3 Fragen an Bettina Wyer

25.09.2019 Der Fachkurs Sozialberatung setzt Schauspiel und andere Methoden gezielt ein, um die Teilnehmenden anzuregen, am Lernprozess aktiv teilzuhaben. Schauspielerin Bettina Wyer berichtet von ihren Erfahrungen.

Bettina Wyer, Sie sind im Fachkurs Sozialberatung mit einem Kollegen als Schauspieler tätig. Welche Lerneffekte haben Beratungsübungen mit Schauspielerinnen und Schauspielern?


Häufig denken Teilnehmende vor solchen Übungssequenzen, dass Rollenspiele bloss ein künstliches Setting darstellen und weder mit ihrer eigenen noch mit der Realität ihrer Klientel zu tun haben. Unter dieser Voraussetzung haben wir den Anspruch, die vorbereiteten Fälle so zu verkörpern, dass die Klientinnen und Klienten, die wir spielen, Erinnerungen an die eigene Praxis wecken. Meist sind die Teilnehmenden überrascht, wie echt sich das Setting präsentiert und dass sie plötzlich mit Gefühlen von Widerstand, Ablehnung oder auch Mitleid mit dem Gegenüber konfrontiert sind. Empfindungen, die sie auch aus realen Situationen kennen. Sie reproduzieren in diesen Übungssequenzen ihre fachlichen Kommunikations- und Beziehungsmuster. Anders als in der Realität haben wir aber die Möglichkeit, das Gespräch zu stoppen und aus Sicht der Klientin zu reflektieren, warum diese beispielsweise nicht kooperiert. So werden dysfunktionale Kommunikationsmuster oder diffuse, unzweckmässige Gefühlsreaktionen auf Seiten der Fachpersonen sichtbar und benannt. Erstaunlicherweise deckt sich die Einschätzung der Klientin häufig mit derjenigen der Zuschauenden, die das Ganze von aussen beobachten. Die Rückmeldung der Gruppe verstärkt den Lerneffekt zusätzlich. 

Wie bereiten Sie sich auf Ihre Rollen vor?


Nebst den kurzen Rollenbeschrieben, die uns zur Verfügung stehen, stellen wir uns meist eine Hintergrundgeschichte vor. Wer ist dieser Mensch? Aus welchem Milieu stammt er? Wie sieht die Wohnung aus? Wie spricht die Person? Ist sie zum ersten Mal auf einem Amt oder hat sie bereits eine längere «Ämterkarriere» hinter sich? Mit welchem Gefühl geht dieser Mensch aufs Amt – mit Hilflosigkeit, Angst, Widerstand oder Stolz? Die eigentliche Kunst besteht für mich jedoch darin, situativ auf die jeweilige Beratungsperson zu reagieren. Je nach Gegenüber verhält sich der Klient oder die Klientin ziemlich anders, nicht als Charakter, sondern emotional. Und diese Emotionen sind als Schauspielerin nicht geplant, sondern entstehen im Moment des Spiels. Wenn sie als verzweifelte Eltern auf der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde sitzen und von der Beratungsperson erstmal die Gesprächsregeln definiert werden, keimt bereits der erste Widerstand auf oder macht sich Hilflosigkeit breit.  

Wann fühlen Sie sich als «Klientin» von einer Beratungsperson angenommen?
 

Manche Beratungspersonen haben die Fähigkeit, mir als Klientin mit echter Zuwendung zu begegnen. Das bedeutet nicht überbordende Empathie, sondern eher eine sachliche und freundliche Zugewandtheit. Sie hören genau zu, was ich erzähle. In solchen Situationen habe ich den Eindruck, einem Menschen gegenüberzusitzen und nicht bloss der Vertretung eines Amtes und als Mensch angenommen zu werden. 

Bettina Wyer

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Rubrik: Weiterbildung