Welttag der Sozialen Arbeit: Internationale Zusammenarbeit in «Realtime» erleben

15.03.2022 Der Welttag der Sozialen Arbeit steht im Zeichen internationaler Zusammenarbeit. Die BFH ermöglicht Studierenden aus Bern, Fribourg und Prishtina gemeinsam am Thema «Gender & Social Work» zu arbeiten und Erfahrung zu sammeln. Das Modul findet zum ersten Mal in dieser Form statt. Lesen Sie mehr dazu im Interview mit den beiden verantwortlichen Dozentinnen.

Was ist das Besondere am gemeinsamen Modul?

Vjollca Krasniqi: Der Kurs konzentriert sich auf Gender und Soziale Arbeit. Er betrachtet das Zusammenspiel von globalen und lokalen Kräften, die unsere Ausbildung und Praxis prägen und legt einen besonderen Fokus auf den Kosovo und die Schweiz. Das kollaborative Format zielt darauf ab, die Geschlechterrealitäten auf lokaler und globaler Ebene zu verstehen. Es handelt sich um einen einzigartigen Kurs, der Studierende und Akademiker*innen der Sozialen Arbeit mit Lehrpersonen aus dem Kosovo und der Schweiz zusammenbringt. Das Besondere ist, dass sie eine echte internationale Sozialarbeits-Ausbildung ermöglicht. 

Eveline Ammann Dula: Zudem macht das Onlineformat grenzüberschreitende Zusammenarbeit auf Augenhöhe möglich. Bisher wurde der Austausch eher einseitig gepflegt durch Studienreisen mit Studierenden aus der Schweiz in den Kosovo. Gegenbesuche scheiterten an finanziellen und administrativen Hürden.

Welche ersten Erkenntnisse lassen sich aus diesem Modul ziehen in Bezug auf die Sozialarbeit als Beruf?

Vjollca Krasniqi: Das gewählte Format lenkt die Aufmerksamkeit darauf, wie notwendig globale und lokale Engagements der Sozialarbeits-Programme sind. Es bestätigt, dass Lernen nicht nur dialogisch, sondern auch kulturell ist. Der Lernraum hat uns die Verflechtung und die gegenseitigen Abhängigkeiten von Gesellschaften, Gemeinschaften und Individuen vor Augen geführt. Darüber hinaus zeigten sich die Ansätze der Praxis der Sozialen Arbeit, die jeweiligen Herausforderungen und Perspektiven. Sie sind zwar historisch und kontextuell spezifisch, hängen aber dennoch zusammen und prägen die beruflichen Identitäten im Kosovo und in der Schweiz. 

Eveline Ammann Dula: Der Vergleich relativiert die vielleicht erwartete Andersartigkeit der Herausforderungen der Sozialen Arbeit. In der Schweiz ist die Soziale Arbeit eingebettet in einen Wohlfahrtsstaat. So können Frauen, die bspw. von innerfamiliärer Gewalt betroffen sind, auf staatliche Unterstützung zählen und müssen in der Regel nicht aus finanziellen Gründen bei ihrem Ehemann bleiben. Im Gegensatz dazu ist in Kosovo, weil staatliche Sozialhilfe oder Sozialversicherungen fehlen und die Arbeitslosigkeit hoch ist, die Abhängigkeit der Frauen von den Familien sehr gross. Aber es gibt Gemeinsamkeiten: Auch in der Schweiz haben nicht alle Frauen Zugang zu staatlichen Leistungen, bspw. Personen ohne legalen Aufenthaltsstatus. In diesen Kontexten sind Empowerment und Advocacy zentralen Methoden der Sozialen Arbeit, sowohl in der Schweiz wie auch im Kosovo.

Das Modul ist noch nicht abgeschlossen. Was erwarten Sie beide von der weiteren gemeinsamen Bearbeitung des Themas?

Vjollca Krasniqi: Die Haupterwartung ist, dass die Studierenden Gender-Theorien und -Methoden anwenden, um soziale Probleme und Menschenrechte von Individuen und Gemeinschaften, mit denen sie arbeiten werden, anzugehen. Sie sollen Gender und Machtbeziehungen verstehen und diese in ihr Studium und in ihre Praxis integrieren. Darüber hinaus wird der Kurs die Studierenden in die Lage versetzen, bei der Analyse sozialer Ungleichheiten eine geschlechtsspezifische und intersektionale Methoden einzunehmen und sich auf lokaler und globaler Ebene für die Gleichstellung der Geschlechter einzusetzen.

Eveline Ammann Dula: Ich erhoffe mir, dass der eigene Standpunkt und Vorstellungen über Gender in der Schweiz und im Kosovo reflektiert und revidiert werden. Es geht darum zu verstehen, dass wir alle selbst in vielfältiger Weise involviert sind in Geschlechterungleichheiten und zwar auf verschiedenen Ebenen: In der eigenen Familie, in lokalen Kontexten und diese Kontexte wiederum sind miteinander verknüpft durch eine jahrzehntelange Migrationsgeschichte Kosovo-Schweiz. Diese internationale und transkulturelle Perspektive erhält erst einen Raum dadurch, dass wir gemeinsam arbeiten und ständig vergleichen. Eine kosovarische Studentin hat bereits nach der ersten Woche gesagt, ihr Bild über die Schweiz habe sich stark verändert. Und ein Student aus der Schweiz meinte, dass ihm erst jetzt die Unterschiede zwischen Albanien und Kosovo klar geworden seien. Dies sind erste Eindrücke, die darauf hinweisen, dass durch den Austausch, auch wenn dieser nur online stattfindet, ein Wissens- und Erfahrungsgewinn für alle da ist.

 

Die Modulverantwortlichen der BFH, Prof. Dr. Eveline Ammann Dula und der Universität Prishtina, Vijollca Krasniqi.
Die Modulverantwortlichen der BFH, Prof. Dr. Eveline Ammann Dula, und der Universität Prishtina, Prof. Dr. Vjollca Krasniqi, erzählen im Interview über ihre Erfahrungen im gemeinsamen Modul.

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Fachgebiet: Bachelor, Institut Soziale und kulturelle Vielfalt
Rubrik: Studium