Das Tierwohl im Fokus

15.12.2022 Sie ist auf vielen Produkten der Migros zu finden: Die M-Check-Bewertung «Tierwohl». Erarbeitet hat sie ein Team der BFH-HAFL.


Die Schweiz lehnte im Herbst die Initiative gegen Massentierhaltung deutlich ab. Viele Bürgerinnen und Bürger begründeten ihren Entscheid damit, dass die Schweizer Tierschutzgesetze bereits streng seien und viel weiter gingen als solche in der EU.

Aktuell bleibt das Thema dennoch. Konsumentinnen und Konsumenten fordern von den Produzenten verbindliche Regeln und klare Deklaration. Heute existiert eine Vielzahl von Labels, sowohl in- als auch ausländische. Doch wie gut sind die? Hier kommt die BFH-HAFL ins Spiel.

Ein Team der Hochschule bestehend aus Agathe Kuntz, Samuel Kohler, Tobias Küng und seit November Julia Moser entwickelte für die Migros einen Bewertungskatalog. Entstanden ist das grüne «M-Check Tierwohl»-Signet, das seit 2021 auf vielen tierischen Produkten des Detailhändlers zu finden ist und langfristig auf allen solchen Waren abgebildet sein soll. Es gibt anhand einer Sternebewertung (1 bis 5 Sterne) an, inwiefern während der Produktion auf das Wohl der Tiere Rücksicht genommen wurde.

Labels unter der Lupe

Momentan gibt es zehn Bereiche, die in die Bewertung einfliessen, darunter Qualität von Futter und Wasser, Auslauf, Medikamenteneinsatz, Transport und Klauenpflege. Die Zahl der untersuchten Punkte soll bald auf 40 erhöht werden, wie Tobias Küng erklärt. «So können wir die Unterschiede noch besser abbilden.»

Die grosse Herausforderung sei es, einen Kriterienkatalog zu erarbeiten, der über alle Labels hinweg Aussagekraft hat, sagt der Agronom. «Wir mussten oft nachjustieren, weil bestimmte Kriterien nicht für alle funktionieren.» Der wissenschaftliche Mitarbeiter nennt das Beispiel Stallhaltung bei Rindern. «In südamerikanischen Ländern gibt es oft Betriebe, bei denen das Vieh die ganze Zeit draussen auf der Weide ist. Dort mussten wir das also streichen.»

Grundlage für die Bewertung bilden Tierschutzvorgaben, Richtlinien für die Labels und andere Dokumente in den jeweiligen Ländern. «Was wir bewerten, sind die Gesetze und wie gut sie umgesetzt werden», betont Küng. «Wie es den Tieren letztendlich geht, können wir nicht beurteilen, weil wir nicht jeden Betrieb auf der Welt, der ein tierisches Produkt direkt oder indirekt an die Migros liefert, unter die Lupe nehmen können.» Deshalb nehme die Zahl der unabhängigen Kontrollen ein hohes Gewicht in der Bewertung ein.

«Hauptsache fair und sachlich»

Doch was bedeuten die Sterne nun? «Fünf Sterne bekommen Labels, die grosse Mehrarbeit für das Tierwohl leisten und auch regelmässig gut kontrolliert werden», sagt Küng. Die Tiere könnten viele ihrer natürlichen Bedürfnisse ausleben, auch mal draussen im Regen stehen oder in ihren sozialen Strukturen leben.

Drei Sterne gibt es laut Küng für jene Programme aus der Schweiz oder dem Ausland, die mindestens dem Niveau der Schweizer Tierschutzgesetzgebung entsprechen. Eine tiefere Bewertung entstehe aufgrund mangelhafter Dokumentation oder wegen effektiv weniger weit gehenden Vorgaben.

Doch Küng betont, dass Schweizer Labels nicht automatisch gut und ausländische schlecht seien. «Fakt ist, dass bei Fleisch aus der Schweiz durch die Tierschutzgesetzgebung zumindest ein gewisser staatlicher Mindeststandard garantiert ist.»

Am Ende des Tages sei das Projekt kein Schwarzweiss-Unterfangen. «Wir befinden uns in einem Spannungsfeld und werden nie alle Meinungen abbilden können», sagt er. «Für uns ist wichtig, dass wir fair und sachlich beurteilen und dem Konsumenten eine Entscheidungsgrundlage liefern.»
 

Glückliche Schweine: Das M-Check-Signet «Tierwohl» gibt an, inwiefern während der Produktion auf das Wohl der Tiere Rücksicht genommen wurde. (Bild: Ramon Lehmann) Bild vergrössern
Glückliche Schweine: Das M-Check-Signet «Tierwohl» gibt an, inwiefern während der Produktion auf das Wohl der Tiere Rücksicht genommen wurde. (Bild: Ramon Lehmann)

Mehr erfahren

Ansprechperson

Rubrik: Publikationen