Digisanté: «Lieber spät, als nie.»

23.02.2024 In zehn Jahren soll im Schweizer Gesundheitswesen vieles effizienter laufen – Digisanté sei Dank. 391,7 Millionen Franken soll die digitale Transformation kosten. BFH-Expert*innen ordnen ein.

«Die Gesundheitsversorgung ist top, solange man nicht von der Digitalisierung spricht», sagt der Professor und Co-Leiter des Patient-centered Digital Health-Instituts, Serge Bignens. In der Schweiz habe es bisher einfach zu wenig Leidensdruck gegeben, der eine zügige Umsetzung der Digitalisierung im Gesundheitswesen hätte in Gang setzen können. Die Schweiz hat eines der qualitativ besten Gesundheitssysteme der Welt - und genau deshalb war sie so langsam, so Serge Bignens.

Die Gesundheitsversorgung ist top, solange man nicht von der Digitalisierung spricht.

Serge Bignens
Serge Bignens Co-Leiter des Instituts Patient-centered Digital Health

Matthias Stürmer, der das Institut Public Sector Transformation leitet, pflichtet seinem Kollegen bei: «Lieber spät, als nie. Jetzt braucht es schnell eine gute Basis», erklärt Stürmer, «denn es geht darum, die technologische Schuld aufzuholen». Friederike J.S. Thilo, Leiterin des IF Digitale Gesundheit, sieht neben dem Technologie-Defizit wie ihre Kollegen aber auch viel Potenzial: Es würden heute bereits sehr viele Daten gesammelt, die aber versanden. «Wenn diese Datenflüsse für den Versorgungsprozess genutzt werden können», so Thilo, «ist das eine Riesenchance – auch für die Versorgungsqualtität.»

Die Daten, die wir schon heute sammeln, aber versanden lassen, sind eine Riesenchance – auch für die Versorgungsqualtität.

Friederike J.S. Thilo
Friederike J.S. Thilo Leiterin IF Digitale Gesundheit

Standards gegen Ineffizienzen

Von Digisanté, der grossen Digitalisierungsoffensive des Bundes für das Schweizer Gesundheitswesen, erhoffen sich alle drei Expert*innen Effizienzgewinne. «Aber wenn Institutionen Daten miteinander teilen wollen, braucht es zuerst nationale Standards», erklärt Matthias Stürmer. Bisher habe man die technische Vereinheitlichung vernachlässigt. Fehlende Schnittstellen, Mehrfacherfassungen und Fehleranfälligkeit sind Folgen davon. «Wie wenn man ein Dokument öffnen möchte, aber das passende Programm nicht hat», resümiert Stürmer den Stand der Digitalisierung im Schweizer Gesundheitswesen.

Digisanté in Kürze

Digisanté ist ein bundesweites Aktionspaket, das zwischen 2025 und 2034 das Schweizer Gesundheitswesen auf den digitalen Stand der Zeit bringen soll. Damit möchte der Bund die Voraussetzungen für die digitale Transformation sowie die nationale Infrastruktur für den sicheren Datenaustausch schaffen.

Das erklärte Ziel von Digisanté: Behördendienstleistungen digitalisieren und effizienter gestalten. Ausserdem können die geplanten Systeme vermehrt für die Planung und Steuerung, sowie für Forschungszwecke zweitverwendet werden.

Insgesamt plant das Bundesamt für Gesundheit und das Bundesamt für Statistik, welche Digisanté verwalten, 50 Umsetzungsmassnahmen im Rahmen des Gesundheitsgrossprojektes. Kostenpunkt: Rund 400 Millionen. Ob und inwiefern das Projekt sinnvoll ist, haben drei Expert*innen der BFH am 22. Februar 2024 gemeinsam mit Medienvertretenden diskutiert.

Nichtsdestotrotz betonen die drei BFH-Expert*innen aber immer wieder auch die Chancen von Digisanté: Qualitativ bessere Daten, mehr Transparenz, einfacherer Austausch von Informationen, weniger aufwändige Büro-Arbeiten für Gesundheitspersonal und damit eine wichtige Entlastung in Zeiten des Fachkräftemangels.

Wenn Institutionen Daten miteinander teilen wollen, braucht es zuerst nationale Standards.

Matthias Stürmer
Matthias Stürmer Leiter Institut Public Sector Transformation

Hochschulen als Sparringpartner

Der Weg zu einem modernisierten und vereinheitlichten Gesundheitswesen bleibt auch mit Digisanté fordernd. Eine Vielzahl an Akteur*innen muss im Prozess involviert sein, damit das Resultat auch von allen getragen werden kann. Hier sieht Robert Reinecke, der das Medienfrühstück als Leiter Themen moderierte, den Mehrwert der Wissenschaft. Wenn der Diskurs ins Stocken gerate, helfe eine wissenschaftlich fundierte Aussensicht: «An der BFH haben wir die Expertise zum Thema, sind offen und gesprächsbereit.»

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