Erdbebentests an Brettsperrholzgebäude liefern wertvolle Daten

20.07.2022 Damit Holzbau- und Bauingenieur*innen Baumassnahmen zur Erdbebensicherheit effizienter planen können, untersuchten Forschende des Instituts für Holzbau, Tragwerke und Architektur IHTA der Berner Fachhochschule BFH die dynamischen Eigenschaften von Brettsperrholzbauten. Die Resultate der Versuche liegen nun grösstenteils vor und schliessen eine entscheidende Wissenslücke.

Der Holzbau boomt – im Bereich der Erdbebensicherheit bestehen jedoch noch Wissenslücken. Grund dafür: Die Grundschwingzeit, eine der wichtigsten Grössen im Erdbebeningenieurwesen, lässt sich nur schwer abschätzen und bestehende Methoden zur Ermittlung ergeben Resultate, die oftmals weit auseinander liegen. Um klare Aussagen zur Grundschwingzeit von Brettsperrholzbauten machen zu können, haben Forschende des Instituts für Holzbau, Tragwerke und Architektur IHTA der Berner Fachhochschule BFH eine Reihe von Tests an einem vierstöckigen Gebäude aus Schweizer Holz durchgeführt, das eigens zu diesem Zweck gebaut wurde. «Die Resultate der Versuche ermöglichen es Ingenieur*innen, die dynamischen Eigenschaften, insbesondere die Grundschwingzeit, von Holzbauten zuverlässiger zu bestimmen», sagt Projektleiter Martin Geiser. «Somit können sie die Baumassnahmen zur Erdbebensicherheit effizienter planen und dadurch Kosten sparen.»

Versuche am Brettsperrholzgebäude

Nachdem die Forschenden die Brettsperrholzwände für den Bau bereits auf dem Prüfstand im Labor untersucht hatten, wurde das Testgebäude mit einem Grundriss von 4x5m etappenweise auf dem BFH-Gelände in Vauffelin (BE) errichtet. Nach jedem neuen Stockwerk massen die Forscher*innen mit Beschleunigungssensoren einerseits die natürlichen Schwingungen des Gebäudes, die beispielsweise durch Wind entstehen. Für weitere Tests simulierten sie grössere Kräfte, welche horizontal am Gebäude wirken. Bei diesen sogenannten Ausschwingversuchen wurde der Holzbau mit einem Stahlseil, das jeweils am obersten Stockwerk befestigt wurde, horizontal ausgelenkt und losgelassen. Bei einem letzten Versuch, der am 21. Mai vor Publikum durchgeführt wurde, liessen die Forschenden das Gebäude einstürzen und konnten somit überprüfen, ob die geplante Sollbruchstelle ihre Duktilität entwickeln konnte.

Vergleich zu Holzrahmenbauten

Die Versuche sind bereits die dritten dieser Art, die von der BFH durchgeführt wurden. Bereits 2019 testeten die Wissenschaftler*innen vom IHTA die dynamischen Eigenschaften eines Holzgebäudes; damals ein Holzrahmenbau. 2021 folgten dann Untersuchungen an Walliser Blockbauten. «Wie erwartet, ist die Grundschwingzeit von Brettsperrholzgebäuden kürzer als jene von Holzrahmenbauten oder Blockbauten», sagt Geiser. «Das liegt daran, dass die aussteifenden Brettsperrholzwände deutlich steifer sind.» Für die Ingenieur*innen bedeute das einerseits, dass Brettsperrholzwände ideal für die Gebäudeaussteifung verwendet werden können und andererseits, dass es lohnenswert sein kann, die hohen Erdbebenkräfte durch eine duktile Bemessung zu reduzieren.

Die gewonnenen Erkenntnisse ermöglichen nun eine Messkampagne an bestehenden Bauten, mit welcher unter anderem der Einfluss der sekundären Bauteile wie Fenster oder Türen untersucht werden kann. Deren Einfluss wurde mit den bisher durchgeführten Projekten noch nicht abgedeckt.

Das Forschungsprojekt wurde vom Bundesamt für Umwelt BAFU, der Association Jurassienne des Menuisiers, Charpentiers et ébénistes AJMCE sowie einer Vielzahl an weiteren Projektpartnern unterstützt.

Fachleute sind gefragt: Kurs Erdbebengerechte Holzbauten

Holz- und Bauingenieur*innen sind zunehmend gefordert, schon in der Planung relevante Aspekte der Erdbebensicherheit miteinzubeziehen. Der Kurs Erdbebengerechte Holzbauten bietet Ihnen eine gezielte Weiterbildung. Sie lernen die relevanten Normen, Ordnungen und Berechnungsverfahren kennen und anwenden, um auch unregelmässige Holzbauwerke und solche mit Mischsystemen (z. B. Holzrahmenbau kombiniert mit Brettsperrholz und Betonbauteilen) gemäss dem Antwortspektrumverfahren zu berechnen.

Nächste Durchführung: 1. September 2022

Weitere Informationen

Auch in der Lehre hat die Forschung an der Berner Fachhochschule einen festen Platz. Studierende aus dem Fachbereich Holz profitieren von einer engen Verknüpfung mit der Forschung und Entwicklung. Sie können während des Studiums in verschiedenen Forschungsgebieten Erfahrungen sammeln und einen Blick in die Zukunft werfen. Kylian Maître schätzt diese Verbindung sehr: «In Biel haben wir das Glück, das Schweizer Know-how im Holzbau mit den neuesten weltweiten technologischen Fortschritten zu verbinden, was uns erlaubt, die Grenzen des Materials zu erweitern, um sein volles Potenzial auszuschöpfen». In seiner Bachelorarbeit hat er sich mit der Entwicklung eines hochduktilen Verankerungssystems für den Holzbau beschäftigt. Unterdessen studiert er im Master Wood Technology und ist als Assistent am Institut für Holzbau, Tragwerke und Architektur IHTA tätig. Er war am 21. Mai vor Ort und hat die Versuche unterstützt. Mehr Informationen zu den Studienangeboten im Fachbereich Holz: 

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