Mit Bananen eine neue Zukunft schaffen

23.06.2022 Die Hügel der Region Carmen auf den Philippinen sind gezeichnet von Abholzung, Monokultur und Wasserknappheit. Als Teil des internationalen Projekts «Going Bananas» unterstützt die BFH Bauernfamilien beim Wandel hin zu einer nachhaltigen Landwirtschaft.

Prof. Dr. Gurbir Singh Bhullar
Prof. Dr. Gurbir Singh Bhullar bespricht in den Hügeln von Carmen Wassergewinnungs- und Anbaustrategien. Bild: zvg

Viele Bauernfamilien in der von einem jahrelangen Konflikt geprägten Region Carmen leben unterhalb der Armutsgrenze. Sie wünschen sich verzweifelt eine Veränderung, verfügen jedoch weder über genügend Geld noch Saatgut oder Know-how, um diese aus eigener Kraft herbeizuführen.

Fruchtbarer Boden erodierte über Jahre

Mitverantwortlich für ihre schwierige Situation ist der Maisanbau, mit dem die Bauern vor einigen Jahren begannen. Um die Maisfelder anzulegen, wurde das hügelige Gelände abgeholzt. Ein Teufelskreis begann. Mit jedem Regen wurde mehr fruchtbare Erde weggespült. Das Regenwasser sickerte nicht mehr durch den Boden, um sich in Wasserläufen als Frischwasserquelle für die Bevölkerung zu sammeln. Die für den intensiven Maisanbau notwendigen Düngemittel führen zudem zu einer Verunreinigung der verbleibenden Wasserläufe, erläutert Prof. Dr. Gurbir Singh Bhullar. Der Professor für nachhaltige Agroökosysteme an der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften der BFH ist im Projekt «Going Bananas» für den Aufbau einer nachhaltigen Landwirtschaft verantwortlich. Einige Bauern hätten zudem mit Händlern Verträge für den Maisanbau unterzeichnet und dafür Kredite aufgenommen. «Aufgrund der stetig weiter sinkenden Erträge, haben einige Mühe, diese zurückzuzahlen. Und das bedeutet, dass sie mit jeder Ernte noch mehr Geld verlieren», so Bhullar.

Prof. Dr. Gurbir Singh Bhullar
Prof. Dr. Gurbir Singh Bhullar führt im Projekt «Going Bananas» zusätzlich Boden- und Wassertests durch und plant Workshops für den Austausch mit den philippinischen Behörden. Bild: zvg

Neue Anbausysteme entwickelt von der BFH

«Eine so komplexe Situation muss von verschiedenen Seiten angegangen werden», betont Bhullar. Es brauche funktionierende Anbausysteme und einen gesicherten Absatzmarkt. Im Projekt «Going Bananas», das von der Netherlands Enterprise Agency (RVO) ins Leben gerufen wurde, engagiert sich deshalb seit Juli 2020 die BFH gemeinsam mit verschiedenen Partnern unter der Leitung der Non-Profit-Organisation Aidenvironment.

Forschung und praktische Umsetzung gehen beim Projekt «Going Bananas» Hand in Hand. «In der Anfangsphase haben wir gemeinsam eine Feldstudie durchgeführt», erklärt Bhullar. Die holländischen Kolleg*innen benötigten Informationen zum Gelände, um eine Lösung für die Wassergewinnung zu entwickeln. Bhullar untersuchte in Zusammenarbeit mit den lokalen Anspruchsgruppen, welche Anbausysteme und Pflanzen sich am besten eignen. «Basierend auf der Geländestudie habe ich verschiedene Anbaupläne für die unterschiedlichen Geländeanforderungen entwickelt», erzählt Bhullar. Im Rahmen eines Pilotbetriebs werden diese nun auf Demonstrationsfeldern getestet, die später als Schulungs- und Informationscenter für die Bauernfamilien dienen sollen. Die Bauern werden direkt auf dem Feld sehen, was funktioniert hat und was nicht. «Und vor allem wollen wir Ihnen zeigen, wie sie das System später auf den eigenen Feldern anwenden können», betont Bhullar.

Versorgungssicherheit durch Vielfalt

«Wir haben ein Anbausystem entwickelt, indem Bananenplantagen angelegt und mit Kokospalmen, Fruchtbäumen und Gemüse erweitert werden», erläutert Bhullar. Bananen und Kokosnüsse deshalb, weil die Abnahme durch die lokal bereits existierende Verarbeitungsindustrie garantiert sei. Fruchtbäume und Gemüse, um die Vielfalt und die Versorgungssicherheit zu verbessern. Gerade zu Beginn, während die Bananenstauden und die Bäume langsam wachsen, könne der Platz mit dem Gemüseanbau optimal genutzt werden. «Hier konnten wir mit den lokalen Behörden zusammenspannen. Sie haben im Rahmen eines eigenen Programms das Saatgut zur Verfügung gestellt, um den lokalen Gemüseanbau zu fördern», so Bhullar. Gemüse und Früchte könnten die Bauern auf dem Markt verkaufen und selbst konsumieren. Beides wirke sich positiv auf die Ernährung und das Wohlbefinden der Menschen in der Region aus.

Prof. Dr. Gurbir Singh Bhullar mit Kolleg*innen im Feld
Prof. Dr. Gurbir Singh Bhullar (Mitte) untersucht im Rahmen der Einführungsstudie mit Kolleg*innen vor Ort die Schäden, die durch die Maismonokulturen entstanden sind. Bild: zvg

Private Partner unterstützen das Projekt

Neben der Projektförderung durch die Netherlands Enterprise Agency bringt das Konsortium von Going Bananas eigene Ressourcen ein und holte private lokale Partner mit an Bord. «Sie investieren in den Ausbau der bestehenden Bananenverarbeitungsindustrie, um eine ökologische Wertschöpfungskette zu schaffen», erklärt Bhullar. Zudem unterstütze die University of Southern Mindanao (USM) das Projekt mit der Produktion von Bananensetzlingen.

Ein Projekt mit Höhen und Tiefen

Nach dem Abschluss der Einführungsstudie im Jahr 2020, im Rahmen derer Bedürfnisse und Herausforderungen geklärt wurden, kam die Pandemie. Es wurde ruhiger im Projekt. «Bereits rekrutierte Mitarbeiter*innen vor Ort nutzten die Zeit, um Bauernfamilien und Freiwillige für die Pilotbetriebe zu finden», erklärt Bhullar. Das Konsortium habe zudem bei den Behörden zusätzliche Mittel für die Produktion der Setzlinge beschaffen können. Richtig starten konnte das Projekt aber erst wieder Anfang dieses Jahres.

Als grosses Highlight des Projekts bezeichnet Bhullar die Zusammenarbeit mit den lokalen Behörden. «Die Gemeindeverwaltung stellt ihr Landwirtschaftspersonal zur Verfügung und hilft mit, die Bauern zu erreichen», erzählt Bhullar. Diese vom neuen Anbausystem zu überzeugen, sei jedoch aufgrund von derzeit tiefen Bananenpreisen nicht ganz so einfach.

Weiteres Element des Projekts ist ein Erfahrungs- und Wissensaustausch mit Indien, der dank bestehender Kontakte von Bhullar in Indien zustande kam. Wichtige philippinische Anspruchsgruppen werden nach Indien eingeladen. Sie sollen von den Erfahrungen in vergleichbaren Regionen profitieren können, in denen beispielsweise das ökologische System sowie interne Kontrollsysteme bereits etabliert sind und gut funktionieren.

Erste Resultate in zwei Jahren

Aktuell werden die Demonstrationsfelder bepflanzt, der Pilotbetrieb wird aufgenommen. Zudem liegt der Fokus derzeit auf dem Austausch mit den Bauernfamilien vor Ort. «Unser Ziel ist, bis Ende 2024 rund 3000 Haushalte zu erreichen und mit dem neuen Anbausystem vertraut zu machen», so Bhullar. Viele sollen in einem nächsten Schritt Pflanzensetzlinge erhalten, um den Anbau in ihrem Gebiet zu testen. Während das erste Gemüse rasch geerntet werden könne, benötigten die Bananenstauden etwa ein Jahr, bis sie erste Früchte tragen. «Fruchtbäume und Kokospalmen brauchen etwas mehr Zeit», erläutert Bhullar. An manchen Stellen sei fast ein Meter fruchtbarer Boden weggespült worden. Es müsse also viel organisches Material aufgebaut werden, damit die Bäume wachsen können. «Wir müssen also Wege finden, um genügend Kompost zu produzieren», so Bhullar. Dies sei eine Herausforderung, weil es nur wenig tierischen Dung gebe. Dennoch sagt Bhullar zuversichtlich: «Bis in zwei Jahren werden die ersten Resultate sichtbar sein.»

Forschung und Austausch mit den lokalen Behörden

Prof. Dr. Gurbir Singh Bhullar leitet einen zweiten wichtigen Teil des Projekts «Going Bananas», der vom ETH Leading House Asia finanziert wird. Dieser konzentriert sich auf Boden- und Wassertests sowie den Austausch mit der Politik. «Geplant sind Workshops mit philippinischen Behördenvertreter*innen. Wir wollen ihnen vor Augen führen, welche Probleme die Abholzung und die Maismonokulturen verursacht haben und was ein ökologisches Anbausystem bewirken kann», sagt Bhullar. 

Zur Person

Prof. Dr. Gurbir Singh Bhullar ist als Professor of Sustainable Agroecosystems in Forschung und Lehre im Fachbereich Agronomie der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften in Zollikofen tätig und ist Teil des HAFL Hugo P. Cecchini Institute. Nach seiner Promotion an der ETH Zürich konzentrierte er sich auf die Agrarforschung für die ländliche Entwicklung, wobei er auf partizipative Forschung setzt und die lokalen Anspruchsgruppen in den Forschungsprozess miteinbezieht. Während fast acht Jahren leitete er den Bereich «Agrarsystemforschung in den Tropen» am Forschungsinstitut für biologischen Landbau FiBL. Was mit dem Begriff «Sustainable Agroecosystems» konkret gemeint ist, erklärt er im Video.