Architekturstudium am Puls der Stadt

01.12.2025 Seit 20 Jahren bieten die Berner Fachhochschule BFH und die Fachhochschule Westschweiz gemeinsam ein Masterstudium Architektur an. In diesem steht den Studierenden ein breites Angebot an Lehrveranstaltungen offen. Am Standort Biel tauchen sie ein in die Siedlungsentwicklung mit kooperativen und interdisziplinären Methoden und in die regenerative Architektur mit Holz und anderen biobasierten Werkstoffen. Im Stadtlabor erleben die Studierenden die Berufsrealität hautnah.

Das Wichtigste in Kürze

  • Der Joint Master of Architecture feiert 2025 sein 20-jähriges Bestehen. Der Studiengang wird gemeinsam von der Berner Fachhochschule und der Fachhochschule Westschweiz angeboten.
  • In der Auseinandersetzung mit realen Projekten lernen die Studierenden den Umgang mit den sozialen, ökonomischen und ökologischen Zusammenhängen der Stadtentwicklung und des Bauens.
  • Die Entwicklung des Bieler Quartiers Geyisried Süd ermöglicht den Studierenden, sich in die Zukunftsthemen «Kooperative Architektur» und «Regenerative Architektur» zu vertiefen.

Genossenschaftssiedlung Geyisried Süd

Zwischen den 1940er- und 1970er-Jahren bauten neun Genossenschaften die grösste zusammenhängende Genossenschaftssiedlung in Biel, Geyisried Süd. Die Häuser sind teilweise sanierungsbedürftig, viele der rund 700 Wohnungen genügen heutigen Ansprüchen nicht mehr. Bei der geplanten Erneuerung stellen sich ökologische und soziale Fragen, die das ganze Spektrum zeitgemässer Stadtplanung und Architektur umfassen – zum Beispiel im Zusammenhang mit Verdichtung, Flexibilisierung des Wohnraums, Nachhaltigkeit beim Bau und Betrieb oder Nutzung der Grün- und Freiflächen.

Master-Studierende Architektur präsentieren ihre Projektarbeiten Geyisried Süd.
Master-Studierende Architektur präsentieren ihre Projektarbeiten Geyisried Süd.

Stadtentwicklung konkret als Studienobjekt

Geyisried Süd ist damit ein idealer Fall für das Stadtlabor Biel. Hier tauschen sich Fachverbände, Bieler Behörden und andere Interessierte über aktuelle Fragen der Stadtentwicklung aus. Eine aktive Rolle nimmt dabei die BFH ein: Sie integriert die Themen in ihr Studienprogramm und lässt sie von den Studierenden bearbeiten. Die Erneuerung von Geyisried Süd ist das Studienobjekt im Herbstsemester 2025. Das Beispiel passt bestens zu den Schwerpunkten des Masterstudiums Architektur: «Regenerative Architektur und Holz» sowie «Kooperative Architektur der offenen Stadt».

«Ich finde es reizvoll, mich mit realen Projekten in meiner Stadt auseinanderzusetzen»

  • Gabriela Mazza Gastdozentin
Die Bieler Siedlung Geyisried Süd Bild vergrössern
Die Bieler Siedlung Geyisried Süd: Die geplante Erneuerung wirft Fragen zur Verdichtung, zum nachhaltigen Bauen und zur Nutzung von Grünflächen auf.

Seit 2005 bietet die BFH mit der Fachhochschule Westschweiz (HES-SO) den Joint Master of Architecture an. Die derzeit rund 180 Studierenden können die Module des Lehrgangs grösstenteils frei aus den Angeboten der Standorte Biel, Freiburg und Genf wählen. «So können sie über die Sprachgrenze hinweg die leicht unterschiedlichen Baukulturen der Deutschschweiz und der Romandie kennenlernen», sagt Stanislas Zimmermann, Studiengangleiter der BFH. Zudem biete das Studium dank dem breiten Angebot sowie den zahlreichen Dozierenden und Gastdozierenden viel Abwechslung.

«Im Stadtlabor können wir uns permanent mit den Leitenden der Ateliers austauschen»

  • Louise Wedlich Studentin

Enger Austausch zwischen Studierenden und Dozierenden

Als Gastdozentin derzeit in Biel tätig ist die selbstständige Bieler Architektin Gabriela Mazza, die das Atelier KAOS (Kooperative Architektur der offenen Stadt) im Stadtlabor Biel leitet. Zugesagt habe sie wegen dem Stadtlabor: «Ich finde es reizvoll, mich mit realen Projekten in meiner Stadt auseinanderzusetzen. Ausserdem ist die Arbeit mit den Studierenden fruchtbar und interessant.» Louise Wedlich aus Belgien, die im Rahmen des Erasmus-Programms ein Jahr an der BFH studiert, weiss diese Zusammenarbeit zu schätzen: «In Brüssel waren wir 50 Studierende mit zwei Professoren als Ansprechpartner. Hier im Stadtlabor sind wir 13 Studierende, die sich permanent mit den Leitenden der beiden Ateliers austauschen können.»

Im Atelier KAOS entwickelt Louise Wedlich in einer Gruppe Szenarien für die Orpundstrasse, die das Geyisriedquartier durchtrennt. Daneben beschäftigt sie sich in ihrem persönlichen Projekt mit der Frage, wie die Freiräume im Quartier künftig für gemeinschaftliche Aktivitäten genutzt werden könnten. Ihr Vorschlag setzt auf multifunktionale Holzpavillons, die sie auf den Rasenflächen zwischen den Häuserzeilen platziert. Dabei dringt sie von der anfänglichen Fragestellung im Atelier KAOS – übergeordnete Themen wie Landschaft, Aussenräume und soziale Dynamik – immer mehr «nach innen» zu den Fragen der Umsetzung in der Praxis vor.

«Ich arbeite mit natürlichen Materialien wie Holz, Lehm, Kork, Schafwolle, Myzel und Stroh»

  • Simon Richli Student

Holz, Lehm und Stroh an Stelle von Beton

Bei Simon Richli aus Bern ist es umgekehrt, er bewegt sich im Atelier «Regenerative Architektur und Holz» von innen nach aussen. Ausgangspunkt seines Projekts ist ein Gebäude, das er zum Quartiertreff machen will. Da die Gärten wegen des geschützten Ortsbildes nicht überbaut werden dürfen, setzt er auf eine Aufstockung des Gebäudes: «Ich arbeite an einer nachhaltigen Verdichtung mit natürlichen Materialien wie Holz, Lehm, Kork, Schafwolle, Myzel und Stroh.» In seiner Ausbildung zum Hochbauzeichner vor dem Studium sei Bauen mit Beton «zeitgemäss» gewesen. In den Ateliers des Master-Studiums erweitere er nun seinen Horizont: «Hier können wir eine andere Brille aufsetzen und den Fächer öffnen.»

In jedem der ersten drei Semester belegen die Studierenden ein Atelier, wobei sie aus jeweils sechs Angeboten – zwei an jedem Standort – auswählen können. «So haben sie die Möglichkeit, sich von Anfang an im Gebiet ihres Interesses zu vertiefen und ihr Profil zu schärfen», sagt Stanislas Zimmermann. In der Auseinandersetzung mit kooperativer und regenerativer Architektur würden gesellschaftlich nachhaltige Werte reflektiert und könne eine eigene architektonische und gesellschaftliche Haltung entwickelt werden.

Das Stadtlabor Biel:
Das Stadtlabor Biel: Ein Ort der Begegnung für Fachverbände, Behörden und Interessierte.

Sich fit machen für die Zukunft des Bauens

Zentral im Studium ist der interdisziplinäre Ansatz. Er ergibt sich durch die praxisorientierte Arbeit an realen Fallbeispielen. «Wir arbeiten bei der Transformation des Geyisriedquartiers wie ein Büro, dass eine Aufgabe von verschiedenen Seiten herangehen muss», erklärt Gabriela Mazza. Die Stadt Biel, die Genossenschaften, Fachleute für Landschaftsarchitektur, Denkmalpflege und Biodiversität haben ihre Anliegen und Perspektiven eingebracht. Im kommenden Frühlingssemester werden die Studierenden gemeinsam mit den Studierenden des Master Wood Technology interdisziplinäre Projekte für die städtebauliche Verdichtung mit höheren Gebäuden aus Holz entwickeln.

«Die Fähigkeit zur Zusammenarbeit ist zwingend, um nachhaltig zu bauen – das heisst den gesellschaftlichen Bedürfnissen entsprechend und umweltverträglich», sagt Stanislas Zimmermann. «Unsere Schwerpunktthemen sind die Themen der Zukunft in der Branche. Wer als Architektin oder Architekt fit sein will für die grossen Herausforderungen, ist in unserem Studium am richtigen Platz.»

«Wer fit sein will für die grossen Herausforderungen, ist in unserem Studium am richtigen Platz»

  • Stanislas Zimmermann Studiengangsleiter Master Architektur

Architekturstudium am Puls der Stadt

63 Absolvent*innen des Joint Master of Architecture konnten am 3. Oktober 2025 ihre Diplome entgegennehmen. Die Übergabe fand im Rahmen der Feier zum 20-jährigen Bestehen des Kooperationsstudiengangs der BFH und der HES-SO in Biel statt. Dabei wurde sieben Masterarbeiten mit Preisen ausgezeichnet:

Preis der SIA Sektion Bern

Preis der SIA Sektion Genf

Preis der SIA Sektion Freiburg

Bund Schweizer Architekten (2 Preise ex-aequo)

Nachhaltigkeitspreis HEIA-Freiburg

Preis Verein Architekten für das Klima

Mehr erfahren