Projekt «Biel through a queer lense»
Katja Sauter
Themen
Wohnen
Areal
Städtebau
Standort
Biel
Studiengang
Master Architektur
Modul
Master-Thesis FS 24
Biel through a queer lense - inklusive Stadt durch partizipative Prozesse
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Projekt «Biel through a queer lense – inklusive Stadt durch partizipative Prozesse»
Können Architekt: innen Räume schaffen, die zur sozialen Entwicklung einer Gesellschaft beitragen können? Was sind die Möglichkeiten und Grenzen des Miteinanders? Ist mit Architektur die Wirkung eine inklusive Stadt und somit Gesellschaft zu schaffen zu erreichen? Anhand meiner Masterarbeit habe ich geprüft, wie und ob die Umsetzung dieser Ansätze möglich ist. Durch selbst organisierte Workshops mit queeren Menschen entstand ein Lernprozess partizipativer Entwicklung und ein Verständnis für das Zusammenarbeiten von Fachleuten und Nichtfachleuten. Eine Herausforderung war die verschiedenen Ansprüche der Teilnehmenden in ein architektonisch stimmiges Bild und die verschiedenen Nutzungen von öffentlich und privat, Gemeinschaft und Rückzug, Veranstaltungen und Ruhezonen, Arbeiten und Wohnen, Innen- und Außenbereiche in ein architektonisches Konzept zu bringen, und dabei den Bestand so behutsam wie möglich zu behandeln.
Die zentrale Idee meiner Masterarbeit entstand durch die wissenschaftlichen Arbeiten zu meinem selbst gewählten Thema der sozialen Nachhaltigkeit, welche sich durch das Masterstudium immer weiterentwickelten. Durch die im Zuge der theoretischen Masterarbeit durchgeführten Stadtspaziergänge mit queeren Menschen resultierte der ausgewählte Perimeter, welcher sich im Herzen Biels befindet. Ein kulturell wichtiger Ort, der durch diverse neue Baumaßnahmen jedoch stark in den Hintergrund gerückt ist und nicht das Potenzial ausschöpft, was schon lange dort ist. Der Kern sind die drei Bestandsgebäude um den kleinen Freiraum mit viel Grünbestand in dem sonst sehr dichten Quartier. Das Haus pour Bienne, eine soziale Einrichtung des Vereins Fair mit verschiedenen kulturellen und sozialen Nutzungen, die Villa Fantasie, welche zum Autonomen Jugendzentrum gehört und Musikstudios für Bieler Musiker und einen Club beinhaltet und die Missionskirche, eine frühere Uhrenfabrik, welche für Gottesdienste und kirchliche Veranstaltungen dient.
Der erste Workshop behandelte das Thema der Nutzungen und Nutzenden dieser 3 Bestandsgebäude. Um ein ganzheitliches Konzept für diesen Ort zu schaffen ist es essenziell diese so früh wie möglich zu definieren, um Konflikte und Potenziale zu erkennen und auszuarbeiten. Der zweite Workshop behandelte darauf aufbauend mit Einbezug der Nutzenden und Nutzungen die Gestaltung der Außen- und Straßenräume.
Die Resultate der Workshops waren sehr hilfreich und lehrreich. Nun bestand die Herausforderung darin, die Erkenntnisse in ein architektonisches Bild zu bringen, welches zu dem Ort und der Stadt Biel passt, die Bedürfnisse der Nutzenden miteinbezieht und verschiedene Orte für diese schafft.
Die Nutzung der Missionskirche weicht einem alternativen Wohnprojekt, durch eine Aufstockung wird dafür mehr Raum geschaffen. Dort wird auch eine sexuelle Beratung und Praxis ihren Platz finden, sowie eine Queer friendly Bibliothek welche auch als Treffpunkt für die Queeren Vereine dienen kann. Die Nutzungen der Villa und des Haus pour Biennes sollen durch ihren bereits sehr wichtigen sozialen und kulturellen Beitrag größtenteils beibehalten werden. Die Villa soll durch einen Raum für Konsumenten zur Integration der Suchtkranken beitragen, sowie eine öffentliche Nutzung im Erdgeschoss zu mehr Verbindung mit den anderen Nutzungen und Gebäuden beitragen und die Villa mehr zugänglich machen.
Die Gestaltung der Außenräume wird durch Farbe als Signaletik und wieder aufkommendes Element um die Open Street einzuleiten und zu kennzeichnen geprägt. Bepflanzung und Wasser im Strassenraum um ihn klimatisch und atmosphärisch aufzuwerten, sowie die Einteilung in unterschiedliche Zonen auf dem Platz, für Ruhe- und Aktionsorte sind ein wichtiger Punkt. Es soll ein hohes Maß an Eigengestaltung gewährleisten werden, wofür die freien Gestaltungszonen nicht überplant werden.
Die Ausgestaltung der Aufstockung für das alternative Wohnen auf dem Bestand der Missionskirche war ein großer Teil der Masterarbeit. Um den hier vorgesehenen neuen Nutzungen gerecht zu werden, wird die bestehende Struktur bis auf die Tragstruktur und die Außenwände entkernt. Um mehr Raum für Wohnen und Gemeinschaft, sowie um die Sichtbarkeit zu stärken, wird das bestehende Gebäude um 2 Stockwerke aufgestockt. Dafür wird das bestehende Satteldach abgerissen. Die bestehende Tragstruktur wird, um eine simple Struktur beizubehalten auch in der Aufstockung aufgenommen. Die Aufstockung wird aus einem Holz Leichtbau ausgebildet, die Holzstruktur ist auch in der Fassade erkennbar, wodurch sie sich von dem Bestand absetzt, durch die Aufnahme der vertikalen Elemente jedoch auch verbindet.
Die wichtigste Erkenntnis meiner Arbeit ist, dass durch das Miteinbeziehen queerer Bedürfnisse in die Stadtplanung definitiv eine inklusivere Stadtentwicklung entstehen kann. Da queere Menschen eine soziale Gruppe sind, welche von der Gesellschaft vor allem früher, aber auch heute noch, stark ausgeschlossen und benachteiligt werden, haben diese ein sehr großes Verständnis und Gefühl für andere marginalisierten Gruppen. Bei Fragen zu Stadtentwicklung denken Sie in erster Linie an Gefühle. Sie denken an Atmosphären, Sicherheit, Rückzugsorte, Gemeinschaft, Zusammenhalt, Sichtbarkeit und Integration. An den Jahrelangen Kampf Raum für sich zu schaffen und zu beanspruchen und allgemein an die Probleme unserer Gesellschaft. Da diese Bedürfnisse bei den meisten marginalisierten Gruppen ähnlich sind können durch das Miteinbeziehen queerer Menschen in die Stadtplanung Räume der Integration und Offenheit für alle entstehen.
Für die Möglichkeit in meiner Masterarbeit ein Thema zu wählen, welches mir sehr am Herzen liegt und in dem klassischen Lehrplan der Architektur meist noch nicht sehr vertreten ist, bin ich sehr dankbar. Die starke Förderung der persönlichen Entwicklung und Haltung zur Architektur im Masterstudium der Berner Fachhochschule und der damit einhergehenden Freiheit in Entwurfsprozessen empfand ich als Studentin sehr bereichernd und hat mich für meinen weiteren Weg geprägt.