- Story
Physiotherapie an der «Smiling Coast» in Westafrika
27.11.2024 Im Rahmen ihres Master-Studiums verbrachten Madlaina Bolt und Noémie Burger vier Wochen in Gambia. Sie arbeiteten in einer Rehaklinik, machten Hausbesuche, unterrichteten Bachelor-Studierende und durften viel von den Menschen lernen.
Das Wichtigste in Kürze
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Die Master-Studierenden Madlaina Bolt und Noémie Burger haben im Rahmen ihres Transfermoduls vier Wochen in Gambia gearbeitet.
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Die beiden Physiotherapeutinnen arbeiteten in einer Rehaklinik, machten Hausbesuche, sprachen an einer Infoveranstaltung und unterrichteten Bachelor-Studierende.
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Die beiden Studentinnen studieren im Schwerpunkt Neurologie.
In einer wenig befahrenen Seitenstrasse der sonst sehr belebten Stadt Serrekunda weist ein weisses Schild mit dem Text «Penmar Physiotherapy and Rehabilitation Clinic» auf den Eingang zur einzigen Rehaklinik des Landes hin. Penmar wurde 2018 von den Physiotherapeutinnen und gebürtigen Gambianerinnen Mariama Hiestand und Penda Sidibeh gegründet. Mariama lebt mittlerweile in der Schweiz, von wo aus sie die Klinik leitet. Durch sie war es uns möglich, das zweite Transfermodul des Master-Studiums in Gambia zu absolvieren und so wertvolle Einblicke in das Gesundheitssystem des kleinen westafrikanischen Landes zu gewinnen und die reiche Kultur des Landes hautnah mitzuerleben.
In der einzigen Rehaklinik des Landes
Auf dem Platz neben dem Eingang steht ein Gehbarren im Freien und wenn man die Klink betritt, sieht man als erstes einen Trainingsbereich mit Geräten, alle aus der Schweiz importiert. Die Klinik ist zwar nicht gross und die Ressourcen sind im Vergleich zum Schweizer Standard limitiert, dennoch waren wir beeindruckt von der grossen Auswahl vorhandener Therapiegeräte und wieviel Wert auf Qualität in der Behandlung gelegt wird. Dies resultierte in enormer Kreativität und Wissbegier, von der sich manche Schweizer Therapeut*innen eine Scheibe abschneiden dürften. Aktuell sind in Penmar zwei Physiotherapeut*innen angestellt. Die Klinik bietet Platz für zwei stationäre Patient*innen sowie ambulante Therapie. Die Erstbehandlung kostet 700 Dalasi, was umgerechnet circa 10 Schweizer Franken entspricht. Für jede weitere Sitzung werden 500 Dalasi verrechnet. Als Vergleich: ein durchschnittlicher Monatslohn in Gambia beträgt etwa 7000 bis 10500 Dalasi – also zwischen 100 und 150 Schweizer Franken – und es gibt keine Krankenkasse oder Versicherung, welche die Kosten übernehmen. Daher kommt es auch immer wieder vor, dass Personen nicht in der Lage sind, für die Kosten der Therapie aufzukommen. In solchen Fällen und wenn eine klare Indikation für Physiotherapie besteht, wird die Therapie über Spendengelder bezahlt.
Während unserer Arbeit in Penmar führten wir meist Doppelbehandlungen durch – entweder wir beide oder mit den Therapeut*innen der Klinik. Dies führte zu einem regen Austausch, der für uns alle sehr bereichernd war. Drei Mal pro Woche gingen wir zudem bei Patient*innen auf Hausbesuch und erhielten dadurch zusätzliche Einblicke in das Leben und den Alltag der lokalen Bevölkerung. Uns fiel auf, dass die Angehörigen und zum Teil sogar die Nachbarn oft gerne in die Therapie involviert werden und beispielsweise mit dem Transport oder mit Heimübungen helfen. Dies konnte aber auch dazu führen, dass manchmal mehrere Personen während der Therapie anwesend waren und unsere Patient*innen durch die Gespräche abgelenkt wurden.
Unterricht mit Umwegen
Jeweils mittwochs fuhren wir in die Hauptstadt Banjul ans Edward Francis Small Teaching Hospital (EFSTH), wo der Unterricht der Bachelor-Studierenden in Physiotherapie stattfand. Anhand der Informationen, die wir im Vorfeld erhalten hatten, gingen wir davon aus, die Studierenden wären im zweiten Semester und hätten daher entsprechenden Stoff vorbereitet. Schnell stellte sich aber heraus, dass sie alle frisch von der High School kamen und mit uns ihren allerersten Vorlesungstag bestritten. Trotzdem waren sie hochmotiviert und wir waren verblüfft ob ihrer schnellen Auffassungsgabe trotz des für Erstsemestrige sehr anspruchsvollen Lerninhaltes. Für die weiteren Lektionen passten wir daher den Unterrichtsinhalt an und fügten zusätzlich Grundlagen hinzu, um dann darauf aufzubauen. Wir erfuhren zudem, dass es an qualifizierten Lehrpersonen mangelt und sich die Studierenden somit einen Grossteil der Lerninhalte selbständig erarbeiten müssen, wobei auch hier die Ressourcen und Lernmaterialien sehr begrenzt sind. Umso mehr beeindruckten uns die Studierenden mit ihrer Fähigkeit, die neuen Inhalte aufzunehmen und in kürzester Zeit in eigenen Worten wiederzugeben.
Gratis Check-ups und Informationsveranstaltungen für die Bevölkerung
Wir hatten zudem die Möglichkeit, an einer Gesundheitsmesse eines Gemeinschaftszentrums in Zusammenarbeit mit dem Roten Kreuz teilzunehmen. Diese Messe wird jeweils an einem Tag pro Jahr durchgeführt. Das Interesse an einer regelmässigeren Durchführung wäre gross, doch leider ist dies finanziell nicht möglich. Das Personal ist sehr bemüht, das Beste aus den vorhandenen Ressourcen zu machen. An der Gesundheitsmesse können alle vorbeikommen, auch wenn sie nicht in der Region wohnen. Bei allen Teilnehmer*innen werden die Vitalparameter gemessen und anschliessend können sie diese Werte mit Ärzt*innen besprechen, die ihnen dann auch gleich die nötigen Medikamente verschreiben. Zusätzlich werden auch noch Schwangerschaftskontrollen, Augenuntersuchungen oder Impfungen angeboten. Abgesehen von den Medikamenten ist an diesem Tag alles gratis. Unser Beitrag war es, den Anwesenden die drei verbreitetsten Gesundheitsthemen in Gambia näher zu bringen: Bluthochdruck, Diabetes und Schlaganfall. Wir führten mehrere kleine Infoveranstaltungen zur freien Teilnahme durch, an denen wir anhand von Postern die Themen erklärten und die Möglichkeit für Fragen boten. Die Teilnehmer*innen schienen sehr interessiert und für viele waren die Erkenntnisse besonders bezüglich Ernährung und Lebensstil neu. Dies könnte mitunter auch erklären, weshalb Schlaganfälle in Gambia so verbreitet sind, wie wir in Gesprächen mit anderen Therapeut*innen und Gesundheitsfachpersonen gelernt hatten. Weiter führten wir Konsultationen bei einzelnen Personen durch, die von den Ärzt*innen zu uns geschickt wurden, und bestärkten einige darin, sich in Penmar zu melden.
Kulturelle Brücken bilden
Unsere Freizeit verbrachten wir mit unserer Gastfamilie. Von ihnen durften wir über ihre Kultur, Religion und die verschiedenen Stämme und Sprachen lernen und diskutierten über Gemeinsamkeiten und Unterschiede unserer Länder. Dadurch hatten wir auch einen sehr authentischen Einblick in den Alltag in Gambia: Wir gingen gemeinsam zum Einkaufen auf den Markt und bereiteten anschliessend zusammen das Essen über dem Feuer zu, wuschen unsere Wäsche von Hand im Hof oder halfen bei Gartenarbeiten. All diese Aufgabe wurden meist von der ganzen Familie gemeinsam erledigt. Es gab Musik und es wurde gesungen, getanzt und gelacht. Es überrascht uns daher nicht, dass Gambia auch den Spitznamen «Smiling Coast» trägt. Die Warmherzigkeit und Gastfreundschaft hat uns sehr berührt.