3 Fragen an Hagen Böser, Dozent für Akzeptanz- und Commitment-Training (ACT)

29.08.2022 ACT ist ein achtsamkeits- und handlungsorientierter Beratungsansatz, der darauf abzielt, nicht veränderbare, unangenehme Gegebenheiten oder Leiden akzeptierend in das Leben zu integrieren. Im Interview spricht er über die ermutigende Wirkung von ACT in Beratungsprozessen.

Herr Böser, was genau wird eigentlich unter ACT verstanden? Was wird trainiert?

Das Haupttraining besteht darin, psychische und soziale Flexibilität bei sich selbst und den Klient*innen zu fördern. Wir alle eignen uns im Laufe unseres Lebens zahlreiche innere Regeln und Muster an – viele davon sind uns nicht bewusst, wir befolgen sie automatisch.

Wenn diese Regeln und Muster uns nicht zu dem Ziel führen, das wir damit verfolgen wollten und unsere Erwartungen enttäuscht werden, können daraus Probleme entstehen. ACT ermutigt darin, die vermeintliche Sicherheit alter Regeln aufzubrechen und diese im Hier und Jetzt zu aktualisieren. Das klingt erstmal leicht, ist aber im Alltag eine Herausforderung. ACT arbeitet praxisnah und bietet erlebnisorientierte Übungen an, durch die diese theoretischen Konzepte erfahrbar werden.

ACT wurde ursprünglich als psychotherapeutisches Verfahren entwickelt und hat mittlerweile auch Einzug in psycho-soziale Beratungs- und Begleitungskontexte gehalten. In der Sozialen Arbeit hat sich insbesondere der Ansatz der Systemischen Beratung sehr etabliert. Wie lässt sich ACT in Beratungsprozesse im systemischen Sinne integrieren?

ACT und die Systemische Beratung sind konstruktivistische Ansätze. Es wird nicht die Wahrheit, sondern das Hilfreiche gesucht. Gemeinsam gilt es herauszufinden, was für die Klient*innen wichtig ist, und wie dies durch Handeln umgesetzt werden kann. In der Sozialen Arbeit wie im ACT sind der Umgang mit persönlichen Bedürfnissen und einer Umwelt mit Mangel (wenig Geld, wenig Ressourcen, wenig Bindung, wenig Kontinuität etc.) ein wichtiges Thema. Im ACT untersuchen wir den jeweiligen Kontext unter Berücksichtigung der individuellen Werte entlang der Leitfrage: Wo muss ich mich verändern und wo kann ich meine Umwelt verändern? So verfolgen ACT und die Systemische Beratung meiner Überzeugung nach dasselbe Ziel, auch wenn sie dafür verschiedene Wege wählen.

Systemisches Arbeiten ist unserem Verständnis nach vor allem haltungsbasiert, aber auch methodenorientiert. Was können die Teilnehmenden bezogen auf Haltungen und die Anwendung konkreter Methoden im Klientenkontakt von einer Weiterbildung in ACT erwarten?

ACT ist ein erfahrungsorientierter Ansatz. Methoden, die wir als Berater*innen mit unseren Klient*innen durchführen, sollten wir selbst erfahren haben. Oft ist es viel leichter, eine beraterische Frage zu stellen, als diese zu beantworten. Wenn ich aber selbst merke, wie sehr manche Fragen und Übungen meine Konzepte über mich  selbst in Frage stellen und ich selbst beim Antworten zögere, dann habe ich mehr Verständnis für das Zögern und Ringen um die Antworten bei meinen Klient*innen.

Wir alle hängen sehr an den Konzepten über uns selbst und stellen diese ungern in Frage. Auch wenn durch das Konzept manches schwieriger wird, befolgen wir manchmal eine alte Regel aus einem alten Lebensabschnitt. Diese ist aber oft im heutigen Leben nicht mehr hilfreich. Wir bemerken das erstmal nicht, weil uns die alte Regel so vertraut und selbstverständlich ist. Hier wird die konstruktivistische Denkweise von ACT deutlich: Es wird nicht nach dem richtigen Konzept gesucht, sondern nach einem Konzept, das im aktuellen Leben hilfreich ist. Das ist eine wichtige Grundhaltung im ACT und im systemischen Arbeiten.

Hagen Böser, Dozent ACT
Hagen Böser, Dozent ACT

Portrait Hagen Böser

Dr. med. Hagen Böser ist ärztlicher Psychotherapeut mit eigener Praxis in Frankfurt, ausgebildet in Systemischer Familientherapie und Verhaltenstherapie, Systemischer Coach, Supervisor und Organisationsberater. Das Akzeptanz- und Commitment-Training (ACT) wurde in den letzten Jahren zunehmend zu seinem «Spielbein».

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