochschule ein Start-up gegründet,
welches eine Lösung für das datenschutzfreundliche Backup vonWallets (elektronische Portemonnaies) entwickelt. In unterschiedlichen Kombinationen haben Fachleute in Biel und Übersee zusammengearbeitet.
Da der Automat Ende 2019 in Leipzig am 36C3-Hackerkongress seinen ersten Einsatz hatte,
holten die Projektverantwortlichen die Meinung der Europäischen Zentralbank zum GNUTaler- Testlauf ein. «Die fanden das eine prima Idee», so Grothoff. Anschliessend kam der Snackautomat beim World Cybereconomic Forum zum Einsatz, das am Rand des World Economic Forums Ende Januar in Klosters stattgefunden hat.

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