Beni Wieland - «Vieles ist anders als erwartet und das in erster Linie positiv»

Im immer warmen Kamerun absolviert Beni Wieland, Student Holztechnik aktuell sein Praktikum. In der Hauptstadt Yaoundé, umgeben von sieben Hügeln, in einer Bergebene im Zentrum Kameruns, arbeitet er seit Anfang März in einer Schreinerei. Ein gutes Zeichen, dass er auch länger bleiben möchte.

Herr Wieland, wie geht es Ihnen? Haben Sie sich gut eingelebt in Kamerun?


Mir geht es wunderbar, und ich habe mich schnell eingelebt. Ich erlebe eine eindrückliche und spannende Zeit und lerne täglich dazu. Kamerun ist ein Land, in dem ich die kulturellen Unterschiede deutlich spüre. Vieles ist vollkommen anders als erwartet und das in erster Linie positiv. Ich geniesse die Zeit hier.

Die lokale Bevölkerung hat mich schnell aufgenommen – mit dem Resultat, dass ich in meiner Freizeit viel beschäftigt bin. Ich spiele Squash, Frisbee und neuerdings Rugby, nehme an Schnitzeljagden teil, besuche jeden Mittwoch und Freitag einen Tanzkurs und am Samstag Tanzevents – es gibt unzählige Möglichkeiten hier.

Sie arbeiten seit mehr als einem halben Jahr in Kamerun am Centre de Formation Technique Menuiserie CFTM in Yaoundé. Wie sieht Ihr Alltag in der Schreinerei aus?


Die Arbeit ist interessant und vielfältig, zumal ich grosses Vertrauen beim Direktor geniesse. Während meiner ersten zwei Monate in der Schreinerei habe ich insbesondere an Möbeln für mein kleines Appartement gearbeitet und die Zeit genutzt, Menschen, Projekte und den Betrieb kennenzulernen. Inzwischen leite ich mehrere Projekte und stehe in direktem Kontakt mit Kund*innen. Wir fotografieren aktuell z.B. unsere eigenen Arbeiten und integrieren diese in einen Katalog. So haben wir unser eigenes Werbemittel und sind bei Kundenterminen nicht auf europäische Kataloge angewiesen.

Natürlich beschäftige ich mich auch intensiv mit meiner Bachelorarbeit. Das Ziel der Arbeit ist die Einführung eines Prozessmanagements in den Praktikumsbetrieb. Die Umsetzung ist interessant und macht Freude, obwohl ich eher ungern Zeit im Büro beim Schreiben verbringe (lacht). Es ist ein dynamisches Verfahren, oftmals ändern sich Sachen, vieles ist offen. Gerade beschäftige ich mich mit der IST-Analyse. Ich untersuche den aktuellen Zustand, mit dem Ziel herauszufinden, wie dieser effizient und langfristig verbessert werden kann. In diesen Prozess involviere ich natürlich auch die Mitarbeitenden. Mit meinen Befragungen möchte ich erfahren, wo sie Schwierigkeiten und damit verbunden Optimierungspotenzial sehen. Wichtig ist mir, dass alle einen Sinn in den Veränderungen sehen und motiviert sind. Deshalb lege ich meinen Fokus auf etwas, das für sie im Alltag nützlich ist.

Können Sie Erlerntes aus dem Studium anwenden?


Es freut mich zu sehen, wie oft mir Inhalte aus dem Studium weiterhelfen, oder dass ich Gelerntes gezielt anwenden kann. Während des Studiums sieht man den direkten Bezug zur Praxis nicht immer. Hier habe ich den Beweis, dass es durchaus in der Praxis Anwendung findet. Deshalb: Stets offen und lernbereit bleiben (lacht).

In meinem Fall hilft mir vor allem das erworbene Wissen zu ICT-Anwendungen und zu Zeichnungsprogrammen sowie meine ganzheitlichen Kenntnisse zum Holzaufbau und zu Lacken. Mathematik oder Statik kommen in meiner Arbeit weniger zur Anwendung. Was man vom Gelernten im Praktikum tatsächlich braucht, hängt stark vom Betrieb ab.

Viele Studierende möchten fürs Praktikum nicht ins Ausland, weil sie denken, sie lernten dort weniger. Ich erlebe dies gerade gegenteilig. Ich lerne viel, und zwar nicht nur fachlich: Als detailverliebter Schweizer sehe ich beispielsweise, dass sich Ziele manchmal auch anders und mit mehr Lockerheit erreichen lassen.

Kamerun vereint mehr als 200 Ethnien und Sprachen auf einer Fläche. Wie erleben Sie diese Vielfalt, insbesondere auch im Vergleich zur Schweiz?
 

Die grossen kulturellen Unterschiede haben mich überrascht. Besonders aufgefallen ist mir das bei der «Höflichkeitsform». In Kamerun ist die Sprache viel direkter als in der Schweiz. So war ich doch ziemlich überrascht, als jemand zu mir sagte «Gib mir das Wasser». Oder wenn jemand in die Runde fragt, ob man etwas Essen gehen will, ist es klar, dass derjenige bezahlt. Das hierarchische Denken ist hier viel stärker ausgeprägt als in der Schweiz.

Mittlerweile finde ich mich in den meisten Situationen gut zurecht. Das bedingt Offenheit und Interesse an der Kultur. So habe ich auch schon Raupen gegessen, welche Kinder morgens gesammelt und zum Mittagessen zubereitet haben. Ich bin relativ offen, probiere solche lokalen Spezialitäten gerne aus – ganz zur Freude der Leute. Sobald sich eine Vertrauensbasis entwickelt hat, erlebt man die Kameruner*innen auch ganz anders. Bist du beispielsweise bei jemandem eingeladen, wirst du behandelt wie ein König.

Sie haben bestimmt viel Spannendes während Ihrer Zeit in Kamerun erlebt. Woran erinnern Sie sich besonders gerne?
 

Es gibt unglaublich viele grossartige Erlebnisse und Momente, die mir in Erinnerung bleiben werden. Beispielsweise wie wir nach einem Tanzkurs im Restaurant die Tische weggeräumt und einfach weitergetanzt haben. Oder als wir an einem Fluss übernachtet haben, und ich am Morgen allein auf dem Fluss war und mitten im Urwald die eindrückliche Umgebung und die Stille genossen habe.

Ihr Praktikum in Kamerun dauert bis im Dezember. Was haben Sie noch vor?


Ich muss spätestens im Februar 2022 zurück in der Schweiz sein, das Studium geht dann weiter. Ob ich meine Zeit hier verlängern kann, ist noch offen. Ich würde gerne länger hierbleiben, meine Projekte weiterführen und im Land herumreisen. Mit den Menschen in Kontakt bleiben will ich sowieso.

Steckbrief

Departement

Architektur, Holz und Bau

Ausbildung:

​​​​​​Bachelor of Science in Holztechnik