Nutzerinnen und Nutzer an die Macht

Für die Unternehmen wäre es gut, wenn das Business von der Informatik lernen würde, möglichst auf Dinge zu verzichten, die ohnehin nicht funktionieren. Auch sollte es befähigt werden, selbst Services bauen zu können.

Das ist ein alter Hut: Nutzerinnen und Nutzer von IT-Lösungen sollten in deren Entwicklung integriert werden. Fast ebenso alt ist allerdings die Erkenntnis, dass dies von den Auftraggebern nicht immer gewollt wird. In der Praxis ist dies oft auch nicht umsetzbar, wenn die IT-Lösungsentwickler es selbst tun möchten. Es ist wie mit der Kommunikation im bürokratischen Kontext: Wer kommunizieren will, wird kaltgestellt.

Im Übrigen habe ich auch schon erlebt, dass die Involvierung von Auftraggebern zu einem bürokratischen Hindernislauf wurde. Weil keine Lust vorhanden war, sich in andere hineinzuversetzen, wurden diese lieber direkt gefragt. Das scheint supersmart zu sein, ignoriert aber die häufig vorhandenen Verständnisdefizite. Gute IT-Lösungsentwickler handeln anders. Sie tun immer beides: Sie denken für die Kunden mit und fördern deren Mitdenken.

Eigentlich war Involvierung der Nutzerinnen und Nutzer immer nur der Spatz in der Hand. Die Taube auf dem Dach, die wir seit über einem halben Jahrhundert zu fangen versuchen, ist die Software-Entwicklung durch die fachlichen Experten. Kombinieren und Konfigurieren statt Programmieren ist seit Langem die grosse Vision der Informatik. Wir haben diese nie verwirklicht, aber auf dem Weg dorthin viele nützliche Dinge entwickelt, unter anderem Virtuelle Maschinen und Laufzeitumgebungen.

Zwei der letzten Errungenschaften auf diesem Weg waren die Zero-Code-Plattformen und das Serverless Computing. Erstere ersetzen das Programmieren durch das Kon figurieren und Kombinieren. Letzteres vereinfacht die Cloud-Nutzung und macht es unnötig, die Cloud-Infrastruktur verstehen zu müssen. Naturgemäss muss in beiden Fällen ein hoher Preis gezahlt werden. Zero-Code-Plattformen setzen den Lösungen enge Grenzen. Das Serverless Computing verursacht eine ganze Menge Probleme, etwa im Bereich Sicherheit und beim Debugging.

Wir werden trotzdem den Weg weitergehen müssen. Nur schon, um das ewige Hickhack zwischen Business und IT zu reduzieren, ist es sinnvoll, das Business dazu zu befähigen, selbst die benötigten Services zu bauen und zu deployen. Die interne IT wird dann die Aufgabe haben, dies möglichst einfach zu gestalten und die Risiken zu minimieren – neben den Cyberrisiken auch die Gefahr, sinnlos hohe Cloud-Kosten zu produzieren.

Aus der Distanz betrachtet, steht dahinter ein zentrales Prinzip der IT: Das Minimieren der Notwendigkeit, Dinge zu tun, die nicht funktionieren. Weil die Kommunikation zwischen Teams nicht funktioniert, sind DevOps erfunden worden. Und während einst die Involvierung der Nutzer erfunden wurde, weil die Formulierung von Spezifikationen durch die Auftraggeber nicht funktionierte, wird in Zukunft die Entwicklung gleich den Nutzern übergeben, weil deren Involvierung nicht funktioniert.

Bleibt nur mehr anzufügen: Wie gut würden Unternehmen funktionieren, wenn das Business von der Informatik lernen würde und die Notwendigkeit eliminieren würde, nicht funktionierende Managementpraktiken anwenden zu müssen. Leider ist das unrealistisch. Die Menschen lieben das Scheitern zu sehr, um sich davon zu trennen.

Dieser Text ist in der Zeitschrift Computerworld 3/2022 erschienen.

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