«Wir haben noch viel vor»

20.12.2021 Prof. Dr. Sebastian Wörwag, Rektor der Berner Fachhochschule BFH, reflektiert im Interview das Jahr 2021 und blickt mit viel Optimismus und Tatendrang nach vorn.

Prof. Dr. Sebastian Wörwag, Rektor der Berner Fachhochschule (Bild: zvg)

Wie haben Sie als Rektor der BFH das 2021 erlebt? 

Gesellschaftlich war es ein Übergangsjahr. Es ging darum, dass wir von einer alten in eine neue Normalität finden. Noch ist nicht ganz klar, was diese neue Normalität alles mit sich bringen wird. Ich habe das 2021 deshalb auch als herausforderndes Jahr wahrgenommen. Eines, während dem neue gesellschaftliche Diskussionen geführt wurden – und immer noch werden. Was für eine Gesellschaft haben wir? Was für eine Gesellschaft wollen wir haben? Diese Diskussionen sind fundamental für unsere Zukunft. 

Was heisst das für die BFH?

Die BFH will sich für den Wandel in Richtung einer verantwortungsvollen Gesellschaft engagieren. Einerseits durch die Ausbildung von jungen Menschen, die die nächsten Generationen prägen werden. Andererseits durch Erkenntnisse aus Forschung und Entwicklung, die direkt in die Gesellschaft und die Politik einfliessen. Damit können wir in der aktuellen Zeit der Unsicherheit eine Orientierungsfunktion wahrnehmen. Eine Orientierungsfunktion, die hilft, den angesprochenen gesellschaftlichen Übergang gut zu bewältigen.  

Wenn Sie drei Dinge hervorheben müssten, welche die BFH in diesem Jahr besonders geprägt haben, welche wären es?

Ich möchte an dieser Stelle auf drei Personengruppen eingehen. Erstens die Student*innen: Sie haben sich in der angesprochenen Unsicherheitsphase 2021 sehr flexibel gezeigt und auf das eigene Lernen bezogen mehr Selbstverantwortung übernommen. Zweitens die Mitarbeiter*innen: Auch hier möchte ich besonders ihr Engagement hervorheben, aber auch die Offenheit und das Interesse an der Gestaltung von Hochschule inmitten der Gesellschaft. Die vielen Gespräche darüber, wie wir unsere Aufgabe in der Gesellschaft verstehen wollen und was wirklich relevant sein soll, waren für mich herausragende Erlebnisse. Drittens das Umfeld: Beispielsweise unsere Partnerhochschulen oder die Politik. Da erlebe ich viel Support, viel Pragmatismus und viel innovatives, kreatives Denken. Da spüre ich, dass noch ganz viel möglich ist. 

Und welche Erfolge der BFH möchten Sie herausstreichen?

Zum einen freut mich natürlich, dass wir in der Lehre wachsende Student*innenzahlen haben. Zum anderen freue ich mich sehr über das Modell «BFH diagonal», mit dem wir über Disziplinengrenzen hinweg Bildung betreiben. Erfreulich ist auch die Einführung von neuen Lern- und Lehrtechnologien, die gut gelungen sind und gut aufgenommen werden. In der Forschung freue ich mich über herausragende Forschungsprojekte zu gesellschaftlich relevanten Themen. Und ich habe sehr viel Freude an der Weiterbildung, die sich im Sinn von kooperativen Angeboten über die Disziplinengrenzen hinweg engagiert.

Bei Ihrem Amtsantritt haben Sie gesagt, dass Sie die grossen gesellschaftlichen Themen identifizieren möchten, zu denen die BFH dank ihrer Vielfalt einen Mehrwert leisten kann. Können Sie dazu in der Zwischenzeit mehr sagen?

Wir wollen uns auf drei strategische Themenfelder fokussieren. Das ist erstens die Nachhaltigkeit und innerhalb der Nachhaltigkeit auf gesundheitsfördernde Ernährungssysteme, die Kreislaufwirtschaft und die Entwicklung unserer Lebensräume. Das zweite Feld ist die inklusive, altersgerechte Gesellschaft. Es geht hier um den gesellschaftlichen Wandel, der uns allen bewusst ist, aber noch viele Fragen aufwirft. Und drittens wissen wir alle, dass wir uns in einem rasenden Schnellzug in Richtung Digitalisierung der Gesellschaft befinden. Hier braucht es eine kritische Reflexion zu Folgeabschätzungen, was diese Entwicklung für den Menschen bedeutet. Hier wollen wir eine humane digitale Transformation fördern. 

Mit Ihnen als Rektor hat die BFH im vergangenen Jahr strategisch neue Wege eingeschlagen. Wie würden Sie Ihre eigene Gangart beschreiben? 

Meine Gangart ist wahrscheinlich nicht ein schlendernder Spaziergang. Sie ist wohl eher etwas zwischen Dauerlauf und Trail Running (lacht). Es geht ziemlich flink voran, das ist mir bewusst. Aber ich glaube, indem wir Dinge mit Energie angehen, tun sich neue Möglichkeiten auf. Mir gefällt, wenn man grundsätzlich von einer Möglichkeitsperspektive ausgeht und denkt, es ist nichts unmöglich.

Ein Jahresübergang bietet immer auch Gelegenheit, in die Zukunft zu blicken. Mit welchem Gefühl gehen Sie das 2022 an?

Als grundsätzlich sehr optimistischer Mensch gehe ich es mit einer Mischung aus Neugier und Vorfreude an. Ich habe aber auch ein starkes Bewusstsein dafür, dass wir eine grosse Verantwortung tragen. Den eingangs angesprochenen gesellschaftlichen Wandel müssen wir sehr sorgfältig angehen – und zwar nicht nur als BFH, sondern gesamtgesellschaftlich. 

Was möchten Sie im kommenden Jahr konkret anpacken?

Erstens möchte ich die Entwicklung der neuen BFH-Strategie weiter vorantreiben. Zweitens möchte ich im Rahmen der Personalautonomie Bedingungen schaffen, die es uns ermöglichen, uns gesund weiterzuentwickeln. Drittens möchte ich an den bestehenden Standorten infrastrukturelle Verbesserungen erzielen und gleichzeitig die weitere Planung der Campusse vorantreiben. Ich könnte an dieser Stelle noch viele weitere Projekte aufzählen, etwa die Gestaltung des Hochschulraums Bern, das Grossprojekt Swiss Center for Design and Health, BeLearn, die gute Verankerung und Ausgestaltung des TecLabs in Burgdorf und so weiter und so fort.

Welches sind aus Ihrer Sicht die grössten Herausforderungen?

Eine Herausforderung ist sicher der Umgang mit den angesprochenen Unsicherheiten. Wir wissen nicht, wie sich die Coronapandemie weiterentwickeln wird. Unsicherheiten haben wir nach wie vor auch in der Zeitplanung der Campusbauten. Und es ist zwingend notwendig, dass die Schweiz wieder einen Anschluss an die EU-Bildungs- und Forschungsprogramme bekommt. 

Und dann ist das nächste Jahr für die BFH ja auch noch ein Jubiläumsjahr …

Die BFH, wie wir sie heute kennen, ist 25 Jahre jung. Und ich sage bewusst jung, weil wir uns nicht alt und satt fühlen, sondern jung, frisch und neugierig. In diesem Sinn haben wir noch viel vor. Dieses «Etwas-vor-sich-haben» und «Etwas-vorhaben» im Allgemeinen, das soll die BFH in Zukunft weiter prägen. Das Motto des Jubiläumsjahrs lautet entsprechend «BFH bewegt». Wir wollen uns auf verschiedenen Ebenen engagieren, etwas in Bewegung setzen. Dies natürlich im Rahmen unserer strategischen Themenfelder und da wiederum explizit im Bereich der Nachhaltigkeit.

Rubrik: Fachhochschule