Fünf Fragen an Patty Doran zur partizipativen Aktionsforschung

24.11.2022 «Urbanisierung und demografischer Wandel: ein interdisziplinärer Ansatz zum Verständnis des Alterns in Städten» ist ein Projekt, das den Zusammenhang zwischen Urbanisierung und Alterung untersucht. Im Interview mit Shkumbin Gashi berichtet Dr. Patty Doran von den Herausforderungen und Chancen der partizipativen Aktionsforschung im Gesundheitsbereich.

Shkumbin Gashi: Dr. Doran, Sie arbeiten am «Manchester Institute for Collaborative Research on Ageing (MICRA)». Was fasziniert Sie an Ihrer Arbeit am MICRA?

Dr. Patty Doran: Im Rahmen vom «Manchester Institute for Collaborative Research on Ageing» gehöre ich der «Manchester Urban Ageing Research Group» an. Die Urbanisierung und das Wachstum der Städte stellen eine grosse soziale Herausforderung dar. Die Erforschung der Urbanisierung und des demografischen Wandels bringt eine Reihe von Disziplinen zusammen. Es gefällt mir, das Altern aus einer breiten Palette von Perspektiven zu betrachten. In einem Forschungsinstitut mit etablierten Akademiker*innen und externen Mitarbeiter*innen zu arbeiten, die innovative Forschungsprojekte durchführen, ist ein Privileg.

Shkumbin Gashi: Wie bekannt ist Ihrer Kenntnis und Erfahrung nach die partizipative Aktionsforschung unter Forscher*innen und Gesundheitsexpert*innen in England?

Dr. Patty Doran: Wenn ich das Konzept der partizipativen Aktionsforschung jemandem erkläre, bringe ich den Ansatz häufig mit der Beteiligung der Nutzer*innen in Verbindung. Im Vereinigten Königreich gibt es eine lange Tradition der Nutzer*innen-Beteiligung. Im Gesundheitsbereich hat sich das Konzept «Patient and Public Involvement (PPI)» (Deutsch: Einbezug von Patient*innen und Öffentlichkeit) durchgesetzt. In den meisten Gesundheitseinrichtungen gibt es irgendeine Form von PPI-Gruppen, die bei der Erbringung von Dienstleistungen konsultiert werden. Aber natürlich ist partizipative Aktionsforschung viel mehr als nur Konsultation.

Shkumbin Gashi: Was sind die grössten Vorteile und Herausforderungen, die Sie bei der Durchführung von partizipativer Aktionsforschung erlebt haben?

Dr. Patty Doran: Es ist mir ein Anliegen, das Bewusstsein für Ungleichheiten zu schärfen und auf eine gerechtere Gesellschaft hinzuarbeiten. Einer der grössten Vorteile der partizipativen Aktionsforschung besteht darin, dass wir durch die Zusammenarbeit mit den Menschen und Gemeinschaften, die wir erforschen, ein besseres Verständnis für sie entwickeln können. Durch die Validierung des Wissens der von der Forschung Betroffenen schafft die Koproduktion ausserdem relevante und nützliche Ergebnisse.
Die grösste Herausforderung bei der partizipativen Aktionsforschung besteht vielleicht darin, sich die Zeit zu nehmen, sie richtig durchzuführen. Es braucht Zeit, Beziehungen aufzubauen, Mitforschende zu gewinnen und zu schulen und Interessenvertreter*innen der Gemeinschaft in den Koproduktionsprozess einzubeziehen. Bei der Koproduktion von Forschungsergebnissen mit vielen verschiedenen Akteur*innen ist eine kontinuierliche Kommunikation, Verhandlung und Zusammenarbeit erforderlich.

Shkumbin Gashi: Welche Ratschläge würden Sie jemandem geben, der gerade erst mit der partizipativen Aktionsforschung beginnt?

Dr. Patty Doran: Zu Beginn ist es, wie bei jeder Forschung, wichtig, dass die Rolle der Beteiligten klar begründet ist. Bei der Entwicklung und Anwendung der Methoden sollten Strenge und Transparenz herrschen. Andererseits muss man äusserst flexibel sein, wenn man die Forschung von den Menschen, mit denen man arbeitet, steuern lassen will. 
Zudem ist es wichtig, Fragen zu stellen wie: «Wer ist an der Forschung beteiligt?» und «Wie wird der Beitrag der Menschen, mit denen Sie arbeiten, anerkannt?». Die Koproduktion mit älteren Menschen wird zum Beispiel zunehmend durch Ungleichheiten innerhalb der älteren Bevölkerung und Machtunterschiede innerhalb und zwischen den Gruppen herausgefordert. Es ist wichtig, dass Machtunterschiede sowie ethische Herausforderungen und Querschnittsthemen wie Geschlecht, Klasse, Race und sexuelle Orientierung im gesamten Forschungsprozess explizit gemacht und reflektiert werden. 

Shkumbin Gashi: Gibt es noch etwas, das Sie gerne hinzufügen würden? 

Dr. Patty Doran: Abschliessend möchte ich anmerken, dass die Koproduktion für Forscher*innen eine entscheidende Rolle bei der Bekämpfung von Altersdiskriminierung spielen kann, indem sie die Fähigkeiten und das Wissen, das ältere Menschen in die Forschung einbringen, hervorhebt und entwickelt. Durch die Verschiebung der Machtverhältnisse gewinnen wir eine andere Perspektive. Diese lässt uns Möglichkeiten erkennen, um die sozialen Herausforderungen unserer Zeit besser bewältigen zu können.

 

Patty Doran
Dr. Patty Doran, Forscherin am «Manchester Institute for Collaborative Research on Ageing» (MICRA)

«Einer der grössten Vorteile besteht darin, dass wir durch die Zusammenarbeit mit den Menschen und Gemeinschaften, die wir erforschen, ein besseres Verständnis für sie entwickeln können.»

Dr. Patty Doran

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