Hebammenpraktikum in Shirati – ein Erfahrungsbericht von Aischa Tschopp und Rahel Scherer

03.08.2022 Bei ihrem Einsatz im Shirati KMT Hospital in Tansania haben die Bachelor-Studentinnen Aischa Tschopp und Rahel Scherer bereits einiges erlebt. Im Erfahrungsbericht ist zu lesen, was die beiden über Chancen und Schwierigkeiten des Hebammenpraktikums zu erzählen haben.

Hebammenpraktikum Shirati
Der Praktikumsort – Shirati KMT Hospital in Tansania

Habari zenu mabibi na mabwana! Wir sind nun bereits seit acht Wochen in Shirati und haben uns mittlerweile sehr gut eingelebt, sei es im Spital als auch im tansanischen Leben. Unsere Regel-Woche sieht folgendermassen aus: Wir arbeiten jeweils von Montag bis Freitag im «Maternity Ward». Meistens wählen wir den Frühdienst, der von 8 Uhr morgens bis 15 Uhr nachmittags dauert. Unsere Hauptaufgaben im «Maternity Ward» sind die Betreuung von Frühgeborenen und Gebärenden.

Im Shirati KMT Hospital gibt es einen Wehenraum mit sechs Betten. Die Frauen werden von ihren Müttern oder Schwiegermüttern ins Spital begleitet und anschliessend von uns aufgenommen. Hier werden die Anamnese und alle ersten Untersuchungen durchgeführt. Dabei wird auch nach der letzten Menstruation und folglich dem errechneten Geburtstermin gefragt. Da sich viele Frauen nicht an diese Fixpunkte erinnern, stellt sich oft erst bei der Geburt des Kindes heraus, ob es sich um eine Früh- oder Termingeburt handelt.

Im weiteren Verlauf werden stündlich die fetalen Herztöne mit dem Dopton kontrolliert sowie alle vier Stunden die vaginale Untersuchung durchgeführt. Dies ist meist kaum umsetzbar, da es im Spital latent an personellen Ressourcen fehlt. Die Frauen verbringen ihre Eröffnungsphase ohne grosse Betreuung der Hebammen, geschweige denn mit Hilfe von Schmerzmitteln. Bei vollständiger Muttermundseröffnung oder Pressdrang werden die Frauen gebeten, in den «Delivery Room» zu gehen. Dort wird sie dann auf einem der drei Gebärbetten in Rückenlage zum aktiven Pressen angeleitet.

Postpartales Bonding als Chance

Die Austreibungsperiode dauert meistens nur 10 bis 30 Minuten. Sobald das Kind geboren ist, wird abgenabelt und das Gewicht erhoben. Dann wird der Mutter das Geburtsgewicht sowie das Geschlecht des Kindes mitgeteilt. Im Gegensatz zur Schweiz wird auf das postpartale Bonding nicht viel Wert gelegt. Wir versuchen jedoch seit Praktikumsbeginn, dieses Thema den Hebammen und den Frauen näher zu bringen, indem wir die Vorteile des ressourcenarmen Bondings erläutern. Nach dem Wiegen wird das Neugeborene in einem Kanga (farbiges Tuch) eingewickelt und auf einer Rea-Einheit stationiert, bis allfällige Geburtsverletzungen versorgt sind. Die nächsten Stunden verbringt die frisch gewordene Mutter mit ihrem Kind im «Observation Room», wobei postpartale Kontrollen aus Kapazitätsgründen nur rar durchgeführt werden können.

Frühgeborene und kranke Neugeborene

Unsere Aufgabe im «Preterm Room» ist das tägliche Wiegen der Kinder und, bei Bedarf, das Kontrollieren der Sauerstoffsättigung im Blut, um abschätzen zu können, ob eine zusätzliche Sauerstoffgabe indiziert ist. Nebst den Frühgeborenen befinden sich in diesem Raum auch alle kranken Neugeborenen, die besondere Aufmerksamkeit benötigen. Der Raum beinhaltet sieben Spitalbetten, welche die Mütter mit ihren Kindern belegen. Das Klima im Zimmer ist feucht-warm und soll dadurch eine Art Brutkasten simulieren. Die Frühgeborenen werden von ihren Müttern eingeölt und entweder gestillt oder mithilfe einer Magensonde ernährt. Sobald ein Kind ohne Magensonde und zusätzliche Sauerstoffgabe gut gedeiht, darf es mit der Mutter nach Hause. Im weiteren Verlauf muss die Mutter einmal wöchentlich mit ihrem Kind ins Spital zur Gewichtskontrolle kommen, bis es die 2500-Gramm-Marke erreicht hat.

Ein Grund für die hohe Frühgeburtsrate ist einerseits der Umstand, dass viele Frauen einige Wochen vor dem Geburtstermin «local herbs» zur Wehenstimulierung konsumieren. Andererseits gibt es im Shirati KMT Hospital keinerlei Tokolysen (wehenhemmende Medikamente), welche frühzeitige Wehentätigkeit aufhalten oder eindämmen könnten.

Übersichtsboard dank Spende

Als wir hier ankamen und die Sprache noch eine erhebliche Barriere darstellte, war es sehr herausfordernd, uns einen Überblick über die im Wehenraum zu betreuenden Frauen zu verschaffen. Jede Frau hat ihre eigene Akte in Papierform, auf der alle Angaben zur Eintrittsuntersuchung festgehalten werden. Das Zuordnen der Akten zur jeweiligen Gebärenden bei Dienstbeginn gestaltete sich jeweils als mühsames und langes Prozedere.  Dadurch verloren wir viel Zeit und wussten nie genau, welche Frau aktuell besondere Aufmerksamkeit benötigt. Da wir uns von der Schweiz ein Übersichtsboard mit allen wichtigen Angaben zu den Gebärenden gewohnt sind, haben wir bei unseren Freund*innen und Familien nach Spenden gesucht und mit diesen finanziellen Mitteln ein Board angeschafft. Wir haben die Funktion des Boards den Hebammen und Ärtz*innen erklärt und sind sehr erfreut, dass es nun fleissig benutzt wird.

Hebammenpraktikum Shirati
Übersichtsboard im «Maternity Ward».
Hebammenpraktikum Shirati
Bonding-Tops für das Shirati KMT Hospital – Eine Spende von Bethesda.

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