Wissen weiterzugeben ist etwas vom Schönsten

03.12.2019 Myrtha Dick schloss an der Berner Fachhochschule den EMBA in General Management mit Auszeichnung ab. Die BFH-Dozentin äussert über die Herausforderungen der digitalen Transformation und wie sich dadurch unser Verhältnis zum Wissen wandelt.

Myrtha Dick, unser Gespräch findet früh am Morgen statt. Sind sie ein Morgenmensch?

Myrtha Dick: Ja, definitiv. Sobald ich den Kaffee habe, wird es noch besser (lacht).

Wie begannen Sie Ihre Karriere als Expertin für digitale Transformation?

Ich habe eine klassische Berufslehre als Buchhändlerin absolviert. Dann machte ich berufsbegleitend die Matur und den Bachelor in Informationswissenschaften. Über dieses Thema darf ich ja heute bei der BFH dozieren – Informationen finden, aufbereiten und aufbewahren. In diesem Studium kam ich ein erstes Mal mit Projektmanagement in Berührung. Zeitgleich mit dem Abschluss des Bachelors, wechselte ich ein erstes Mal die Branche und verliess die Welt der Bücher zugunsten der eidgenössischen Finanzmarktaufsicht Finma.

Der digitale Funken sprang über ...

Genau. Zwei Jahre später startete ich die EMBA-Ausbildung an der BFH. Super war, dass ich meine Module so zusammenstellen konnte, dass sie immer auf den Job passten. Während dem Studium wechselte ich intern die Stelle und war neben der Projektleitung auch in der Linienführung tätig. Unter anderen habe ich die zwei CAS «Führung» und «Change Management» absolviert. Die digitale Transformation schwang als Thema immer mit. Das Team, welches ich bei der Finma leitete, war für die Organisationsentwicklung innerhalb des Geschäftsbereichs Banken zuständig, beispielsweise für die Einführung neuer Applikationen und digitaler Informationskanäle. Die letzte Station des EMBA war dann die Master- Thesis. Diese wollte ich nicht intern schreiben, die Finma kannte ich. Bei Ypsomed erhielt ich die Chance, die Kultur und Prozesse einer Medtech-Firma kennenzulernen.

Sie konnten der Ypsomed konkrete Handlungsempfehlungen zu den drei Themen Kultur, Prozesse und Personal geben. Wie kam das bei den Verantwortlichen an?

Es kommt immer drauf an, wie man solche Erkenntnisse rüberbringt. Eine der Handlungsempfehlungen, die Digitale Transformation in die Unternehmensziele der Ypsomed einzubetten, wurde mit Fokus auf die Digitalisierung des Portfolios übernommen. Eine weitere Handlungsempfehlung meinerseits war es, durch die Publikation von Success Stories die Akzeptanz agiler Methoden weiter zu pushen. Toll war, dass die Erarbeitung der Master-Thesis eine hohe firmeninterne Akzeptanz hatte und ich Interviews bis ganz oben in der Hierarchie durchführen konnte. So nahm sich auch CEO Simon Michel eine Stunde Zeit.

Ist in Schweizer Unternehmen das Bewusstsein für die digitale Transformation als ganzheitlicher, umfassender Prozess vorhanden?

Ich habe den Eindruck, dass man lange nur auf die technische Digitalisierung fokussiert hat. Heisst, den physischen Prozess eins zu eins technisch abbilden. Dabei gehen oft potenzielle Prozessoptimierungen vergessen und es wird nicht hinterfragt, ob das wirklich Sinn macht. Wenn ich in der Masterarbeit vom Thema sprach, habe ich den ganzheitlichen Begriff der digitalen Transformation verwendet und nicht Digitalisierung. Das Bewusstsein, dass es gesamtheitlich sein muss, dringt in den Unternehmen durch und auch, dassman die Mitarbeitenden dabei an Bord holen sollte.

Sie sind im Rahmen wissenschaftlichen Arbeitens an der BFH-TI als Dozentin für methodisches Recherchieren und korrekter Umgang mit Quellen tätig. Wo stellen Sie die grössten Defizite bei der Informationskompetenz und der Informationsverarbeitung fest?

Es fängt beim Formulieren des Informationsbedürfnisses an. Was brauche ich und mit welchen Quellen will ich arbeiten? Was sind meine Fragestellungen? Wie viel Zeit kann ich für die Recherche und die Informationsaufbereitung verwenden? Ich kann mir vorstellen, dass die nächsten Generationen weniger Mühe damit haben, weil Informations- und Medienkompetenz im heutigen Schulsystem konkret gefördert wird.

Wandelt sich auch die Informationsverarbeitung?

Ich hoffe sehr darauf, dass der firmeninterne Knowhow-Transfer zunimmt, dort schlummert viel Potenzial. Weil die Leute nicht wissen, wie sie Wissen teilen können oder dies nicht wollen, weil sie Angst haben, dadurch Wissensvorsprünge zu verlieren. In vielen Firmen sind auch die Strukturen nicht da, Wissen zu teilen. Für mich persönlich ist Wissen weiterzugeben etwas vom Schönsten – deshalb macht mir auch das Dozieren an der BFH grosse Freude.

Wie geht es weiter mit Ihrer Karriere? Steht auch eine nächste Transformation an?

Ja, ich nehme eine neue berufliche Herausforderung in Angriff und habe soeben bei der CSP in Bern als Beraterin und Projektleiterin gestartet.

Myrtha Dick

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Rubrik: Weiterbildung