EU-Projekt CIRCUSOL nach fünf Jahren abgeschlossen

20.04.2023 Ausgediente PV-Anlagen landen heute in der Regel zu früh im Recycling. Um dieser vorschnellen Aussteuerung von Ressourcen entgegenzuwirken, startete 2018 das EU-Forschungsprojekt CIRCUSOL. Die gewonnenen Erkenntnisse sollen dazu beitragen, dass die Solarbranche ein zirkuläres Wirtschaftsmodell für PV-Module aufbauen kann.

Für eine nachhaltigere Stromerzeugung gewinnt die Photovoltaik (PV) stetig an Bedeutung. Als Folge landen jedoch auch immer mehr ausgediente Komponenten von PV-Anlagen vorschnell im Recycling, wodurch die Umwelt belastet und Ressourcen verschwendet werden. Diesem Problem nahmen sich Forschungsinstitutionen und Unternehmen aus ganz Europa an und suchten im Rahmen des EU-Horizon-Projekts CIRCUSOL nach Lösungen auf Basis der Idee der Kreislaufwirtschaft. Dafür befassten sich die Partner mit allen Lebenszyklusabschnitten von PV-Modulen und suchten auch im Bereich der Energiespeichersysteme nach neuen Ansätzen. Die Forschenden des Fachbereichs Wirtschaftsingenieurwesen an der Berner Fachhochschule BFH beschäftigten sich innerhalb des Projekts insbesondere mit zwei Aufgaben: dem Aufbau einer Datenbank, die Informationen über den Zustand von PV-Modulen und Batterien enthält, sowie mit der Entwicklung eines Simulationsmodells, das die komplexen Zusammenhänge verschiedenster Faktoren eines zirkulären Wirtschaftsmodells darstellt.

Datenbank zeigt das Zirkularitätspotenzial

Um den Informationsaustausch innerhalb der Solarbranche zu vereinfachen und dadurch die Wertschöpfungsketten effizienter und nachhaltiger zu gestalten, entwickelten die Forschenden der BFH den Prototypen einer Datenbank. Dank dieser Datenbank soll es künftig für Stakeholder innerhalb der Wertschöpfungskette möglich sein, PV-Module wiederzufinden sowie schnell und einfach Informationen zu erhalten über ihren physischen Zustand und ihr Zirkularitätspotenzial. Aktuell ist am Ende der ersten Nutzung in den meisten Fällen nicht bekannt, ob Module nur gebraucht, aber noch funktionsfähig sind, oder ob tatsächlich ein Defekt vorliegt, der nicht behoben werden kann. Der zusätzliche Aufwand, den eine genaue Begutachtung und Bewertung der Produkte erfordern würde, steht momentan nicht in einem wirtschaftlichen Verhältnis zum Ertrag, der mit zirkulären Geschäftsmodellen für Second-Life-Produkte erarbeitet werden könnte. An dieser Stelle kommt die von der BFH entwickelte Datenbank ins Spiel: PV-Module sollen gleich zu Beginn ihrer Wertschöpfungskette erfasst und danach weiterverfolgt werden, damit am Ende ihrer ersten Nutzung Informationen zu ihrem Zustand vorhanden sind. Der Prototyp dieser Datenbank soll in einem nächsten Schritt weiterentwickelt und anschliessend den Stakeholdern der Solarbranche zur Verfügung gestellt werden. Ein Schweizer Folgeprojekt ist dafür bereits in Planung. 

Modell bildet komplexe Zusammenhänge ab

Damit ein kreislauforientiertes Geschäftsmodell für die Solarbranche erfolgreich entwickelt und umgesetzt werden kann, sind jedoch nicht nur die Informationen zum Zustand der Produkte entscheidend. Stattdessen müssen viele verschiedene Faktoren berücksichtigt werden: technische, finanzielle, marktwirtschaftliche, ökologische und regulatorische. Das Zusammenspiel dieser Faktoren simulieren die Forschenden der BFH in einem sogenannten System-Dynamics-Modell, um die komplexen Wechselwirkungen der unterschiedlichen Einflüsse besser zu verstehen. Die Modellierungen zeigen: Steigende Strompreise sind der stärkste Treiber für die wachsende Nachfrage nach PV-Systemen. Aufgrund sinkender Anlagepreise wird der Marktanteil der Stromerzeugung mit PV aber auch bei konstanten Strompreisen wachsen, sagt das Modell voraus. Anhand der Simulationen lässt sich ebenfalls aufzeigen, dass wiederverwendete PV-Module aktuell einen schweren Stand haben, denn eine Zweitverwendung ist finanziell nur attraktiv, wenn die Kosten für die Stromerzeugung niedriger oder maximal gleich hoch sind als mit neuen PV-Modulen. Das ist im Moment nicht der Fall.

Handlungsempfehlungen für die Solarbranche

Aus den Erkenntnissen, die im Projekt gewonnen werden konnten, haben die CIRCUSOL-Partner Empfehlungen und Strategien entwickelt, welche die Etablierung von kreislauforientierten Geschäftsmodellen für die Solarbranche fördern können. Dazu gehört unter anderem, vorzeitige Defekte durch Wartungen zu verringern, das Design von PV-Modulen so anzupassen, dass Rohstoffe einfacher zurückgewonnen werden können, und die Entwicklung von Verfahren, dank denen sich Daten einfach erfassen und weitergeben lassen.

stefan grösser
Prof. Dr. Stefan Grösser leitete die Arbeitspakete der BFH.

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